Von Gabriele Rettner-Halder
Horst Seehofer ist immer für Überraschungen gut. Das hat der CSU-Chef erneut am Wochenende in Erlangen bewiesen. Obligatorisch der Schuss nach Berlin, der diesmal nicht die Kanzlerin, sondern die SPD traf: Dieser hatte der bayerische Ministerpräsident den Ausstieg aus der Großen Koalition nahegelegt. Beim Aufstellen der Delegiertenliste zur Bundestagswahl dann wuchtete Seehofer seine CSU in die Moderne: Auf den ersten zehn Listenplätzen wurden hinter Spitzenmann Peter Ramsauer fünf Damen untergebracht.
Während in anderen Parteien jahrelang erbitterte Kämpfe um eine Frauenquote geführt wurden, erledigte Seehofer das Frauenthema auf seine sehr spezielle Weise: Ohne große Diskussionen, im Handumdrehen. Vor Monaten schon gab er die Devise aus, dass Frauen in der CSU kaum sichtbar seien, was sich ändern müsse. In Erlangen gelang dieser Durchmarsch, vorbei an den Realitäten. Die CSU hat nun mal nur 18 Prozent weibliche Mitglieder.
Dass Seehofer deshalb zum Idol der CSU-Frauen geworden wäre, ist bislang nicht zu bemerken. Dafür mehrt sich täglich die Zahl der Verprellten, die Seehofer in seinem politischen Zick-Zack-Kurs nicht mehr folgen können. Seehofer fischt überall nach Themen, ob sie nun zur CSU passen oder nicht. Wofür er wirklich steht, traut sich keiner in der Partei zu beantworten. Die starre Schulpolitik in Bayern soll gelockert werden, das strikte Rauchverbot, der Donauausbau wird vielleicht gestoppt, der Anbau von Genmais auf bayerischen Flächen künftig untersagt. Sogar ein Heiligtum der Kommunalpolitik soll unter den Hammer, die Bezirksregierungen.
Die Europawahl am 7. Juni, ausgerechnet während der Pfingstferien, ist Seehofers erste Bewährungsprobe. Angstbeißereien gehören zum Programm, die CDU-Kanzlerin bekommt es fast täglich zu spüren. Ob Senkung der Mehrwertsteuer oder Nein zum Gesundheitsfonds, Seehofer kümmert sich nicht um sein „Geschwätz von gestern” (Konrad Adenauer), sondern richtet sich populistisch nach der Stimmung. So gibt sich die CSU auf einmal als Partei für mehr Mitbestimmung der Bürger bei EU-Gesetzen oder als Frauenpartei oder als wertkonservative Umweltpartei oder als Vertreterin der Vertriebenen, die auf Erika Steinbach im Stiftungsrat der Gedenkstätte beharrt.