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Selbstverteidigung oder Katzenmord?

Ein Mann will zwei raufende Katzen gewaltsam trennen – am Ende muss eine davon eingeschläfert werden.

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© Kristin Richter

Von Manfred Müller

Obwohl sie durchaus Missetaten begehen können, stehen Katzen niemals vor Gericht. Ihre Besitzer gelegentlich schon, und sie können die Justiz wegen ihrer geliebten Vierbeiner ganz ordentlich beschäftigen. So im Falle des Ebersbacher Katers Tapsi, dessen Tod Gegenstand eines Zivilprozesses im Riesaer Amtsgericht ist. Gestern wurde bereits zum dritten Mal verhandelt, und das Urteil ist immer noch nicht gesprochen.

Was war passiert? Im Januar dieses Jahres erwischte Helmut Richter* aus Ebersbach den Kater der Nachbarin in seinem Vorhaus. Dort stand eine Kiste, in der seine eigenen Katzen nächtigten. Aus dem Schlafkasten ertönte ohrenbetäubendes Geschrei: Hauskatze Purzel kämpfte dort gegen Nachbars Kater Tapsi. Er habe die beiden ineinander verkeilten Tiere zunächst mit einem Knüppel auseinanderdrücken wollen, sagt Helmut Richter. Als das misslang, griff er zwischen die Kämpfenden und schnappte sich den rötlich gefärbten Eindringling. Der aber reagierte aggressiv, verletzte den Ebersbacher zunächst am Ohr und krallte sich dann an seiner Hand fest. Inzwischen war Richters Ehefrau dazugekommen und reichte ihm eine Dose Pfefferspray, mit deren Hilfe er sich von Tapsi befreite. So zumindest die Version des Beklagten. Der rief wegen seiner Verletzungen die Polizei und gab den Vorfall zu Protokoll.

Anschließend klingelten die Beamten bei Tapsis Besitzerin Ines Krause*. Gemeinsam machten sie sich auf die Suche nach dem Tier und fanden es verletzt und völlig verängstigt vor. Eine schnell hinzugezogene Tierärztin diagnostizierte ein Schädelhirntrauma, eine schwere Augenverletzung und eine Hirnblutung. Aufgrund der schweren Verletzungen musste Tapsi eingeschläfert werden. Die Frage ist nun, wie sich der sechs Jahre alte Kater seine Blessuren zugezogen hat. Sind es vielleicht die Spuren von Schlägen mit dem Knüppel? Dann wäre Helmut Richter bei der Verteidigung seiner Purzel zu weit gegangen. Der Beklagte bestreitet das.

Die Ehefrau trat gestern noch einmal in den Zeugenstand, um einen Vorfall zu schildern, der noch etwas weiter zurückliegt. Nachbars Tapsi habe auch die anderen Katzen, die auf dem Grundstück der Richters leben, in die Mangel genommen, erzählt sie. Kater Karlchen zum Beispiel, der bei einer Rauferei so stark verletzt wurde, dass man ihm den Schwanz amputieren musste. Der „Rote“ sei in der gesamten Nachbarschaft für seine Aggressivität bekannt. Ob das allerdings die drastische Gegenreaktion rechtfertigt, steht auf einem anderen Blatt. Beide Seiten beharren auf ihrem Standpunkt, im Nachbarschaftsstreit der Geschädigte zu sein. Klägerin Ines Krause will die Tierarztkosten und die finanziellen Aufwendungen für eine neue Katze erstattet haben. Helmut Richter wiederum fordert 500 Euro Schmerzensgeld für die Verletzungen, die ihm der Kater zugefügt hat. Eine außergerichtliche Einigung lehnten beide Parteien ab. Richter Hans-Peter Burmeister hat nun die nicht ganz leichte Aufgabe, einen Vorfall, für den es keine unabhängigen Zeugen gibt, zu beurteilen. Eine wesentliche Rolle wird dabei der Knüppel spielen, der wohl nicht ganz zufällig bereitlag. Nach Aussage des Beklagten hat er dazu gedient, Marder und Waschbären zu vertreiben. Vielleicht auch Ines Krauses Tapsi? Dass Kater in der Ranzzeit besonders kampflustig sind und manchmal auch nicht sehr sanft mit den Katzendamen umspringen, ist jedem Landbewohner bekannt. Dass man Nachbars Katze nicht einfach von seinem Grundstück herunterprügeln darf, aber ebenso.

Deshalb hatte auch die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz aufgenommen. Aber das ist nicht Gegenstand des Zivilverfahrens um den Tod des Ebersbacher Katers. Hier geht es lediglich um Schadensersatzforderungen von einigen Hundert Euro. Und für Ines Krause um Gerechtigkeit für Tapsi. Die Urteilsverkündung ist für den 22. Dezember um 9 Uhr angesetzt.

*Namen geändert