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Shitstorm

Sven Siebert über die kritischen Töne gegen Joachim Gauck

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Soso, er ist nicht verheiratet… Doch, ist er, aber nicht mit der, mit der er zusammenlebt. Er hat mal was über Thilo Sarrazin gesagt. War er nicht für den? Und fand er nicht die Kapitalismuskritiker blöd? Oder albern? Kennt er sich am Ende nicht im Internet aus? Und hat er nicht mal mit Veronica Dingsbums und ihrem Maschmeyer für ein Foto posiert?

Manches von dem Geschnatter, das jetzt über Joachim Gauck hereinbricht, ist skurril, manches dumm, vieles ärgerlich. Natürlich kann jeder zum künftigen Staatsoberhaupt eine Meinung haben. Bei den meisten scheint dies eine positive zu sein. Die Vorstellung aber, Gaucks Popularität und seine Nominierung durch gleich fünf Parteien müssten automatisch dazu führen, dass jeder alles gut findet, was Gauck sagt, ist abwegig.

Gauck darf nicht nur, er muss Dinge sagen, die nicht jedem gefallen. Und es ist gut, dass er solche Dinge auch schon gesagt hat, ehe er aufgestellt wurde. Andernfalls wäre er nicht Kandidat geworden oder gälte im Amt schon vor Ablauf seines ersten Dienstjahres als Langweiler, der es allen recht machen will.

Wenn es damals schon das Internet gegeben hätte, hätte Richard von Weizsäcker, der aus heutiger Sicht heiligengleiche Alt-Präsident, mit seiner Rede zum 8. Mai 1985 eine Riesenempörung – vulgo: Shitstorm – ausgelöst. Gauck wird in den kommenden fünf Jahren Gelegenheit haben, zu vielen Themen klug abgewogene Gedanken zu äußern. Wenn sich im Einzelfall niemand darüber ärgert, macht er etwas falsch. Lasst ihn erstmal anfangen.