Merken

Show-Schächten schockt Zuschauer

Eine kleine Schar selbsternannter Performance-Künstler nutzte am Montagabend auf dem Theaterplatz eine Spielpause für einen kunstblutlastigen Anti-Islam-Auftritt.

Teilen
Folgen
© privat

Dresden. Ein lauer Sommerabend auf dem Theaterplatz. Vor der Semperoper schaute das Publikum das dialoglose Stück „Die Stunde da wir nichts voneinander wußten“ von Peter Handke, aufgeführt von der Bürgerbühne des Dresdner Staatsschauspiels.

Das „Bekennerschreiben“ der Störer vom Theaterplatz.
Das „Bekennerschreiben“ der Störer vom Theaterplatz. © privat
Polizisten notierten die Personalien der „5k-Aktivisten“ am Rande der Theater-Aufführung.
Polizisten notierten die Personalien der „5k-Aktivisten“ am Rande der Theater-Aufführung. © privat

In einer kleinen Pause des rund 90 Minuten dauernden Stückes standen plötzlich fünf neue Akteure auf der Kopfsteinpflaster-Bühne, entrollten ein Banner und platzierten ein Spielzeug-Schaf in der Mitte des Geschehens, wie die Polizei mitteilte. Die Störtruppe sorgte kurzzeitig für Verwirrung, weil viele Protagonisten des Handke-Stückes ebenfalls wie Karikaturen wirken im kollektiven Auf und Ab und Hin und Her der Freiluft-Bühne.

Als die Akteure unter dem Banner „Das Schweigen der Lämmer“ ihr vermeintliches Schaf mit einem Kehl-Schnitt opferten und sich dabei reichlich Kirschsaft über das denkmalgeschützte Pflaster ergoss, stockte doch vielen Besuchern der Atem. Zuerst berichtete das Portal Tag24 von dem Zwischenfall.

Die Verantwortlichen reagierten auf die „Unmutsbekundungen der Umherstehenden“, wie die Polizei schreibt, beendeten das makabere Spiel der Störer und holten Hilfe.

Polizisten nahmen sich dem Schächt-Kommando an und notierten auch die Personalien der als Affen kostümierten Figuren, die vorm Publikum das Nicht-Sehen, Nicht-Hören und Nicht-Sprechen demonstrierten. Anschließend säuberten sie den Platz wieder unter der Aufsicht der Beamten. Putzmittel hatten sie laut Polizei selbst mitgebracht. Mit einer Anzeige müssen die Männer jedoch nicht rechnen. Es liege kein Straftatverdacht gegen sie vor.

Die Aktion sollte sich offenbar gegen die Praxis des Schächtens und die Flüchtlingspolitik richten. Mit der Aufführung des Handke-Stückes auf dem Theaterplatz zum Finale der Spielzeit wollten die Kulturschaffenden dem Ort eigentlich seinen klassischen Charakter zurückgeben, fernab von Pegida-Aufmärschen und rechten Parolen. Doch die Szene gibt keine Ruhe.

Strafrechtlich bleiben die Störer offenbar verschont, da sie im weitesten Sinne einer Einladung der Theater-Macher folgten, in der die Bürgerbühne ausdrücklich zur Beteiligung des Publikums auffordert hatte. Ein Schreiben mit dem Absender „Dresden 5k“ verweist auf den Dunstkreis der sogenannten pegida-nahen „Einprozent-Bewegung“. Im Rahmen ihrer mathematischen Möglichkeiten versuchen die Rechten in jeder Stadt ein Prozent der Bevölkerung als Anhänger zu gewinnen – das wären nach deren grober Rechnung 5 000 Dresdner.

Tatsächlich hatte Dresden nach Verwaltungsangaben zum Stichtag 31.12.2016 exakt 553 036 Einwohner mit Hauptwohnsitz, Tendenz steigend. 5 000 davon wären dann nur noch rund 0,9 Prozent. (szo/stb)