Von Georg Moeritz
Dresden. Wartelisten für Wohnungen in Dresden-Johannstadt, ein Neubau samt Läden in Dresden-Gorbitz, Aufbau Ost in Ottendorf-Okrilla: Die Wohnungsgenossenschaften investieren in neue Immobilien. 131 Wohnungen sind voriges Jahr mit Geld von Genossenschaften in Sachsen gebaut worden. In diesem und im nächsten Jahr kommen jeweils 300 dazu. Gibt es etwa keine freien Wohnungen mehr?
Doch, sagte gestern Axel Viehweger, Chef des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften. Dabei sind mehr als 30.000 Wohnungen aus deren Bestand seit der Wende abgerissen worden, fast jede dritte. Weitere 3.000 sollen in den nächsten Jahren verschwinden. Der Staat zahlt rund 50 Euro Abriss-Subvention für jeden Quadratmeter ungenutzte Wohnfläche.
Viehweger sagte bei seiner Jahrespressekonferenz, das sei „kein Widerspruch“. Es gebe nun mal ungeliebte alte Bauten, in die niemand einziehe. In Hoyerswerda etwa werde stellenweise abgebrochen, anderswo neu gebaut. Auch in Freital und Pirna gebe es Aufbaupläne – trotz des „Überangebots“ an Wohnraum in Sachsen.
Leerstand: Warum Görlitz viel falsch gemacht hat
Zu den Städten mit dem größten Leerstand in Sachsen zählen Zwickau und Görlitz. Das VW-Werk in Zwickau ersetze nicht die vielen weggebrochenen Arbeitsplätze etwa in Textilindustrie und Bergbau, sagte Viehweger. In Görlitz habe die Stadtverwaltung viel falsch gemacht, sagte der Verbandschef und verglich mit Bautzen: Während Bautzen nach der Wende sein schlechtes Image verbessern konnte, habe Görlitz zu selbstbewusst auf wohlhabende preußische Zuzügler vertraut, aber nicht einmal für genügend Parkplätze gesorgt. Bautzen habe in den Wohnungsbestand investiert, während Görlitz zeitweilig auf Fördermittel verzichtete. Allerdings sei die Grenzlage schwierig: Der Leerstand im Kreis Görlitz und im Erzgebirge werde weiter zunehmen, wohl auch im Vogtland.
Künftig werden die Genossenschaften weniger komplette Häuser abreißen, denn oft steht nur ein Teil leer. Also werden Sechsgeschosser zu Dreigeschossern. „Man kann auch an der Seite was wegnehmen“, sagte Viehweger. Solch ein Teilabriss sei aber aufwendig. Also will der Verbandslobbyist nun Bund und Land überzeugen, für Teilabrisse höhere Zuschüsse zu zahlen, vielleicht 80 Euro pro Quadratmeter.
Altenwohnungen: Warum der Staat Elektronik bezahlen soll
Der ehemalige FDP-Bauminister Viehweger hat noch mehr Wünsche an den Staat: Der soll auch mehr für altengerechte Wohnungen ausgeben. „Ich möchte nicht ins Heim“, sagte der Verbandschef, und vielen Menschen gehe es ebenso. In den Altenwohnungen der Zukunft müsse es „Sicherheitssysteme zur Sturzprävention“ geben, eine Hilfszentrale rund um die Uhr und schnelles Internet. Stattdessen gebe es auf dem Lande „kein Zusammenspiel von Ärzten, Krankenhäusern und Kassen“, keine langfristigen Konzepte für die Pflege. Der Anspruch „ambulant vor stationär“ bedeute aber, dass der Staat Geld für elektronische Assistenzsysteme ausgeben müsse.
Geld: Warum Genossenschaften Banken Konkurrenz machen
Jede fünfte Mietwohnung in Sachsen gehört einer Genossenschaft, die Mieter sind also Mitbesitzer. Auch 24 Jahre nach der Wende haben viele Genossenschaften allerdings Altschulden aus DDR-Zeiten, insgesamt noch 450 Millionen Euro von einst 1,3 Milliarden. Existenzbedrohend sei das nicht, sagte Viehweger. Aber ein Drittel der Genossenschaften habe deshalb Schwierigkeiten, wenn sie neue Kredite beantragten. Anders als private Vermieter haben sie aber kaum mit Mietausfällen oder gar Mietnomaden zu kämpfen.
Einige sächsische Wohnungsgenossenschaften bieten sogar öffentlich Zinsen für Geldanlagen, wie eine Bank: Die Chemnitzer Siedlungsgemeinschaft etwa zahlt 1,75 Prozent jährlichen Zins, wenn jemand bei ihr Geld für fünf Jahre festlegt. Allerdings muss der Geldanleger zuvor Genosse werden, also mindestens 15,50 Euro für einen Genossenschaftsanteil aufwenden.
Miete: Warum manche fünf Euro bezahlen, andere schon zehn
Die Miete in den Genossenschaftswohnungen ist laut Viehweger voriges Jahr kaum gestiegen: um vier Cent auf durchschnittlich 4,59 Cent pro Quadratmeter. Dazu kommen je 1,07 Euro kalte und warme Nebenkosten. Viehweger warnte erneut vor teurer „energetischer Sanierung“: Damit würden die Mieten steigen, aber die Ausgaben für Energie stiegen erfahrungsgemäß trotzdem. Manche Mieter zahlen allerdings auch zehn Euro pro Quadratmeter – etwa Hausbesitzer aus dem Dresdner Umland, die zurück in die Stadt wollen, aber keine neue Eigentumswohnung kaufen können.