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„Sie haben gezielt den Staat angegriffen“

Führende Mitglieder des Deutschen Polizeihilfswerks standen am Freitag vor Gericht. Und wollen nur willige Befehlsempfänger gewesen sein.

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© Christian Essler

Von Jürgen Müller

Meißen. Der noch 54-jährige Andreas Krautz hat einen Hang zu Uniformen. Die durfte er auch ganz offiziell tragen. Er war Polizist, zuletzt bei der Bereitschaftspolizei tätig. 1996 wurde er aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Der Grund: Er spitzelte zu DDR-Zeiten für das Ministerium für Staatssicherheit. Uniformen mag er immer noch. Und gründete im Frühjahr 2012 gemeinsam mit Volker Schöne, Mario Benkert und seiner Frau Kerstin Krautz das „Deutsche Polizeihilfswerk“ (DPHW).

Ziel der den „Reichsbürgern“ nahestehenden Vereinigung sei es, die Polizei bei ihrer Arbeit zu unterstützten. Tatsächlich spielte das DPHW selbst Polizei, hatte eigene Uniformen und Einsätze. Der erste ereignete sich am 23. November 2012. Da wurde bei einer Pfändung in Bärwalde ein Gerichtsvollzieher des Amtsgerichtes Meißen bedroht und festgenommen. Krautz und seine Frau, die sich am Freitag wegen dieser Aktion ebenfalls vor Gericht verantworten musste, spielten dabei ein entscheidende Rolle. Beide erschienen in Uniform, Andreas Krautz führte zudem eine Handfessel mit.

Offensichtlich ist der ehemalige Bereitschaftspolizist und Stasi-Spitzel ein bisschen aus der Übung gekommen. Denn sein Versuch, dem Gerichtsvollzieher Handfesseln anzulegen, scheiterte kläglich. Besser machten es jetzt die richtigen Polizisten. Weil die beiden Angeklagten im Dezember nicht zur Hauptverhandlung erschienen, wurden sie per Haftbefehl gesucht und auch gefunden. Am 5. Januar klickten in Spremberg die Handfesseln, diesmal an den Handgelenken von Kerstin und Andreas Krautz. Bis zur Hauptverhandlung am Freitag saßen er und seine ein Jahr ältere Frau in Haft.

300 „Karteileichen“

Beim DPHW lief alles streng militärisch und mit Dienstgraden ab. Krautz hatte den Rang eines „Generalinspekteurs“, seine Frau war „Direktorin für Sicherheit.“ Chef Schöne nannte sich „General“, während Benkert „Leiter der Rechtsabteilung“ war. Der angebliche Kriminalist, der gegenüber Krautz angegeben haben soll, auch studierter Jurist zu sein, war in Wirklichkeit Klempner. An seinen Dienstgrad will sich Krautz nicht mehr erinnern können. „Ich weiß nur, dass ich zwei goldene Streifen hatte“, sagt er. Er stellt das Polizeihilfswerk als sektenähnliche Vereinigung dar.

Alles, was Chef Schöne sagte, war demnach Gesetz. So war es wohl nicht. Krautz zum Beispiel lud zu Schulungen ein, warb Mitglieder, hielt Vorträge, „beförderte“ Mitglieder in höhere Ränge. Beförderungsschreiben hat er als „Generalleutnant“ unterschrieben. Führungsaufgaben habe er nicht gehabt. „Es gab ja nichts zu führen“, sagt er. Sozusagen ein Führer ohne Volk. Später räumt er ein: Es gab etwa 400 Mitglieder beim DPHW, davon seien allerdings 300 nur „Karteileichen“ gewesen.

Auch bei der Aktion in Bärwalde seien sie von Schöne lediglich benutzt worden. „Er wollte nur, dass wir als Zeugen dabei sind. Dabei hat er uns aufs Glatteis geführt“, sagt er. Die Handfessel habe er immer mitgehabt, sagt er, das sei er noch so gewöhnt von der Bereitschaftspolizei. Komischerweise führte er den Schlagstock, den er ebenfalls besitzt, nicht mit, auch der gehörte zur polizeilichen Grundausrüstung. Auch wenn die beiden es bestreiten: Die Aktion in Bärwalde war organisiert, es war von Anfang an geplant, den Gerichtsvollzieher festzunehmen. Bei seiner polizeilichen Vernehmung hat Schöne, der inzwischen flüchtig ist und sich vermutlich in Belgien aufhält, gesagt, das DPHW habe mit der Aktion ein „Signal“ setzen wollen gegen die „ständigen Rechtsbrüche der Gerichtsvollzieher in Deutschland.“

Mühe, Contenance zu wahren

Kerstin Krautz, die bei der Aktion unter anderem Protokoll geführt hatte, gibt sich geläutert. Der Einsatz sei nicht gerechtfertigt gewesen, sagt sie heute. Es sei aber keine Freiheitsberaubung gewesen, sondern eine vorläufige Festnahme, wie sie jedermann durchführen dürfe, behauptet sie.

Beide distanzieren sich von der Reichsbürgerbewegung. Ein Beamter des LKA, der über 1 000 Mails ausgewertet und an Versammlungen des DPHW teilgenommen hat, berichtet etwas ganz anders. Und auch dem Gericht vorliegende Schreiben sind eindeutig der Reichsbürger-Szene zuzuordnen. Rechtsanwalt Markus Haselier, der den Gerichtsvollzieher als Nebenkläger vertritt, hat Mühe, bei seinem Plädoyer die Contenance zu wahren.

Beide Angeklagte wollten weismachen, sie hätten nach dem Motto „Schöne befiehl, wir folgen dir“ gehandelt. Dabei hätten sie im DPHW eine Führungsrolle gehabt. Er spricht von einem „Rollkommando“. „Der Gerichtsvollzieher leidet wie ein Hund, hatte Todesangst, hat noch heute unter Schlafstörungen, bekommt nachts Schweißausbrüche“, sagt er. Das sei den Angeklagten alles egal gewesen. Er fordert wie der Staatsanwalt für jeden der Angeklagten eine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.

Richter Andreas Poth verhängt diese Strafe für Andreas Krautz, dessen Frau bekommt drei Monate weniger. „“Sie haben mit der Aktion gezielt den Staat angegriffen“, wirft er den Angeklagten vor. Sie seien, wie alle anderen an der Aktion Beteiligte auch, tief frustriert. Dafür müsse nun der Staat herhalten.