Von Sebastian Beutler
Görlitz. Nach den Demonstrationen und Menschenketten in Görlitz und Berlin wollen die Siemens-Beschäftigten dem Vorstand eine Pause gönnen, um über sein Sparprogramm neu nachzudenken. Wie der Görlitzer Betriebsratsvorsitzende Christian Hainke am Donnerstagabend vor dem Stadtrat erklärte, würden die Protestaktionen in der Adventszeit zurückgefahren. Die Belegschaft habe aber dem Chef der Kraftwerkssparte, Willi Meixner, am Donnerstag ein „Argumentationspaket“ mitgegeben, damit der Siemens-Vorstand neu überlegen könne. Ziel sei es, mit der Siemens-Führung einen Dialog aufzunehmen, wo sachliche Argumente den Ausschlag geben. Dann, so ist sich Hainke sicher, müsse das Görlitzer Werk bestehen bleiben.
Durch die angekündigte Schließung fühlten sich die Mitarbeiter als „Bauernopfer“ für fehlende Aufträge in Mühlheim und Berlin, wo die Nachfrage nach großen Gas- und Dampfturbinen eingebrochen ist. Görlitz hingegen fertigt Industriedampfturbinen bis zu einer Größe von 200 Megawatt. Nach Angaben des Görlitzer Betriebsrates seien die Auftragsbücher auch für 2018 gefüllt. Sollte Siemens aber an seinen Schließungsplänen festhalten, würden Anfang Januar neue Proteste folgen.
In einer gemeinsamen Erklärung appellierten die fünf Stadtratsfraktionen und Oberbürgermeister Siegfried Deinege an Siemens, an Görlitz als Produktionsstandort festzuhalten. „Die mögliche Schließung des Werkes durch die inakzeptable Verlagerung der erfolgreichen Produktion muss abgewendet und eine intelligente Strategie für die Entwicklung im Siemens-Konzern entwickelt werden“, heißt es in dem Papier. Nach Ansicht der Görlitzer Kommunalpolitiker stehen die Konzerne sowie die Landes- und Bundespolitik in der Pflicht, gemeinsam mit den Menschen vor Ort die Zukunft positiv zu gestalten.
Der Görlitzer Kaufhaus-Investor Winfried Stöcker hat unterdessen gegenüber der „Neuen Presse“ in Hannover das Siemens-Management scharf kritisiert: „Bei einer Aktiengesellschaft wie Siemens kommen die Interessen der Beschäftigten an zweiter Stelle. Aus meiner eigenen Erfahrung rechnet es sich aber auf lange Sicht für eine Firma besser und sie wird leistungsfähiger, wenn man sich in erster Linie auf die Interessen der Belegschaft konzentriert.“ Den Siemens-Beschäftigten machte Stöcker ein Angebot, falls es zu Entlassungen kommen wird: „Wir prüfen, ob wir hier in die Bresche springen können. Wir könnten einen Teil des bald in Görlitz freigesetzten, aber sicher bestens ausgebildeten kreativen Personals schrittweise übernehmen. Stöckers Firma Euroimmun beschäftige mehr als 2 500 Menschen und hat Standorte in Herrnhut und Bernstadt.