Von Sven Siebert, Berlin
Mit leichter Hand wischt der Bundeskanzler die Bedenken beiseite. Es gehe um die Frage von Krieg und Frieden, sagt Gerhard Schröder, und nicht um „die internationale Interpretation des Völkerrechtes“. Es ist einer dieser Fälle, in denen Schröder ein kompliziertes und unbequemes Thema so vereinfacht, dass er simple und bequeme Antworten geben kann.
Im Zusammenhang mit dem Einsatz deutscher Soldaten am Rande eines Krieges gegen den Irak sehen diese Antworten so aus: „Wir lehnen den Krieg ab. Deutsche Soldaten werden sich nicht beteiligen.“ Dies gelte auch für die Awacs-Überwachungsflugzeuge, die mit ihren deutschen Besatzungen über der Türkei eingesetzt werden. Und für die ABC-Spürpanzer, die im Rahmen der Terrorbekämpfung in Kuwait stationiert sind. Nach Schröders Darstellung sei kein neuer Bundestagsbeschluss nötig, weil die Awacs-Flugzeuge im Rahmen eines „Routineeinsatzes“ der Nato „strikt defensiv“ operieren. Und auch die „Fuchs“-Panzer stellten „keine Unterstützung für Kriegshandlungen gegen den Irak“ dar.
Schröder bekräftigte außerdem, dass Deutschland zu seinen „Bündnispflichten“ innerhalb der Nato stehe. Es möge „unterschiedliche völkerrechtliche Auffassungen“ geben, sagte der Kanzler gestern im Bundestag, aber Deutschland werde US-Basen schützen und „Überflugrechte nicht versagen“.
Die unterschiedlichen völkerrechtlichen Auffassungen machen insbesondere die Frage der Bündnisverpflichtungen heikel. Schröder ist gestern mehrfach – unter anderem von der PDS – wegen des Verdachts der Vorbereitung eines Angriffskrieges angezeigt worden. Im Kern geht es um die Frage, ob auf Grundlage der UN-Resolution 1441 mit ihrer Androhung „ernsthafter Konsequenzen“ ein Krieg gegen den Irak legitimiert ist. Diese Frage offen zu lassen, hat für Schröder unter anderem den Vorteil, dass weitere Abstimmungen vermieden werden, in denen dem Regierungschef die eigene Mehrheit nicht sicher wäre. Andererseits verbindet die Opposition mit ihrer Forderung einer Entscheidung zum Awacs-Einsatz die Hoffnung, Schröder in Verlegenheit bringen zu können.
Kanzleramt verweist
auf Vereinte Nationen
Im Kanzleramt setzt man nach SZ-Informationen darauf, dass ein deutsches Gericht über die völkerrechtliche Legitimation gar nicht entscheiden kann. Die einzige Institution, die dies könnte, sei der UN-Sicherheitsrat – und der habe bekanntermaßen keine entsprechende Entschließung getroffen und wird dies auch nicht tun.
Die Bundesregierung hat jede Festlegung vermieden. Am weitesten lehnte sich gestern Außenminister Joschka Fischer aus dem Fenster. Im Sicherheitsrat sagte er, es gebe in der UN-Charta „keine Grundlage für die Durchsetzung eines Regimewechsels mit militärischen Mitteln“. Andererseits hatte Fischer im Januar gesagt, vor einem Krieg sei keine neue Resolution nötig.
Mehr ist dazu von der Bundesregierung nicht zu hören. Inoffiziell heißt es: „Wenn wir sagen, der Krieg ist vom Völkerrecht gedeckt, heißen wir indirekt das amerikanische Vorgehen gut. Sagen wir, er ist völkerrechtswidrig, müssten wir den Amerikanern die Überflugrechte aberkennen.“ Das wolle niemand, weil dies das atlantische Bündnis endgültig ruinieren würde.
In der Union, in der ähnliche Fragen diskutiert wurden, hat Fraktions-Vize Wolfgang Schäuble klargemacht, ein Entzug der US-Überflugrechte wäre „Wahnsinn“.