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Simson ist Kult

In Schönborn trafen sich Hunderte Fans der legendären Zweiradmarke. Das Phänomen ist nur schwer zu erklären.

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© Anne Hübschmann

Von Thomas Riemer

Schönborn. Überall knattert es. Rauch und dieser unverwechselbare Geruch des Benzingemischs steigen auf. An der technischen Abnahme drängen sich die ankommenden Zweiradfahrer, der kleine Schönborner Sportplatz droht aus den Nähten zu platzen. Fans drehen ihre Runden durch die „motorisierten“ Reihen. Alle hier eint eins: Simson ist Kult. Rund sechs Millionen Fahrzeuge der altehrwürdigen Firma wurden deutschlandweit hergestellt – um die 500 sind an diesem Pfingstsonntag nach Schönborn zum mittlerweile 8. Simsontreffen gekommen.

Die Veranstaltung ist in der Region einmalig und zieht „Simme“-Fans aus ganz Deutschland in den kleinen Lampertswalder Ortsteil.
Die Veranstaltung ist in der Region einmalig und zieht „Simme“-Fans aus ganz Deutschland in den kleinen Lampertswalder Ortsteil. © Anne Hübschmann

Elisa Griesche (20) aus Lampertswalde und Linda Enger (19) aus Schönfeld sind mit ihren S 51 mittendrin im Trubel. „Wir sind die gemütlichen Simme-Fahrer, nehmen nicht an Rennen oder so teil“, sagt Elisa und wischt noch mal kurz übers vordere Schutzblech. Zur Ausfahrt soll alles blitzen. Ihr Moped ist Baujahr 1979, das von Linda trägt den Stempel von 1984. „Simson – das ist unser Hobby“, klären die Freundinnen auf. Beide gehören zum Schönfelder Jugendclub, der auch regelmäßig für seine Mitglieder Ausflüge organisiert – dieses Jahr zum Beispiel nach Senftenberg. „Und dann machen wir sehr oft unsere OKF“, sagt Elisa. Schulterzucken beim Zuhörer. Was zum Teufel ist das denn? „Das sind Orts-Kontroll-Fahrten“, klärt die 20-Jährige auf. Erst am Freitag habe man sich im Freundeskreis zu einer OKF nach Reinersdorf getroffen, um zu sehen, wie das Dorf seine 750-Jahr-Feier vorbereitet.

Kennzeichen, T-Shirt-Aufdrucke und manches mehr verraten: Simson-Fans gibt es in allen Landesteilen. „Die Teilnehmer kommen von überall her“, bestätigt Mitorganisator und Kfz-Zulassungs-Dienstleister Jörg Naumann. Die Werbung und Mund-zu-Mund-Propaganda über die sozialen Medien habe sich ausgezahlt. Auch das Wetter spielt mit. „Wer Simson fährt, ist heute hier“, sagt Naumann und schaut zufrieden ins weite Rund. Immerhin: Für die weiteste Anreise auf einer „Simme“ nach Schönborn gibt‘s einen Pokal. Und der geht diesmal an ein Pärchen aus – Cottbus!

Einen anderen traditionellen Wettkampf stellt das Beschleunigungsrennen dar. Eine Achtelmeile – hier rund 120 Meter – sollen die zweirädrigen Gefährte so schnell wie möglich bewältigen. Darunter sind nicht nur stilechte Simsons, sondern auch viele der Marke „Eigenbau“. Sie haben zwei Vorteile: Sie sind meist kleiner und windschlüpfriger. Und sie sind getunt. Mehr als Tempo 100 schaffen die ausgeklügeltsten von ihnen – also auf 120 Meter knapp über fünf Sekunden.

An der großen Ausfahrt, die rund 30 Kilometer lang ist und sämtliche Dörfer der Region durchquert, dürfen die Tüftler aber nicht teilnehmen. „Da gilt die StVO“, begründet dies Sven Kühne vom Organisationsteam. Für die Einhaltung der Bestimmungen unterschreibt jeder Teilnehmer vor dem Start. Am Ende sind es mehr als 400 „Simmen“, die sich auf den Weg machen. Ein beispielloses Szenario ...

Was aber ist es, was Simson hierzulande zum Kult macht? Jörg Naumann zuckt mit den Schultern. „Ich weiß es nicht“, sagt er dann. Vielleicht ja, „weil das noch beherrschbare Technik ist und man einen Vergaser auch mal selbst ausbauen und saubermachen kann“. Zudem könne man eine Simson ab 16 fahren und immerhin 60 Kilometer pro Stunde schnell sein. Auch die Ersatzteilfrage sei kein Problem. Es gebe Firmen, die sich inzwischen auf Simson spezialisiert haben“, so Jörg Naumann. „Man kriegt heutzutage alles zu kaufen.“

Und wenn nicht, dann wird getauscht. Zum Beispiel bei den „Benzingesprächen“ nach der Ausfahrt in Schönborn. Da sind sich die Fans übrigens auch schon einig, beim nächsten Mal wiederzukommen.