Dippoldiswalde
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So geht Wählen mit Handicap

Das Wahlrecht für Menschen mit Behinderung wurde kürzlich deutlich ausgeweitet. Funktioniert das aber wirklich?

Von Franz Herz
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Susanne Baumgart, Marcel Kunath und Mario Albersmeier beraten ihre Kollegen in den Werkstätten und Heimen, wie die Wahl abläuft.
Susanne Baumgart, Marcel Kunath und Mario Albersmeier beraten ihre Kollegen in den Werkstätten und Heimen, wie die Wahl abläuft. © Egbert Kamprath

Es gab dieses Jahr ein wichtiges Urteil für das Wahlrecht. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass auch Menschen, die unter Betreuung stehen, wählen dürfen. Das galt schon im Mai für die Europa- und die Kommunalwahlen, ebenso wie jetzt für die Landtagswahl. Darauf reagierten auch die Organisationen im Landkreis, die sich um Menschen mit Behinderungen kümmern.

Sie haben ausgearbeitet, was wichtig ist, damit Menschen, die bisher nicht gewählt haben, dieses Recht sinnvoll nutzen. Marcel Kunath, der die Werkstatt der Arbeiterwohlfahrt in Dippoldiswalde besucht, sagt: „Eine einfache Sprache ist das Wichtigste, damit klar wird, wie man entscheiden soll. Normale Parteiprogramme verstehen viele kaum.“

Am Ende der Überlegungen standen vier Bausteine, wie das Thema Wahl Menschen vermittelt werden kann, die sich bisher nicht damit befasst haben. Der erste war eine Erklärung, was es überhaupt heißt, wählen zu gehen. Der zweite ist die Überlegung, wovon die Wähler ihre Stimme abhängig machen. Dafür haben sie auch Wahlprogramme angesehen. Dabei wurde ein Schwerpunkt auf die Dinge gelegt, die für Behinderte wichtig sind. Mario Albersmeier nennt ein Beispiel aus der Kommunalpolitik in Dippoldiswalde. Er wohnt in der Kernstadt und arbeitet in der Awo-Werkstatt in Reinholdshain. Dass von der Stadt zum Gewerbegebiet, wo die Werkstatt angesiedelt ist, ein Fußweg gebaut würde, wäre ihm ein wichtiges Anliegen.

Ein weiterer Baustein in der Vorbereitung ist das Thema Wahlbenachrichtigung. Was steht da genau drin? Es hilft auch, sich schon vorher mit dem Stimmzettel vertraut zu machen. Und der letzte Baustein ist ein Rollenspiel, wie schließlich die Wahl selbst vonstattengeht, entweder in der Wahlkabine oder bei der Briefwahl zu Hause. Beispielsweise weiß nicht jeder, dass es das Recht gibt, einen Helfer mit in die Wahlkabine zu nehmen, wenn jemand seinen Willen nicht selbst deutlich machen kann.

Um solche Informationen bekannt zu machen, sind in den Werkstätten, Heimen und Wohngruppen sogenannte Peer-Berater eingesetzt. Die wurden in den Werkstätten für behinderte Menschen gesucht. Sie haben sich kundig gemacht und sind mit einem Arbeitskoffer ausgestattet worden. Dabei war es nicht einfach, diesen Koffer zu füllen. Beispielsweise sind sie an die Parteien herangetreten, dass diese ihnen ihre Programme in einfacher Sprache zusammenfassen. Die Zeit vor der Europawahl war dafür zu kurz. Inzwischen haben sie diese Informationen von der CDU, der Linken, der SPD und den Grünen bekommen, wie Christiane Faust von der Awo-Werkstatt in Dippoldiswalde informiert.

Das spezielle Projekt endet im September, wenn die Landtagswahlen vorbei sind. „Aber die politische Bildung läuft natürlich weiter“, sagt Faust. So werden die Koffer mit den gesammelten Informationen an die Behindertenberatungsstelle der Diakonie in Dippoldiswalde gegeben. Dort kann sie jemand, der in der politischen Bildung mit behinderten Menschen arbeiten will, ausleihen. „Auch wir in der Arbeiterwohlfahrt haben ein internes Projekt in den Einrichtungen gestartet zur politischen Bildung“, sagt Faust. Die endet ja nicht mit den Wahlen, sondern geht laufend weiter.