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So viel Unterrichtsausfall wie noch nie

Eine Anfrage im Landtag bringt das ganze Ausmaß im Kreis ans Licht. Besserung ist nicht in Sicht.

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© Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

Bautzen. Die 6 b hat einen Projekttag und ist nicht da. Das trifft sich gut. So können die Lehrer, bei denen die 6 b Unterricht hätte, gleich Vertretungsstunden übernehmen. Andreas Döring atmet auf. „Da haben wir schon mal die halbe Problemlösung“, sagt der Schulleiter der Bautzener Förderschule am Schützenplatz.

Jeden Tag sitzen er und seine Stellvertreterin zusammen und schieben Namenskärtchen hin und her. Für morgen müssen fünf erkrankte Kolleginnen ersetzt werden. Es hat schon kompliziertere Tage gegeben. Aber Spaß macht das alles nicht mehr, sagt Andreas Döring. Die Bautzener Förderschule am Schützenplatz ist die, die im vorigen November den höchsten Unterrichtsausfall im ganzen Landkreis Bautzen hatte: 21 Prozent – mehr als jede fünfte Stunde konnte trotz der täglichen komplizierten Vertretungspläne nicht gehalten werden und ist ersatzlos ausgefallen. Im September waren es sogar 24 Prozent aller Unterrichtsstunden. Es ist kein böser Wille, sagt Döring, es fehlt schlicht das Personal.

Die Fächer Werken, Hauswirtschaft, Sport und Arbeitslehre hat der Schulleiter gleich von vornherein um jeweils eine Stunde pro Woche gekürzt. „Planmäßiger Ausfall“ heißt das dann im Schulbehördendeutsch. Ab der Mittelstufe ist es üblich geworden, den Vertretungsplan so zu organisieren, dass Klassen gleich tageweise „abbestellt“ werden können, also gar nicht erst zur Schule zu kommen brauchen.

Viele Ausfälle

Mehr als 20 Prozent Ausfallstunden: Schule zur Lernförderung „Am Schützenplatz“ Bautzen und Schule zur Lernförderung Kamenz.

Mehr als 10 Prozent Ausfallstunden:Grundschule Radeberg, Oberschule Rödertal, Sorbische Oberschule Radibor, weitere Förderschulen in Kamenz, Bautzen und Bischofswerda.

Mehr als fünf Prozent Ausfallstunden: im Kreis Bautzen an fünf Grundschulen, 15 Oberschulen, zwei Gymnasien, einer weiteren Förderschule und an vier beruflichen Schulzentren.

Quelle: Kultusministerium

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„So eine schwierige Situation hatten wir noch nie“, sagt Andreas Döring. Das Schuljahr ist mit fünf langzeiterkrankten Kollegen gestartet, von denen bis jetzt immer noch vier krank sind. Zwei neue Kollegen, die er zum Schuljahresbeginn bekommen hat, sind Seiteneinsteiger. Sie mussten zuerst einen Schnellkurs absolvieren und konnten ihren Dienst erst im Dezember antreten. Immerhin: Im Dezember sank dadurch die Ausfallquote an der Förderschule auf „nur noch“ 14 Prozent. Aber auch das, sagt der Schulleiter, könne ja nicht zufriedenstellend sein. Durch die vielen Ausfall- und Vertretungsstunden zeichnet sich jetzt ab, dass die Schüler in einigen Fächern gar keine Zensuren auf ihren Halbjahresinformationen bekommen können.

Problem mit Integrationsfällen

Nicht nur an der Förderschule am Bautzener Schützenplatz ist der Unterrichtsausfall so groß wie nie, auch an vielen anderen Schulen im Landkreis kann der Stundenplan nicht mehr voll abgedeckt werden. Was schon lange vermutet wird, belegt jetzt die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Leipziger Landtagsabgeordneten Cornelia Falken (Die Linke): Außer an der Förderschule am Schützenplatz sind allein im Kreis Bautzen im November an 35 staatlichen Schulen mehr als fünf Prozent des Unterrichts ersatzlos ausgefallen, Vertretungsstunden gar nicht mitgerechnet.

An der Schützenplatz-Schule kommt noch ein anderes Problem hinzu: Neben den eigenen 300 Schülern sind die speziell ausgebildeten Lehrkräfte auch noch für 100 Schüler an anderen Schulen im Landkreis zuständig, die einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen. Diese Integrationsschüler, die Probleme in ihrer emotional-sozialen Entwicklung oder mit der Sprache haben, müssen regelmäßig betreut und ihre Lehrer beraten werden. Diese Arbeit steht seit Schuljahresbeginn hintenan. Der Unterricht hat Vorrang. Inzwischen lassen sich viele Integrationsfälle aber nicht mehr länger aufschieben, weil der weitere Werdegang der Schüler geklärt werden muss. „Die Kollegen arbeiten bis an ihre Belastungsgrenze“, sagt Andreas Döring. Dadurch steigt der Krankenstand am Ende aber nur noch weiter.

Eine Besserung der Lage an den Schulen ist nicht in Sicht. Gerade läuft ein Einstellungsverfahren für das zweite Halbjahr. 92 Stellen sind im Amtsbereich Bautzen zu besetzen. Es liegen zwar 148 Bewerbungen vor, darunter aber nur 19 von ausgebildeten Lehrern. „Derzeit laufen intensive Gespräche, um die Bewerbersituation und den Bedarf in Einklang zu bringen“, sagt Bildungsamtssprecherin Angela Ruscher. Man sei „mehr als bemüht“, die offenen Stellen zu besetzen.