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So war das Steampunk-Festival

Das erste Treffen in Meißen lockt Besucher aus nah und fern an. Sie wünschen sich, dass die Veranstaltung zur Tradition wird.

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© Claudia Hübschmann

Von Stephan Hönigschmid

Meißen. Dunkle Rüschenröcke, Lederkorsetts, gut gebügelte Anzüge und Zylinder mit umgebauten Schweißerbrillen auf dem Kopf. Diese Outfits aus dem viktorianischen Zeitalter, die man sonst eher vom Wave-Gotik-Treffen in Leipzig kennt, haben am Wochenende die Szenerie rund um das Kornhaus auf dem Meißner Domplatz bestimmt. Allerdings durfte man sich bei der ersten Ausgabe des Festivals „Mit Zahnrad und Zylinder“ von dem düsteren Kleidungsstil nicht abschrecken lassen, denn in den Röcken und Hosen steckten durchweg gut gelaunte Menschen, die vor allem eines sind: kreativ.

Roma Dihn und McDrok von der Steamfolk-Band Jessnes zeigen die typische Bekleidung der Steampunker. Sie wirken wie aus der Zeit gefallen.
Roma Dihn und McDrok von der Steamfolk-Band Jessnes zeigen die typische Bekleidung der Steampunker. Sie wirken wie aus der Zeit gefallen. © Claudia Hübschmann
Diese Besucher sind extra aus Berlin angereist.
Diese Besucher sind extra aus Berlin angereist. © Claudia Hübschmann

Deutlich wurde das an einem Gefährt, das auf dem Festgelände für Aufsehen sorgte: die Nautilaus. „Das ist die kleine Schwester der Nautilus“, sagte ein 56-jähriger Weinböhlaer mit dem Künstlernamen Christianius Ek Stravagante. Innerhalb von 400 Stunden habe er das Amphibienfahrzeug mit der markanten Schiffsschraube gemeinsam mit seinem Kompagnon Thomasius zu Birkigt aus Freital zusammengebaut, sagte er stolz.

Ursprünglich handelt es sich dabei um einen Rollstuhl aus den 1980er-Jahren, den die Freunde umgestaltet haben. So verfügt dieser jetzt über ein Periskop, eine Laserzieleinrichtung und einen Gassensor. Außerdem steigt seitlich ein Saugrüssel empor. „Der saugt die negative Energie auf. Wo wir sind, ist es immer lustig“, sagte Ek Stravagante. Ein Hingucker waren auch die drei nebeneinander angeordneten Kolben, in denen sich dann überraschend Sektflaschen befanden.

„Wir haben hier Zeug verbaut, das andere wegwerfen wollten“, sagte zu Birkigt und sprach damit einen Punkt an, der die Teilnehmer des ansonsten unpolitischen Festivals bewegt: Nachhaltigkeit. Ausgangspunkt für die Kreationen ist dabei der Blick aus dem viktorianischen Zeitalter Ende des 19. Jahrhunderts in die Zukunft und die Frage: Was wäre gewesen, wenn diese Zeit, als es noch keine Verbrennungsmotoren gab, fortgedauert hätte. Beim Rundgang durch die Katakomben des Kornhauses werden diese Visionen greifbar. Zu sehen sind Dinge wie ein altes Fernsehgerät aus Bakelit, das mit einem modernen Monitor ausgestattet wurde, eine Gewittermaschine mit einer Wolke unter einer Glaskuppel oder ein mechanischer Arm mit einem Manometer dran.

Von so viel Erfindergeist ließen sich auch überregionale Besucher anziehen. „Wir haben kurzfristig davon erfahren und sind spontan hergekommen. Das Ambiente der Albrechtsburg ist für das Festival ideal“, sagte ein aus Berlin angereistes Paar, das unter den Namen Cecilia (53) und Cyril (51) von Delirus firmiert.

Obwohl die in den 1980er-Jahren in England entstandene Steam-Punk-Bewegung gerade im Osten noch sehr überschaubar ist und die Teilnehmer daher hoffen, dass sich das Meißner Festival langfristig etabliert, bemerkten sie bei der Anfertigung ihrer Requisiten bereits eine Konkurrenz auf den Trödelmärkten. „Das hat sich stark verändert. Während ein Wecker mit Messingzahnrädern vor einigen Jahren noch für fünf Euro zu haben war, sind inzwischen 20 Euro fällig“, sagte Thomasius zu Birkigt, der über seine Liebe für die Erzählungen von Jules Verne zur Steampunk-Szene gekommen ist.

Die Faszination für Maschinen ist dabei übrigens nicht auf die Freizeit beschränkt. Ebenso wie sein Weinböhlaer Kollege arbeitet er im Bereich der Automatisierungstechnik und hat deshalb auch ein pädagogisches Anliegen. „Viele Kinder kennen ja zum Beispiel Transmissionsriemen nicht mehr, nur noch Elektromotoren. Auf dem Fest sehen sie, wie die Technik früher einmal funktioniert hat“, sagte der Freitaler.

Dass es auch im nächsten Jahr mit „Zahnrad und Zylinder“ weitergehen soll, steht für die Veranstalter Jens und Jeannette Mahlow schon fest. „Wir haben positive Rückmeldungen bekommen und möchten das Festival fortsetzen.“ Denkbar sei es, die Veranstaltung vom Domplatz in Richtung Innenstadt auszudehnen, sagten die beiden unisono.