Merken

Sorbenbrauch beim Frühlingserwachen

Zabeltitz lockte gestern Besucher in Scharen. Über 40 Händler machten Lust auf die warme Jahreszeit. Und auf Ostern.

Teilen
Folgen
© Kristin Richter

Von Thomas Riemer

Zabeltitz. Die Handgriffe gehen Melanie Baier flink von der Hand. Ihre Kunstwerke behandelt sie tatsächlich wie ein rohes Ei. Wobei: Roh sind sie nicht mehr, Eier schon. Die 31-Jährige hat ganz viele davon nach Zabeltitz mitgebracht. Die meisten sind bereits bunt verziert, den Rest gestaltet die gebürtige Kleinwelkaerin vor den Augen der neugierigen Besucher. Und zwar nach sorbischem Brauch. „Es gibt vier Techniken, drei davon stellen wir hier vor“, sagt Melanie und deutet mit der Hand auf ihre Nachbarn: Heidemarie und Lüder Hoeft sind ihre Eltern, haben sich die Lausitzer Volkskunst, und da vor allem die sorbischen Ostereier, auf die Fahnen geschrieben. „Wir sind zum 20. Mal da“, sagt Heidemarie Hoeft. „Denn hier in Zabeltitz wissen die Organisatoren, worum es geht.“

Tatsächlich haben sich die Gastgeber des Frühlingserwachens zwischen Altem Schloss und Palais mächtig ins Zeug gelegt, um dem frühjahrshungrigen Publikum den Start in die warme Jahreszeit so angenehm und unterhaltsam wie möglich zu gestalten. Mehr als 40 Aussteller und Händler erfreuen die Herzen bei zweistelligen Temperaturwerten – darunter sind Kunsthandwerk, Frühjahrsfloristik, Handarbeiten, ja sogar erzgebirgische Volkskunst mit liebevoll gefertigten Variationen an Osterhasen. Ein Flair, das voll den Nerv von Heidemarie Hoeft trifft. „Wir gehen mit unseren Ostereiern nicht mehr in große Einkaufszentren, sondern lieben solche Märkte wie hier in Zabeltitz“, sagt sie und rückt immer wieder ihre sorbische Volkstracht zurecht. Die wird normalerweise nur an Feiertagen getragen – aber das Frühlingserwachen in Zabeltitz ist wohl für sie so etwas wie ein Feiertag.

Was die Schaulustigen nur ahnen: Sorbische Ostereier werden quasi das ganze Jahr über präpariert und kunstvoll bemalt. Denn schon im Sommer des jeweiligen Vorjahres werden die Hühnereier ausgeblasen. „Meine Mutter bringt die Löcher dafür an, mein Vater bläst dann mit dem Kompressor aus“, plaudert Melanie Baier aus dem Nähkästchen. Straußen- und Taubeneier wiederum kommen bereits in geleertem Zustand zum Bemalen. Während Melanies Eltern rund um die Uhr arbeiten, frönt die Tochter in ihrer Dresdner Wohnung so circa ab Januar täglich zwei bis drei Stunden der Eier-Malerei – nach ihrer „normalen“ Arbeit wohlgemerkt. „Ich habe da eine Büroecke, und im Haus riecht es dann immer ein bisschen nach Wachs“, beschreibt sie das Umfeld. Unter den Experten darf sie getrost als „Profi“ bezeichnet werden. „Für ein Hühnerei brauche ich ungefähr eine Stunde, für ein Taubenei 40 Minuten.“ Straßeneier wiederum, die aber eher Mutter Heidemarie Hoeft gestaltet, brauchen wegen besonderer Präparationsarbeiten fast eine Woche, ehe sie so schick auf dem Präsentationstisch in Zabeltitz bestaunt werden können. Was der Laie nicht auf Anhieb sieht: „Jeder entwickelt seine eigene Handschrift, man experimentiert auch sehr viel“, erklärt Melanie Baier. Für Untergrund, Farbauswahl, Vorbehandlung gibt es zahlreiche „Tricks“, die die Künstler für sich selbst herausfinden müssen.

Zabeltitz ist eine von vielen Stationen, die der kleine Familienbetrieb insbesondere in der vorösterlichen Zeit mit seinen Techniken und den bunten ovalen Resultaten bereichert. Gerade in den Altbundesländern stoßen die Bräuche und das Leben der Sorben auf ein sehr großes Interesse, weiß Heidemarie Hoeft. In Bayern zum Beispiel, einem traditionellen Trachtenland, ist die Aufmerksamkeit für die aufwendig und liebevoll genähten Trachten der Sorben riesig. Die kunstvoll gestalteten Ostereier indes haben ihre Reise in die ganze Welt bereits absolviert. Ins US-amerikanische Seattle und sogar nach Neuseeland haben Hoefts schon Eier „exportiert“. Und wenn die Familie Urlaub macht, sind stets ein paar Exemplare im Gepäck. So mancher Zimmerjunge im Hotel habe sich darüber bereits mehr als über ein Trinkgeld gefreut, sagt Heidemarie Hoeft und lacht.

Dann sitzt sie schon wieder am Zabeltitzer Ausstellungstisch. Dort kommt niemand ohne „Ah“, „Oh“ oder auch ein „Aha“ vorbei. Melanie Baier bestätigt, dass eigentlich jeder diese Kunst erlernen kann. „Da muss man sich selbst nur Zeit geben und in Geduld üben“, verrät die 31-Jährige und zeigt Fotos, die ihre persönliche Entwicklung aus 24 Jahren sorbischer Eiermalkunst dokumentieren.