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Sorbisch als Hobby - oder aus Liebe

Bei einem internationalen Sprachkurs in Bautzen lernen Menschen aus 13 Ländern die Sprache der Minderheit. Manche reisen dafür von sehr weit an.

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© dpa

Von Miriam Schönbach

Bautzen. Ryo Umeda ist Japaner, lebt in Finnland - und büffelt in den Sommerferien Sorbisch. So wie auch Weldon Mersiovsky (69) aus Texas. Gemeinsam mit Mitschülern aus verschiedenen Ländern pauken sie in Bautzen Vokabeln und Grammatik. Alle zwei Jahre organisiert das Sorbische Institut für Freunde der sorbischen Sprache einen internationalen Sommerkurs. Teilnehmer aus 13 Nationen sind bei der diesjährigen Auflage dabei - der 28-jährige Umeda bereits zum zweiten Mal.

Es geht zu wie in einer ganz normalen Schulstunde. Lehrer Fabian Kaulfürst kommt mit einem Stapel Unterlagen in die Klasse im Sorbischen Schulzentrum in Bautzen und muss zuerst die Tafel sauberwischen. Währenddessen holen seine Schüler bereits die Hausaufgaben hervor.

Im Unterricht des Projektverantwortlichen lernen Menschen aus sechs Ländern: der Japaner Umeda, eine Amerikanerin, Tschechen, Deutsche, Polen und Serben. Die Unterrichtssprache im Fortgeschrittenenkurs ist Obersorbisch. Ein Kapitel eines Buchs sollen sie mit eigenen Worten wiedergeben. „Lasst uns anfangen“, sagt ihr Lehrer. Der promovierte Sprachwissenschaftler achtet auf Aussprache, richtige Beugung und nickt zufrieden. Neben seinem Kurs gibt es für die 47 Teilnehmer zwischen 18 und 70 Jahren vier weitere Angebote, drei davon richten sich explizit an Anfänger.

In einem solchen Kurs hat auch Umeda vor vier Jahren gesessen. Der „Sprachensammler“ aus Japan war ein Jahr zuvor bei einem Sprachkurs für Deutsch in Regensburg. „Ich habe mich schon immer für slawische Sprachen interessiert, so machte ich einen Ausflug nach Bautzen“, sagt der Germanist, der unter anderem auch Russisch, Tschechisch und Polnisch spricht. In Finnland beschäftigt er sich derzeit als Doktorand mit der Sprache der Sami - der Ureinwohner Lapplands. Im Urlaub heißt es nun aber erstmal wieder „als Hobby“ sorbische Vokabeln pauken.

Kursleiter Kaulfürst verteilt eine neue Aufgabe. In einen Lückentext - es sind die Zeilen eines sorbischen YouTube-Hits - sollen seine Schüler die richtigen sorbischen Wörter einsetzen. Nach der Arbeit wird das Lied angestimmt. Das Muszieren ist fester Bestandteil des Sommerkurses - Lernen nach Noten sozusagen. Vormittags wird die Schulbank gedrückt, nachmittags lernen die Schüler Land und Leute kennen, abends wird gesungen, geplaudert oder ein Film auf Sorbisch gesehen. „Es macht Spaß in einer schönen Stadt das Sorbische zu lernen. Dazu lernt man neue Leute kennen. Ich würde noch einmal herkommen“, sagt Umeda.

Im Zimmer nebenan schwitzt Weldon Mersiovsky im Anfängerkurs über sorbischen Redewendungen. Die Vorfahren des Texaners kamen Ende des 19. Jahrhunderts aus der Gegend um Bautzen nach Serbin in Amerika. Den Ort gründeten sorbische Auswanderer um 1854. Die Sprache seiner Urahnen begleitet den Amerikaner schon länger, alte Bücher auf Sorbisch machten ihn neugierig auf seine Wurzeln. Er schreibt auf Englisch über sorbische Geschichte und hat mit der sorbischen Wissenschaftlerin Trudla Malinkowa ein Buch über das Dorf Malschwitz bei Bautzen auf Englisch herausgegeben. „Die slawischen Sprachen sind für uns Amerikaner schwer zu lernen“, sagt er lachend. Zum Sprachkurs hat er gleich seinen Sohn mitgebracht.

Auf ihre Wurzeln hat sich auch Karola Schmidt aus Ludwigsfelde besonnen, als sie sich für die zweiwöchige Sommerakademie angemeldet hat. „Mein Großvater war Sorbe“, sagt die Lerntherapeutin. Die Brandenburgerin lernt bereits seit drei Monaten mithilfe des Online- Sorbisch-Sprachkurses die Sprache ihrer Vorfahren.

Zu dem internationalen Sommerkurs kämen die Teilnehmer aus ganz unterschiedlichen Motiven, berichtet Kaulfürst. Ein großer Teil seien Slawisten und Interessierte, die ein berufliches Faible für die Sprache der kleinsten slawischen Minderheit hätten. Und ein junger Mann drücke in diesem Jahr wegen der Liebe die Schulbank.

Nach offiziellen Schätzungen bilden heute etwa 60 000 Menschen das sorbische Volk in der sächsischen Oberlausitz und der brandenburgischen Niederlausitz. Sommerferienkurse für sorbische Sprache und Kultur werden seit 1967 im meist zweijährigen Rhythmus veranstaltet - ab den 60er Jahren von der Universität Leipzig, seit 1992 vom Sorbischen Institut in Bautzen. Insgesamt nahmen bisher an den Fortbildungen mehr als 500 Professoren, Dozenten, Studenten, Journalisten und Übersetzer aus 30 Ländern und fast allen Kontinenten teil.

„Heute hat der Kurs gleich zwei Funktionen“, sagt Kaulfürst: „Er stärkt das Selbstbewusstsein der Sorben, wenn sie merken, dass sich Leute aus der ganzen Welt für ihre Sprache und Kultur interessieren - und außerdem beschäftigen sich manche Teilnehmer weiter mit dem Sorbischen, so dass wir dadurch Nachwuchs für unsere Institutionen gewinnen können.“ (dpa)