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Sorge um Denkmäler im alten Gorbitz

Im Ober- und im Niederdorf verschwinden historische Relikte. Die Anwohner ärgern sich darüber.

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© Sven Ellger

Von Annechristin Bonß

Dröhnend gräbt sich der Bagger in das Erdreich. Der Lärm dröhnt über den kleinen, ruhigen Platz, hallt zwischen den Fachwerkhäusern wider. Ein Lkw rollt die enge Straße hoch. Er soll den Schutt abtransportieren. Von dem alten Wohnstallhaus, das einst hier in der Uthmannstraße 36 stand, ist kaum noch etwas zu sehen. Das Denkmal ist verschwunden. In der Plänermauer zur Straße hin klafft ein großes Loch. Das wird als Zufahrt für die Baufahrzeuge genutzt.

Nun fragen sich die Anwohner, ob der Neubau zu den aufwendig sanierten, historischen Bauten nebenan passen wird.
Nun fragen sich die Anwohner, ob der Neubau zu den aufwendig sanierten, historischen Bauten nebenan passen wird. © Sven Ellger

Diana Wirthgen sieht fassungslos auf die Szenerie. Sie wohnt gegenüber, in einem sanierten Bauernhaus von 1804. „Was hier passiert, ist sehr schlimm“, sagt sie. Die Anwohnerin ist nicht die Einzige, die sich um den historischen Dorfkern von Obergorbitz sorgt. Auch Norbert Kotter steht auf dem Platz. Er hat den Dreiseithof gegenüber aus dem Jahr 1773 aufwendig saniert. Auch er kann nicht glauben, was er sieht. „Es gibt eine Erhaltungssatzung“, sagt er. Die regelt, wie denkmalgeschützte Bauten zu sanieren sind und wie sich das gesamte Gebiet entwickeln kann, ohne dass der historische Charme verloren geht. Demnach sei die Plänermauer durchaus erhaltenswert und zu schützen, finden sie.

Auch am Silberfund in Niedergorbitz gibt es Ärger. Die Straße liegt nur wenige Hundert Meter Luftlinie entfernt im Bereich derselben Erhaltungssatzung. Auch hier wurde gerade ein denkmalgeschütztes Haus von 1853 abgerissen, das mit der Nummer 2. Die Anwohner sind erbost, fassungslos. Seit Tagen rumort es. Mehrere von ihnen haben sich bei der Sächsischen Zeitung gemeldet. Architekt Conrad Marggraf findet deutliche Worte: „Das, was hier passiert, ist skandalös.“ Der Architekt hat selbst vier denkmalgeschützte Häuser in Altgorbitz saniert, bei weiteren hat er die Investoren bei den Arbeiten beraten. „Das Gebäude Silberfund 2 hatte eine wichtige städtebauliche Funktion“, sagt er. „Es ist ein Jammer, dass es nun nicht mehr steht.“

In den städtischen Amtsstuben scheinen die Mitarbeiter den Abbruch jedoch kaum kritisch zu betrachten. Beide Gebäude seien nicht mehr zu retten gewesen, teilt das städtische Presseamt mit. Die Sanierung wäre in beiden Fällen nicht mehr zumutbar gewesen. Am Silberfund sei sogar eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit von dem ruinösen Gebäude ausgegangen. So hat das Amt für Kultur und Denkmalschutz einvernehmlich mit dem Landesamt für Denkmalpflege dem Teilabbruch zugestimmt. Nur die Keller durften nicht abgerissen werden. Sie sind jetzt von einer neuen Betonplatte verdeckt.

Architekt Conrad Marggraf bezweifelt diese Sicht der Dinge. Die Argumente der Stadt findet er „an den Haaren herbeigezogen“. Vor drei Jahren wollte er selbst das Gebäude am Silberfund kaufen und sanieren. Dafür hat er sich dort auch im Inneren umgesehen. „Das Haus wäre natürlich zu retten gewesen. Das ist zu hundert Prozent sicher“, sagt er.

Und es gibt noch ein ganz anderes Problem. Denn wenn ein Denkmal verschwindet, erhält ein möglicher Neubau nicht automatisch dessen Status. Zwar muss sich das neue Gebäude den anderen Denkmälern in der Umgebung anpassen. An der Uthmannstraße zum Beispiel sollte der Neubau eine rechteckige Hausform mit Satteldach besitzen, teilt die Stadt mit. Für Art und Form der Fenster gelten diese Vorschriften aber nicht.

Was das bedeutet, ist in Obergorbitz zu sehen. Bei den Denkmälern sind die Fenster mit typischen Sprossen geteilt, bei den Neubauten nicht. Dafür gibt es dort einen Dachüberstand, der wiederum untypisch für die alten Dorfbauten ist. „Ein Neubau muss sich integrieren“, sagt Diana Wirthgen. Das sei hier nicht gegeben. Anwohner wie sie haben selbst viele Auflagen erfüllen müssen bei der Sanierung ihrer denkmalgeschützten Häuser. Selbst die Farbe der Fassade wurde nuancengenau abgestimmt. Dass nun anscheinend mit zweierlei Maß gemessen wird, macht sie wütend. „Ich habe meine Bedenken bei der Stadt geäußert“, sagt Diana Wirthgen. Hören wollte das dort niemand. „Die Mitarbeiterin hat mich abserviert.“ Zumindst was die denkmalgeschützte Plänerwand an der Uthmannstraße angeht, gibt es eine Lösung.

Nach Ende der Bauarbeiten muss diese wieder aufgebaut werden, teilt die Stadt mit. Für die Gebäude gilt dies nicht. Für Archivierungszwecke habe die Stadt hier eine maßstäbliche zeichnerische Dokumentation sowie eine Fotodokumentation angeordnet. Die Denkmäler bleiben so wenigstens in den Akten erhalten. Kommentar