Sachsen
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Sparen an Schulstunden

Sachsens Schüler sollen künftig weniger Musik-, Kunst- und Sportunterricht haben. Das stößt auf Kritik.

Von Andrea Schawe
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© Symbolfoto: André Schulze

Singen für Bildung – das war das Motto am Donnerstagmorgen vor dem Kultusministerium. Dort demonstrierten Musiklehrer und Studenten gegen Pläne des Kultusministeriums, den Musik-, Kunst- und Sportunterricht zu kürzen. Eine Delegation sprach bei dem Termin auch mit Kultusminister Christian Piwarz (CDU).

Wie sehen die Pläne für die Stundentafeln aus?

In einem gemeinsamen Papier schlagen Piwarz und Finanzminister Matthias Haß (CDU) vor, den Unterricht in den Fächern Kunst und Musik ab dem Schuljahr 2019/20 zu kürzen. Fünftklässler sollen statt zwei nur noch eine Wochenstunde Unterricht haben. In den Klassen 6 bis 10 ist an Oberschulen und Gymnasien schon bisher nur eine Wochenstunde vorgesehen. Außerdem sollen Sechstklässler eine Stunde weniger Unterricht in ihrer zweiten Fremdsprache haben. Gekürzt werden soll auch der Sportunterricht: auf einheitlich zwei Wochenstunden für alle Klassenstufen jeder Schulart. Bisher haben die Schüler von der ersten bis siebten Klasse drei Stunden Sportunterricht in der Woche.

Sind die Pläne, die Stundentafel zu reduzieren, neu?

Nein. Bereits im April 2016 hatte die ehemalige Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) angekündigt, die Lehrpläne aller Schularten zu überprüfen. Ein Grund dafür ist das neue Schulgesetz. Darin wird den Schulen ein Erziehungs- und Bildungsauftrag vorgegeben und die politische Bildung gestärkt. Experten sollten klären, ob die sächsischen Lehrpläne noch dazu passen. Bisher gibt es kein Ergebnis. Eine endgültige Entscheidung zu Kürzungen sei noch nicht getroffen, so das Kultusministerium.

Wie hoch ist die Unterrichtsbelastung im deutschlandweiten Vergleich?

Bisher mussten Sachsens Gymnasiasten von der fünften bis zur zwölften Klasse einen Unterrichtsumfang von 269 Jahreswochenstunden leisten: bundesweiter Rekord. Zum Herbst hatte das Kultusministerium die Stundenzahl in der gymnasialen Oberstufe auf 265 Stunden gesenkt. Das entspricht der Vorgabe der Kultusministerkonferenz. In der Oberschule waren es im vergangenen Schuljahr von der fünften bis zur zehnten Klasse 192 Stunden. Belegen die Schüler eine zweite Fremdsprache, sind es sieben Wochenstunden mehr – so viele wie in keinem anderen Bundesland. Unter Brunhild Kurth wurden auch die Vertiefungskurse in Oberschulen abgeschafft und neue Stundentafeln für die Fachoberschulen modifiziert.

In welchen Fächern soll mehr unterrichtet werden?

Nach Angaben des Kultusministeriums geht es vor allem um mehr politische und digitale Bildung. Gemeinschaftskunde soll ab dem Schuljahr 2019/20 an den Oberschulen und Gymnasien ab Klasse 7 unterrichtet werden. Bisher wird das Fach erst ab Klasse 9 angeboten. Außerdem ist es das Ziel, dass alle Schüler die Möglichkeit haben, Ganztagsangebote zu besuchen. Sie sollen bis 1. August in allen Schulen eingerichtet werden. Durch den Ausbau dieser Angebote könne auch der gekürzte Unterricht in den Nebenfächern kompensiert werden, so das Ministerium.

Was verspricht sich Sachsen von den Kürzungen?

Es gehe zuallererst darum, die Schüler zu entlasten, heißt es aus dem Kultusministerium. Wer mehr politische Bildung wolle, müsse kürzen, noch mehr Unterrichtsstunden seien den Schülern nicht zuzumuten, warnte auch Ex-Kultusminister Frank Haubitz (parteilos). Allerdings braucht Sachsen mit der Kürzung der Stundentafel auch weniger Lehrer. Das Papier von Kultus- und Finanzministerium rechnet damit, dass zum kommenden Schuljahr etwa 800 Vollzeitstellen eingespart werden könnten.

Welche Reaktionen gibt es auf die Pläne?

Sowohl die Bildungsgewerkschaft GEW als auch der Verband der Gymnasiallehrer kritisieren die geplanten Stundenkürzungen in den Nebenfächern. Das sei ein „Offenbarungseid für die Bildungspolitik in Sachsen“, sagt Sachsens GEW-Vorsitzende Uschi Kruse. Eine Entlastung der Schüler erreiche man nicht „durch eine überstürzte Kürzung der Stundenzahlen“, so Steffen Pabst, der Vorsitzende des Philologenverbandes. Kritik kommt auch von Grünen, Linken und der AfD im Landtag. Die Sportlehrer haben eine Petition gegen die Kürzung der Schulsportstunden geschaltet. Es könne nicht sein, dass das einzige Bewegungsfach der Schule „als billige Lösung für eine jahrelang verfehlte Personalpolitik im Bildungsbereich“ herhalten müsse, heißt es. Innerhalb von zwei Tagen hatte sie fast 18 000 Unterstützer.