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SPD will Preisspirale mit „Mietenstopp“ beenden

Nun sollen drastische gesetzliche Eingriffe die Not am Wohnungsmarkt lindern. Ob der Koalitionspartner da mitmacht?

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© Zeichnung: Mario Lars

Von Katja Räther, Christine Cornelius und Martina Herzog, Berlin

Um steigende Mieten einzudämmen, will die SPD in der Wohnungspolitik deutlich über die bisherigen Koalitionsbeschlüsse hinausgehen. „Wir wollen einen Mietenstopp, um die Preisspirale zu unterbrechen“, heißt es in einem gemeinsamen Papier der Parteivorsitzenden Andrea Nahles und ihres Stellvertreters Thorsten Schäfer-Gümbel, der Spitzenkandidat bei der bevorstehenden Landtagswahl in Hessen ist. „In den nächsten fünf Jahren sollen Mieten nur noch um die inflationsbedingte Preissteigerung erhöht werden dürfen – überall dort, wo der Wohnungsmarkt angespannt ist.“ Kritiker wittern Wahlkampfgetöse, die Union tat die Pläne als „fachlich nicht durchdacht“ ab. Das Papier wurde am Samstag im Internet veröffentlicht.

Justizministerin Katarina Barley (SPD) pocht wie ihre Parteikollegen auf Beschlüsse, um steigenden Mieten entgegenzuwirken. „Wir brauchen neue, langfristige Antworten für das Mieten und Bauen der Zukunft“, sagte Barley. „Ein wichtiger Aspekt ist der Umgang mit hohen Bestandsmieten. Dazu gehören zudem weitergehende staatliche Investitionen, private Mittel und gesetzliche Regelungen.“

Der stellvertretende rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak, sprach von „neuen, unabgestimmten Vorschlägen“ und warf der SPD ein „durchsichtiges Manöver für den Wahlkampf in Hessen und Bayern“ vor. „Ich finde das unverantwortlich“, erklärte Luczak.

Im „Hessenplan“, dem Wahlprogramm von SPD-Spitzenkandidat Schäfer-Gümbel, steht das Thema Mieten ganz oben: „Dafür werden wir mehr bauen, Landes-Grundstücke mobilisieren und die Mieterrechte stärken“, heißt es dort im ersten von sechs Punkten. In Hessen wird am 28. Oktober gewählt.

Der Vizevorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer, sieht in dem SPD-Papier einen „sozialistischen Irrweg“. Der bau- und wohnungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Chris Kühn, erklärte: „Dieses Papier zeigt, wie unzufrieden die SPD selbst mit der letzten Mietrechtsnovelle und der Wohnungspolitik der Bundesregierung ist, deren Teil sie ist.“

Das Kabinett hatte erst in dieser Woche ein Gesetz zum Schutz vor überhöhten Mieten auf den Weg gebracht. Es soll die bereits geltende Mietpreisbremse verschärfen und die finanzielle Beteiligung von Mietern an Modernisierungskosten begrenzen. Die SPD will weitergehen: „Der Druck auf dem Mietmarkt ist heute so dramatisch, dass wir zusätzliche Maßnahmen ergreifen müssen“, hieß es.

Der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger erklärte dazu: „Offenbar ist die Bundesregierung auch bei diesem Thema uneins, und die SPD kann oder will sich nicht durchsetzen.“

Nach Einschätzung des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft kann der schnelle Anstieg der Mieten in Ballungszentren nicht allein in den Städten bekämpft werden. Verbandspräsident Axel Gedaschko forderte: „Die entwicklungsfähigen Städte in den ländlichen Regionen müssen in die Überlegungen für mehr bezahlbaren Wohnraum einbezogen werden.“

Nahles und Schäfer-Gümbel nannten als beste Mietpreisbremse „Bauen, bauen, bauen – und zwar bezahlbare Wohnungen“. Dafür müssten Kommunen nicht genutzte Baugrundstücke mit höheren Abgaben belegen können, um die Spekulation zu begrenzen und Anreize zu setzen, zügig zu bauen. Baurechte in Innenstädten sollten verstärkt mit Baupflichten einhergehen, hieß es weiter.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte am Samstag die Wohnungspolitik als einen Arbeitsschwerpunkt der Regierung: „Wir investieren in ganz besonderer Weise in den Wohnungsbau, durch das Baukindergeld zum Beispiel, aber auch durch eine Sonderabschreibung, damit wir mehr Wohnungen bauen können und genauso auch im sozialen Wohnungsbau“, sagte sie in ihrem wöchentlichen Podcast. Einen direkten Bezug auf die SPD-Forderungen gab es in dem vorher aufgezeichneten Internetauftritt aber nicht.

Eine Begrenzung von Mieterhöhungen auf die Inflationsrate wäre für Vermieter ein deutlicher Einschnitt: Sie liegt in Deutschland derzeit bei zwei Prozent. Bislang darf die Miete innerhalb von drei Jahren um bis zu 15 Prozent erhöht werden. Beim Eigentümerverband Haus und Grund kommt der „Mietenstopp“ entsprechend schlecht an. Davon halte man „rein gar nichts“, sagte Geschäftsführer Alexander Wiech.

Die SPD-Spitze fordert „einen neuen Sozialpakt“ mit Immobilieneigentümern: „Wer im Interesse der Mieter baut und nicht nur für den eigenen Profit, soll vom Staat unterstützt werden.“ Die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum solle begrenzt, Ausnahmen sollten auf ein Minimum reduziert werden. Zudem solle es deutlich weniger Möglichkeiten für Eigenbedarfskündigungen geben. Bei öffentlich geförderten Wohnungen wollen die Sozialdemokraten günstige Mieten länger garantieren.

(dpa)