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Spendenaktion für Tumorpatienten

Ein Pflegedienst in Obercunnersdorf betreut Schwerkranke. Um ihnen zu helfen, hatte die Chefin eine besondere Idee.

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© Matthias Weber

Von Romy Altmann-Kühr

Obercunnersdorf. Unterlagen, Studienberichte und Zeitungsausschnitte stapeln sich auf dem Schreibtisch von Liane Groß. Viel Zeit verbringt sie in ihrem Büro unterm Dach eines großen Hofes an der Hinteren Dorfstraße in Obercunnersdorf mit Recherchen. Dabei geht es um Themen wie Krebsforschung. Liane Groß ist Chefin des Pflegedienstes „Zeit für dich“. Diesen Namen hat sie mit Bedacht gewählt. Denn sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Todkranken zu helfen. Dazu gehört auch, viel Zeit in die Suche nach neuen Behandlungsmöglichkeiten zu investieren.

Ihre beruflichen Wurzeln hat die gebürtige Zittauerin in der Wirtschaft, ist studierte Betriebswirtin und Wirtschaftspsychologin. Sie lebte in Ingolstadt, kehrte vor einigen Jahren in die Oberlausitz zurück. Gerade in ihrem wirtschaftlichen Hintergrund hatte sie gemerkt: Keiner hat mehr Zeit füreinander. Das wollte sie ändern – und sich künftig um Menschen kümmern. Zuvor hatte sie bereits Viola Nowak aus Obercunnersdorf kennengelernt, die im Ort schon seit etlichen Jahren eine Physiotherapiepraxis betreibt. Die beiden Frauen taten sich zusammen, erweiterten das Angebot über Physio- und Ergotherapie hinaus. Frau Groß gründete 2015 den Pflegedienst „Zeit für dich“ und spezialisierte sich auf Palliativ- und Intensivpatienten. Das heißt, ihre Patienten sind vor allem Menschen, die todkrank sind und nur noch wenig Zeit zum Leben haben. Der Seifhennersdorfer Horst Krüger (Name von der Redaktion geändert) ist einer von ihnen. Er ist Anfang 60 und leidet an einem Hirntumor.

Ein Problem, das Frau Groß ausgemacht hat: Gesetzliche Krankenkassen zahlen für Menschen wie Horst Krüger gewöhnlich Standardbehandlungen wie Chemotherapie oder Bestrahlung. Auch Akkupunktur oder Behandlungen beim Ostheopathen können übernommen werden. Spezielle Behandlungen aber sind meist selbst zu bezahlen. Eine solche spezielle Methode, die vielleicht auch Horst Krüger helfen könnte, ist die Immuntherapie. Solche Möglichkeiten für ihre Patienten herauszufinden – auch dafür nimmt sich Liane Groß Zeit. Sie recherchiert viel, liest Studien, nimmt Kontakt zu Spezialisten auf. „Das Immunoligisch-onkologische Zentrum Köln (IOZK) führt die Immuntherapie durch“, weiß Frau Groß. Ärzte und Wissenschaftler dort beschäftigen sich seit über 30 Jahren mit der Rolle des Immunsystems und wie die körpereigenen Abwehrkräfte gegen Krebs mobilisiert werden können, gibt das Zentrum selbst an. Vereinfacht dargestellt, produziert das Zentrum einen individuellen Impfstoff für den Patienten aus dessen eigenem Tumormaterial. Normalerweise werden die Tumorzellen vom Immunsystem nicht bekämpft, erklärt Dr. Wilfried Stücker vom Kölner IOZK. „Wir infizieren sie aber sozusagen mit einem Virus“, erklärt Stücker das Vorgehen. Dann bekommt der Patient sie wieder verabreicht. Mit dem Virus infiziert, stuft das Immunsystem die Tumorzellen als gefährlich ein – und kämpft gegen sie an. Mit diesem Trick könne man das Immunsystem dazu bringen, sich selbst gegen die Krebszellen zu wehren. Der Knackpunkt: Die Behandlung kostet 20 000 bis 40 000 Euro. Bislang ist diese neuartige Therapie nicht im Leistungsverzeichnis der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen, erklärt Dr. Stücker. Das liegt unter anderem daran, dass erst eine gewisse Infrastruktur da sein muss, sodass Patienten auch die Behandlung in Anspruch nehmen können. „Bisher“, so Stücker, „gibt es aber noch nicht viele Einrichtungen, die das anbieten.“ Außerdem, so sagt der Mediziner, sei die Lobby dafür nicht groß. „Denn man braucht ja nur die eigenen Zellen des Patienten und keine Industrie.“ Dabei könnte laut Dr. Stücker die Lebenserwartung bei Patienten mit besonders aggressiven Hirntumoren auf etwa 30 Monate verlängert werden. Mit herkömmlicher Therapie, sagt er, liegt die Lebenserwartung nach der Diagnose bei etwa 14 Monaten.

Die hohe Summe kann hier in der Region aber kaum jemand bezahlen, so Frau Groß von „Zeit für dich“ aus Obercunnersdorf. Auch Horst Krüger aus Seifhennersdorf nicht. Es wäre aber eine Chance, so Frau Groß, sein Leben und das anderer Patienten zu verlängern, das Leiden zu mindern. „Niemand soll nur so dahinsiechen“, ist ihr Anspruch. Deshalb will Frau Groß eine Spendenaktion starten und Geld sammeln, das dann für die Immuntherapie ihrer Patienten eingesetzt wird. „Wenn es diese Möglichkeit gibt, warum soll man sie nicht nutzen?“, fragt sie. Man müsse immer daran denken, dass es einen auch selbst treffen kann. „Jeder Zweite bekommt heute statistisch gesehen Krebs. Da wäre man doch auch froh, wenn sich jemand einsetzt, Möglichkeiten aufzeigt“, beschreibt sie ihre Motivation. Denn sie weiß nur zu gut: „Viele Patienten sehen allein keinen Ausweg.“

Sie versteht ihr Unternehmen dabei nicht als Konkurrenz zu anderen mobilen Pflegediensten und Einrichtungen, die es in der Region schon länger gibt. „Wir sind mit unserer Intensivpflege ein ergänzendes Angebot, arbeiten eng mit anderen Institutionen und Pflegediensten zusammen“, erklärt Frau Groß. 20 Mitarbeiter sind bei „Zeit für dich“ in Obercunnersdorf mittlerweile tätig, die speziell geschult sind in der Intensivpflege. Und Frau Groß hat das Gefühl, alle kommen gern zur Arbeit. „Jetzt in der Grippezeit hatten wir keine Ausfälle“, erzählt die Chefin stolz. „Das zeigt mir, das auch meine Mitarbeiter sich wohlfühlen mit der Arbeit und der Möglichkeit, mehr Zeit zu haben für die Patienten, als sonst üblich.“

Spenden an: „Zeit für dich“, IBAN: DE 37855901004561149203; Volksbank Löbau-Zittau; Stichwort „Immuntherapie bei Krebs“

www.zeitfuerdich-pflegedienst.de