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Spione lüften bekanntes Geheimnis

Selten hat ein gewöhnliches Behördenschild so viel Aufmerksamkeit erfahren: In Bad Aibling und an fünf weiteren Orten bekennt sich der BND nun zu seinen Abhörstationen.

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© Reuters

Von Jürgen Ruf und Ulf Vogler

Bad Aibling/Rheinhausen. Ein wenig mehr Transparenz soll es künftig sein beim Bundesnachrichtendienst, allerdings dann auch nicht zu viel. Im oberbayerischen Bad Aibling ist die „Transparenzoffensive“ des BND seit Freitag sichtbar und etwa 30 mal 45 Zentimeter groß: ein Behördenschild „Bundesnachrichtendienst“ an der Mangfall-Kaserne mit ihren 13 weit sichtbaren Antennen zum Abhören von Telefonaten und E-Mails.

Was ohnehin schon jeder spätestens seit dem Bekanntwerden des NSA-Skandals vor einem Jahr wusste oder zumindest ahnte, wird nun vom BND offiziell bestätigt: Bad Aibling ist eine Abhörstation der deutschen Spione. Auch zu fünf weiteren Lauschposten bekennt sich der BND künftig. Gablingen, Stockdorf und Söcking, alle in Bayern, sowie Rheinhausen in Baden-Württemberg und Schöningen in Niedersachsen bekamen ebenfalls BND-Schilder.

Seit Snowden will man offener werden

Seit den Enthüllungen des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden hat der BND ein Problem. Denn viele Bürger misstrauen dem Staat, besonders den Gemeindiensten. Der BND will sich deswegen nun weniger verschlossen geben. Die Behördenschilder sind ein kleiner Schritt dabei. In der neuen BND-Zentrale in der Berliner Chausseestraße soll es künftig ein Besucherzentrum geben, und auf seiner Internetseite erklärt der Geheimdienst seine Arbeit.

Doch bei der häufig gestellten Frage, ob auch der US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) von Bad Aibling aus operiert, gibt sich BND-Präsident Gerhard Schindler wieder verschlossen. „Dies ist ein Gelände des BND“, lautete seine kryptische Antwort darauf. Snowden hatte berichtet, dass in der Kaserne auch NSA-Spezialisten aktiv seien.

Der BND hatte die Spionageanlage übernommen, nachdem sie zuvor bis 2004 eine Einrichtung der USA gewesen war. Es sei immer noch zum großen Teil amerikanische Technik, erklärt ein namenloser Dienststellenleiter. Dafür seien die US-Mitarbeiter nötig. Dennoch habe kein ausländischer Dienst direkten Zugriff auf die Anlage und die gewonnenen Daten.

Angeblich zehn Anschläge auf Bundeswehrsoldaten verhindert

Von Bad Aibling aus wird mit bis zu 18 Meter großen Parabolantennen Kommunikation belauscht, die über Satelliten geführt wird. Dies können Telefonate in Krisengebieten wie Afghanistan sein. Spezialisten werten die in verschiedensten Sprachen geführten Gespräche dann aus. Es kann manchmal Tage dauern, bis geheime Botschaften entschlüsselt sind. Schindler sagt, der BND habe mit solchen Methoden mehr als zehn konkrete Anschläge auf Bundeswehrsoldaten in Afghanistan vereitelt. Deutsche sollen hingegen auch dann nicht ins Visier des Geheimdienstes kommen, wenn sie sich im Ausland aufhalten. „Es werden keine Staatsbürger überwacht“, betont Schindler.

Auch im baden-württembergischen Dorf Rheinhausen wussten sie schon seit mehr als vier Jahrzehnten, dass es die Spione im Maisfeld nebenan gibt. Die gut sichtbaren weißen Satellitenschüsseln rund um den unscheinbaren Flachbau in den Rheinauen stehen seit Anfang der 1970er Jahre. Hier, nahe der Grenze zu Frankreich, hat der BND ebenfalls eine Abhörstation.

„Die Station ist ja nicht zu übersehen“, sagt der Bürgermeister der 3.500-Einwohner-Gemeinde, Jürgen Louis. Inmitten von Wäldern und Maisfeldern hat sie ihren Sitz. Dass sie etwas mit dem Geheimdienst zu tun hat, kann man sich schon beim ersten Blick denken.

Fantasiename „Ionosphäreninstitut“

Doch der BND wollte nicht, dass dies bekannt wird. Er gab dem Horchposten den Titel Ionosphäreninstitut und damit einen Fantasienamen. Was dort gemacht wird, und wer die Verantwortung trägt, war auch auf Nachfrage nie zu erfahren. Zäune und Panzerglas hindern Interessierte daran, allzu nahe zu kommen. Selbst als ein örtlicher Bundestagsabgeordneter jüngst Näheres wissen wollte, stieß er auf eisernes Schweigen.

Im Rahmen der Transparenzoffensive will der BND künftig nun auch auf Tarnbezeichnungen verzichten, wie ein Sprecher der Behörde in Berlin am Freitag sagt. Das bedeutet: Rheinhausen ist nun offiziell BND-Standort - der einzige in Baden-Württemberg. Ans Tor kommt ein Schild mit der Aufschrift „Bundesnachrichtendienst“.

Doch das war es dann auch schon mit der Offenheit: Was genau und wer von Rheinhausen aus abgehört wird, bleibt - ebenso wie in Bad Aibling - Staatsgeheimnis. Details zur Einrichtung und zur Frage, ob es weitere im Südwesten gibt, werden nicht genannt. Und selbst das neue Schild ist tabu. Da es sich um militärisches Sperrgebiet handele, ist das Betreten ebenso verboten wie das Fotografieren, heißt es in der BND-Zentrale. Schon am Beginn des Weges ins Maisfeld also ist Schluss mit der Transparenz. (dpa)