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Er ist eines der Gesichter des Titans-Aufschwungs

Daniel Kirchner musste erst einen Traum begraben, um bei den Dresdner Zweitliga-Basketballern so richtig durchzustarten.

Von Alexander Hiller
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Im letzten Spiel der Hinrunde konnte Daniel Kirchner nur zuschauen. Seine Mannschaft begeisterte trotzdem.
Im letzten Spiel der Hinrunde konnte Daniel Kirchner nur zuschauen. Seine Mannschaft begeisterte trotzdem. © kairospress

Dresden. Diesen Pullover überzuziehen, ist Daniel Kirchner sichtlich schwergefallen. Der 25-Jährige musste am letzten Spieltag der Hinrunde in der 2. Basketball-Bundesliga seinen Kollegen von draußen zusehen – im Freizeitlook anstatt im Sport-Dress der Dresden Titans. Eine leichte Muskelverletzung hinderte den bislang punktbesten Profi der Dresdner am persönlichen Einsatz.

Dass die Titans den Ausfall von Kirchner und des zweitbesten Schützen, Lucien Schmikale, am Freitagabend gegen Kirchheim scheinbar locker kompensieren konnten und mit 74:55 gewannen, deutet an, weshalb der Aufsteiger derzeit das Überraschungsteam der Liga ist. „Wir wollen Teambasketball spielen. Schön zu sehen, dass viele andere in die Bresche gesprungen sind“, sagte Titans-Trainer Fabian Strauß. Als Tabellenvierter schlossen die Neulinge die Hinrunde der Hauptrunde ab.

Und Kirchner ist – ebenfalls recht überraschend – einer der entscheidenden Garanten dafür. „Ich sehe immer zu, dass ich das letzte Spiel des Gegners anschaue.“ Der gebürtige Berliner spielt schon seit 2018 für die Titans und ist allein deshalb eines der Gesichter des Dresdner „Elbriesen“ – ein selbst gewählter Beiname des Klubs. Kirchner konnte seinen Punkteschnitt aus der drittklassigen 2. Liga Pro B eins zu eins in die höherklassige Pro-A-Liga transportieren. 13,5 Punkte erzielt der wieselflinke Aufbauspieler durchschnittlich pro Partie und liefert damit den Beleg, dass er sich erstaunlich schnell an die schnellere und athletischere Spielweise angepasst hat. „Ich bin auch überrascht“, sagt Kirchner und muss dabei grinsen. „Es geht da ja nicht nur um die Punkte. Ich habe nicht damit gerechnet, dass meine Rolle von Anfang an so groß ausfällt“, sagt er.

Gleichwohl brauchte der nach Sebastian Heck (seit 2016 ein Titan) dienstälteste Profi seine Anlaufzeit, aber eine erstaunlich kurze. „Man hat in den ersten Spielen gesehen, dass ich auch ein bisschen gebraucht habe, ich hatte viele Ballverluste. Gewonnen haben wir trotzdem ziemlich viel“, erklärt er lachend. Strauß setzte einfach weiter auf den schnellsten Spieler. „Wenn du einen Trainer hast, der dir trotzdem das Vertrauen gibt und dich trotz der Fehler weiterspielen lässt, hilft das dem Selbstvertrauen. Ansonsten denkst du vielleicht schnell: Es reicht vielleicht doch nicht“, sagt Kirchner und glaubt, „dass das Team und auch ich ein Stück weit in der 2. Bundesliga angekommen sind.“

Daniel Kirchners große Stärke ist das Tempodribbling.
Daniel Kirchners große Stärke ist das Tempodribbling. © kairospress

Dabei gab es einen Punkt, an dem Kirchner bereits daran dachte, alles hinzuschmeißen. Der junge Mann, erst in Tempelhof, dann in Köpenick aufgewachsen, wurde bei seinem Heimatverein Alba Berlin aussortiert, als der Sprung vom Nachwuchs zu den Männern anstand. „Es war für mich immer ein Traum, mal in der Profimannschaft von Alba zu spielen. Ich war aber auch Realist. Als mir gesagt wurde, dass ich gehen muss, brach für mich eine kleine Welt zusammen. Ich habe überlegt, nur noch hobbymäßig zu spielen“, erzählt er. Glücklicherweise wechselte er dann doch nach Stahnsdorf in die 2. Liga Pro B und fiel dort den Spähern der Dresden Titans auf, die ihn 2018 an die Elbe lotsten. „Eine glückliche Fügung, das Beste, was mir damals hätte passieren können.“

Die Titans dürften das mittlerweile ebenfalls so sehen. Denn der Student der Wirtschaftswissenschaft hat sich Stück für Stück mit dem Verein entwickelt. Das liegt auch daran, dass der Stil, den Strauß mit seiner Mannschaft spielen will, wie maßgeschneidert für die Vorzüge von Kirchner ist. Als „schnell und wild“ bezeichnet der jüngste Trainer der 2. Bundesliga den angestrebten Spielrhythmus. Kirchner besitzt ein gutes und schnelles Auge für schnelle Pässe, er ist dribbelstark und wird zunehmend sicherer bei seinen Distanzwürfen. „Hier und da fehlt mir noch ein bisschen mehr Ruhe. Man sollte schon mal auf die Bremse treten, wenn zwei, drei Angriffe in Folge nicht gelingen, da muss ich mich selbst zügeln“, sagt er.

Trainer Fabian Strauß ist nur vier Jahre älter als sein begabter Aufbauspieler - und will Kirchner gern in Dresden halten.
Trainer Fabian Strauß ist nur vier Jahre älter als sein begabter Aufbauspieler - und will Kirchner gern in Dresden halten. © kairospress

Seine Vorzüge weiß auch der Klub zu schätzen. Über eine Verlängerung der gemeinsamen Zusammenarbeit wurde bereits locker geredet, schriftlich fixiert aber noch nichts. „Ich glaube, das Interesse von beiden Seiten ist da“, sagt Kirchner, der mittlerweile auch mit einer Dresdnerin liiert ist. „Dass er so gut angekommen ist, ist ein Produkt seiner Arbeit in den letzten Jahren. Wenn wir schlau sind, fangen wir jetzt schon damit an, mit unseren leistungsstärksten Spielern zu sprechen“, sagt Strauß und verdeutlicht: „Wir wären ja schön blöd, wenn wir ihn nicht weiter an uns binden wollten.“

Denn für beide Seiten ist der gemeinsame Weg noch nicht beendet. „Ich denke, dass wir zu Recht da stehen, wo wir jetzt stehen. Hier gehört Dresden auch hin, langfristig vielleicht noch ein Stück höher“, hofft Kirchner.