Ein Traum wird wahr

Dresden. Maik Aberle ist ein bisschen atemlos, völlig aus dem Häuschen. „Das ist das, wovon ich immer geträumt habe“, erklärt der 56-Jährige am Telefon. Der Schwepnitzer ist vom Deutschen Behinderten-Sportverband für die Weltmeisterschaft im Para-Segeln nominiert worden – gemeinsam mit lediglich drei anderen Athleten. Auch Bernd-Leopold Käther, Tim Trömer und der Paralympics-Sieger von Sydney, Heiko Kröger, kämpfen nun vom 24. bis zum 28. September in Warnemünde um WM-Medaillen. Weitere deutsche Para-Segler können für den Saison-Höhepunkt vor der eigenen Haustür ebenfalls melden, tragen aber in dem Fall alle Kosten selbst. Für Aberle und seine offiziell nominierten Kollegen trägt der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) alle anfallenden Kosten.
„Dass ich als Greenhorn da mit in den Kader reingekommen bin …“, sagt Aberle. Den Satz würde er gern vollenden, aber er wird von seinen Emotionen übermannt. Denn die Geschichte des ehemaligen Vermögensberaters ist eine besondere. 2012 verliert Aberle bei einer Probefahrt die Kontrolle über sein Fahrzeug. Der Pkw wird auf die andere Fahrbahn geschleudert und dort von einem zwei Tonnen schweren Mercedes SL im rechten Winkel gerammt. Aberle vermutet heute noch als Unfallursache einen technischen Defekt – ein Bauteil für die dynamische Stabilitätskontrolle (DSC) war am Unfallwagen zuvor dreimal ausgetauscht worden.
Aberle wird im zerknautschten Beifahrerraum begraben. Er atmet nicht mehr. Sein Becken ist viermal gebrochen, der rechte Arm ebenfalls, sein Schädel mehrfach gespalten. Ein zufällig an der Unfallstelle vorbeikommender angehender Rettungssanitäter belebt den Schwerverletzten so lange, bis dessen Herz wieder leise schlägt. Die Überlebenschancen sind dennoch sehr gering. Die Diagnose: Schädelhirntrauma Stufe III. Bei zwei Prozent soll die Chance gelegen haben, dass Aberle je wieder aufwacht. Wenn überhaupt, dann sei er für immer auf einen Rollstuhl angewiesen, lautet die ärztliche Ansage. Aber Aberle ist für solche Statistiken nicht gemacht. „Die habe ich beschissen“, hat er der SZ Ende des vergangenen Jahres erzählt und dabei herzlich gelacht.
Der frühere Workaholic erwacht nicht nur aus dem Koma, sondern kämpft mit allem, was er hat, für ein lebenswertes Leben, reiht Reha an Reha. „Beruflich mache ich seit acht Jahren Reha.“ Jeden zweiten Mittwoch bekommt er in der Dresdner Praxis für Bewegung eine Stunde Gruppen- und eine Stunde Einzeltherapie in der Feldenkrais-Methode. Jeden Donnerstag stehen zwei Stunden Ergo- und eine Stunde Physiotherapie an, zudem eine Stunde Logopädie, anschließend 40 Minuten Massage und 45 Minuten Lymphdrainage. Einmal im Monat stellt sich Aberle bei Osteopathen vor. Zusätzlich trainiert er Qigong und Taijiquan. Er ist weiterhin rechtsseitig gelähmt. Sein Gehirn kann die Belastung auf der rechten Seite nicht mehr organisieren, nicht mehr direkt ansteuern.
Den größten Einfluss auf seine Genesung aber hat das Segeln. Mit dem dafür nötigen Schein hat er bereits vor dem Unfall begonnen – und die Ausbildung dann trotz des Handicaps erfolgreich beendet. In der Klasse 2.4mR gehört er nun zu den besten deutschen Seglern mit Beeinträchtigung. Das hat er mit der WM-Nominierung schriftlich. Aber Aberle denkt schon weiter – an kommende Titelkämpfe – in Atlanta und Finnland. „Dafür“, sagt er leise, „brauche ich dann auch Sponsoren.“