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Deutschlands Biathlon-Chef: "Neue Stars rauszubringen, wird nicht einfach"

Bei den deutschen Biathlon-Meisterschaften in Altenberg zeigt sich, dass es kaum noch bekannte Namen im Nationalteam gibt. Sportdirektor Felix Bitterling erklärt, wie das City-Event in Dresden helfen kann und lobt die Fortschritte in Sachsen.

Von Daniel Klein
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Biathlon-Sportdirektor Felix Bitterling erkennt am Altenberger Stützpunkt einen Aufwärtstrend.
Biathlon-Sportdirektor Felix Bitterling erkennt am Altenberger Stützpunkt einen Aufwärtstrend. © Egbert Kamprath

Herr Bitterling, die Biathlon-Elite hat sich am Wochenende in Altenberg getroffen. Doch mit Vanessa Voigt und Johannes Kühn fehlten zwei der Besten. Und als Quali-Wettkampf für den nächsten Weltcup-Winter gelten die deutschen Meisterschaften nicht mehr. Warum gibt es sie überhaupt noch?

Abgesehen davon, dass wir deutsche Meisterschaften durchführen müssen, ist für uns nach wie vor ein sehr, sehr wichtiger Wettkampf. Vor langer Zeit wurde entschieden, die deutschen Meisterschaften im Sommer auf Skirollern auszutragen und nicht mehr, wie es andere Disziplinen weiter machen, am Ende des Winters. Das kommt für uns aufgrund der sehr langen Saison nicht infrage. Die Meisterschaft ist die Qualifikation für den IBU-Cup und IBU-Junior-Cup, also quasi die zweite und dritte Wettkampfliga im Biathlon. Und falls nach den Ausscheidungsrennen für den Weltcup am Beginn des Winters zwei Athleten gleichauf liegen sollten, werden wir die Ergebnisse von Altenberg heranziehen. Man sollte auch nicht vergessen, dass es der einzige Wettbewerb ist, bei dem die besten Junioren und Weltcup-Teilnehmer zusammen an den Start gehen.

Vor zwei Jahren wollte das Bundesinnenministerium Altenberg den Status als Bundesstützpunkt aufgrund ausbleibender Erfolge sächsischer Biathleten entziehen. Der Deutsche Skiverband (DSV) gehörte zu denen, die letztlich erfolgreich ihr Veto einlegten. Trotzdem sollen die größten Talente aus Altenberg nach dem Schulabschluss nach Oberhof oder Ruhpolding wechseln. Bleibt es bei dieser Konstellation?

Es bleibt sicher dabei, dass Oberhof und Ruhpolding unsere Hauptstützpunkte sind. Das hat auch etwas mit begrenzten Trainerressourcen zu tun. Und wenn ein Athlet ein gewisses Niveau erreicht hat, muss er mit anderen Sportlern auf diesem Niveau zusammen trainieren. Ein Beispiel: Wenn sich die 19-jährige Altenbergerin Alma Siegismund so weiterentwickelt, wird sie in zwei, drei Jahren viel besser sein als die anderen Athleten hier in Altenberg. Dann sollte sie sich täglich mit anderen messen - etwa mit Franziska Preuß.

Altenberg hat den Bundesstützpunkt bis 2026 sicher. Wird es dann wieder ein Zitterspiel?

Das hängt wesentlich von der Spitzensportreform ab, die gerade überarbeitet wird. Da schauen wir gespannt drauf - zum Beispiel, ob es künftig wieder Nachwuchs-Bundesstützpunkte gibt. Fest steht aber: Ohne Stützpunkte wie Altenberg werden wir kein Nationalteam mehr haben, das in Oberhof und Ruhpolding trainiert, denn ausgebildet werden die meisten Talente woanders. Deshalb ist und bleibt Altenberg für uns ein wichtiger Standort.

Die 19-jährige Johanna Lehnung aus Pirna überraschte mit zwei Platzierungen unter den Top 15. Sie ist eine der Hoffnungen am Altenberger Stützpunkt.
Die 19-jährige Johanna Lehnung aus Pirna überraschte mit zwei Platzierungen unter den Top 15. Sie ist eine der Hoffnungen am Altenberger Stützpunkt. © Egbert Kamprath

Infrastrukturell und auch personell hat sich zuletzt einiges getan in Altenberg, Olympiasieger Frank-Peter Roetsch gehört jetzt zum Trainerteam. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?

Die Tendenz ist klar positiv. Das zeigt sich in vielen Nachwuchs-Ergebnislisten. Da ist Sachsen auf einem guten Weg und gehört wieder zu den besten vier Bundesländern - noch mit großem Abstand hinter Bayern und Baden-Württemberg und gleichauf mit Thüringen. Wir haben großes Interesse daran, dass diese Lücke wieder kleiner wird. Das Potenzial in Altenberg ist da, weil auch die Unterstützung durch die sächsische Politik außerordentlich ist.

In 14 Tagen gibt es mit dem City-Biathlon das nächste Event in der Region. Das ist von Wiesbaden nach Dresden umgezogen - auch mit der Begründung, dass der Stützpunkt Altenberg davon profitieren kann. Wie soll das funktionieren?

Wiesbaden war ein tolles Event für einen Tag, hatte aber keine großen Nachwirkungen. Wir möchten erreichen, dass zu dem Wettkampf Kinder und Jugendliche kommen, die Stars sehen, sich angesprochen fühlen und auch gleich von Vereinen aus der Region angesprochen werden. Wir haben da zusammen mit dem Sächsischen Skiverband Projekte am Start. Ich kenne keinen Stützpunkt, der in unmittelbarer Nähe einer Großstadt wie Dresden liegt.

Biathlon dorthin zu holen, wo die meisten Kinder und Jugendlichen leben - diese Idee gibt es schon lange. Warum hapert es an der Umsetzung?

Im Winter wird es nicht mehr gehen. Man kann niemanden mehr vermitteln, Lkw-Ladungen mit Kunstschnee in Innenstädte zu fahren. Also bleibt der Sommer - so wie jetzt in Dresden. Man darf aber nicht vergessen: Biathleten laufen jedes Rennen an jedem Ort. Um das zu schaffen, müssen sie sich Substanz erarbeiten. Jeder Wettkampf im Sommer stört diesen Trainingsaufbau. Der City-Biathlon in Dresden ist einer von drei großen internationalen Sommer-Events - neben dem Blink-Festival in Norwegen und dem Fourcade-Festival in Frankreich. Dort sind wir jetzt mit Vanessa Voigt und Johannes Kühn vertreten, weil wir möchten, dass im Gegenzug starke Norweger und Franzosen nach Dresden kommen. Das ist ein Geben und Nehmen.

Im vergangenen Winter hatte das deutsche Team ausgerechnet beim Saisonhöhepunkte, der WM in Nove Mesto, große Probleme mit dem Material. Was hat der DSV getan, damit die Ski bei allen Schneebedingungen konstant schnell sind?

Wir waren bei 50 Prozent der Rennen absolute Weltspitze, haben uns aber bei warmer und nasser Witterung schwergetan. Durch das Flourverbot im Wachs war das über Jahre aufgebaut Know-how quasi nutzlos. Alle Teams, nicht nur wir, mussten zum Teil nach dem Versuch-Irrtum-Prinzip arbeiten. In den vergangenen Monaten haben wir nahezu alles auf Links gedreht, an Skischliffen und Handstrukturen geforscht, und viel mit den Skilangläufern an unserem Technologiezentrum kooperiert, wo wir auch Testscamps veranstalten. Zudem haben wir Danielo Müller zurück nach Deutschland geholt. Der stammt aus Zittau, hat als Techniker für Kaisa Mäkäräinen und Darja Domratschewa, für die USA und zuletzt Tschechien gearbeitet.

Wird Biathlon immer mehr zur personellen und auch zur finanziellen Materialschlacht?

Ja, das kann man so sagen. Und ein Team wie das deutsche, das zu den Top-Nationen im Biathlon gehört, muss da einfach mitziehen.

Siegehrung nach dem verkürzten Einzel der Frauen mit Siegerin Franziska Preuß (oben Mitte).
Siegehrung nach dem verkürzten Einzel der Frauen mit Siegerin Franziska Preuß (oben Mitte). © Egbert Kamprath

Stichwort Top-Nation: Schaut man sich die Startlisten von Altenberg an, ist Franziska Preuß mit Abstand der bekannteste Name. Viele andere kennen nur Biathlon-Insider. Es fehlen die Stars. Macht Ihnen das Sorgen?

Mit Denise Herrmann-Wick hat eine Ausnahmeathletin des Wintersports vor anderthalb Jahren ihre Karriere beendet, im Frühjahr folgte dann ihr männliches Pendant Benedikt Doll. Das heißt für die Männer, die vorigen Winter übrigens den zweiten Platz in der Nationenwertung belegt haben, dass nun niemand mehr da ist, der mit seinen konstant guten Ergebnissen schlechtere Tage der Teamkollegen überdeckt. Aber das ist auch eine Chance. Justus Strelow hat vergangene Saison einen Riesenschritt gemacht und beim Schießen mit seiner Trefferquote und seinem Tempo Maßstäbe gesetzt. Und er hat sich läuferisch verbessert. Wenn er jetzt noch mal einen Schritt machen könnte, würde er in ganz interessante Bereiche vorstoßen. Justus hat sowohl den Anspruch als auch den Intellekt, diese Steinchen zusammenzusetzen. Athleten wie Simon Kaiser und Danilo Riethmüller könnten bei den Männern einen kleinen Generationenwechsel einleiten.

Und bei den Frauen?

Da wird der Wechsel gravierender. Durch die Schwangerschaft von Janina Hettich-Walz sind noch vier Plätze im Weltcup frei. Um die kämpfen 19- bis 21-jährige Athletinnen. Bei den Männern wie Frauen ist unser Anspruch und unser Ziel natürlich, neue Stars rauszubringen. Aber das wird nicht einfach, Deutschland war da in der Vergangenheit sehr verwöhnt.

Sind Stars auch wichtig für die Vermarktung, für Sponsoren, für die Einschaltquoten im Fernsehen?

Natürlich. Wir sind in Deutschland in der glücklichen Lage, dass der Wintersport durch ARD und ZDF sehr ausführlich und live übertragen wird. Die hohen Einschaltquoten hängen sicher nicht allein am Erfolg. Bleibt der aber längerfristig aus, könnte sich das ändern. Ein zweiter Punkt: Es wird generell immer schwieriger, Firmen zu finden, die in den Sport investieren. Da braucht man schon gute Argumente. Und auf der anderen Seite sehen wir uns mit explodierenden Kosten konfrontiert, vor denen wir uns auch nicht schützen können, weil wir in einem Reisezirkus unterwegs sind. Wenn das Hotel am Wettkampfort das Dreifache kostet im Vergleich zum Vorjahr, dann müssen wir das zahlen. Ob wir wollen oder nicht.