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Der Kampf des Sports ums Überleben

In Dresden wird das Handball-Spiel abgesagt, in den Profi-Teams gibt es immer mehr Corona-Fälle. Ein Lagebericht.

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Dresdens Handball-Trainer Rico Göde hadert bei einem Spiel noch vor Zuschauern mit seiner Mannschaft des HC Elbflorenz. Am Mittwochabend hatte auch er unfreiwillig frei. Das Sachsenderby wurde wegen eines Corona-Falles in Aue abgesagt.
Dresdens Handball-Trainer Rico Göde hadert bei einem Spiel noch vor Zuschauern mit seiner Mannschaft des HC Elbflorenz. Am Mittwochabend hatte auch er unfreiwillig frei. Das Sachsenderby wurde wegen eines Corona-Falles in Aue abgesagt. © Lutz Hentschel

Von Jens Mende und Christoph Stukenbrock

Immer mehr Corona-Fälle, immer mehr Absagen: Jetzt hat es auch die Dresdner Handballer getroffen. Das für den Mittwochabend angesetzte Sachsenderby des HC Elbflorenz gegen Aue wurde am Vormittag kurzfristig abgesagt, nachdem es bei den Erzgebirgern einen positiven Test gegeben hatte. Das Team musste daraufhin in häusliche Quarantäne. Im deutschen Sport zeichnet sich bereits ein Terminchaos ab. Eine reguläre Durchführung des Spielbetriebs wird zur Utopie. Vielmehr droht erneut ein kompletter Stillstand.

Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, ist deshalb in großer Sorge, „dass viele Vereine nun mehr und mehr in echte Existenznöte und damit zwangsläufig in Richtung Insolvenz kommen“. Mit dem Sport ginge „bildlich gesprochen das letzte Lagerfeuer unserer Gesellschaft verloren“, sagte er bei Sky.

Mit ausgeklügelten Hygienekonzepten, die auch ungeliebte Zuschauerbeschränkungen einschließen, suchen die Vereine einen Weg aus der Corona-Falle. Doch die jüngsten Beispiele zeigen: Die zweite Welle der Pandemie schwappt in den Profisport. „Es war klar: Wir kommen nicht unbeschadet durch die Saison“, sagte Stefan Holz, der Geschäftsführer der Basketball-Bundesliga. Die hat es schon vor dem ersten Tipp-off voll erwischt. Nach sechs Corona-Fällen beim Meister Alba Berlin muss das Finalturnier um den Pokal, das eigentlich für den 1. und 2. November in München geplant war, verschoben werden.

Einigen Betroffenen geht es schlecht

„Das Wesentliche ist, dass alle gesund werden“, sagte Alba-Manager Marco Baldi. Einigen der Betroffenen gehe es nicht gut, berichtete er, ohne Einzelheiten zu nennen. Wissenschaftler und Ärzte bestätigen, dass Covid-19 auch bei jungen und trainierten Menschen zu gesundheitlichen Problemen führen kann, wenn auch nur in Ausnahmefällen. So ist die Mitteilung des FC Bayern zum infizierten Serge Gnabry keinesfalls nur eine Randnotiz: Dem Nationalspieler „geht es gut“, heißt es darin.

Wie nah dran an einem totalen K.o. die Sportarten nach dem Fußball sind, zeigt besonders deutlich die Deutsche Eishockey-Liga. Angesichts der fehlenden Zuschauereinnahmen, die für die Vereine die wirtschaftliche Grundlage darstellen, ist noch nicht einmal der Termin des Saisonstarts sicher. In der zweiten Liga mit den sächsischen Klubs aus Dresden, Weißwasser und Crimmitschau soll es am 6. November losgehen. Allerdings war der Start auf den Termin verschoben worden in der Hoffnung, dann unter bestimmten Auflagen möglichst unbegrenzt vor Zuschauern spielen zu können. Das ist inzwischen jedoch mehr als unwahrscheinlich.

Und Michael Evers, Chef der Volleyball-Bundesliga, sagt: „Die Situation ist extrem angespannt und kann existenzbedrohend werden.“ Die Klubs hätten nicht nur einen großen Mehraufwand, sondern die große Unsicherheit, „ob und wie ihre Spiele ausgetragen werden können“. Bei den Frauen wurden schon vier Spiele verlegt. Bisher war der Dresdner SC davon nicht betroffen. Vorbehaltlich der obligatorischen Corona-Tests empfängt er am Samstag Münster.

DOSB-Chef Alfons Hörmann hebt den Vorbild-Charakter des Sports hervor und wirbt um die Gunst der Politik.
DOSB-Chef Alfons Hörmann hebt den Vorbild-Charakter des Sports hervor und wirbt um die Gunst der Politik. © dpa/Guido Kirchner

Dabei zeigen die Vereine viel Kreativität und Flexibilität: Am vorigen Wochenende mussten zwei Partien abgesagt werden – aufgrund von Quarantäne bei Straubing und positiver Fälle in Stuttgart. Die dadurch spielfreien Kontrahenten Potsdam und Schwerin entschlossen sich, ihr Duell vom Februar 2021 vorzuziehen.

„Ob der Terminkalender dadurch soweit durcheinandergerät, dass die Saison irgendwann abgebrochen werden muss, weiß ich nicht“, sagt Kim Renkema, Sportdirektorin bei den Volleyballerinnen des MTV Stuttgart – ihre düstere Prognose: „Wirtschaftlich wäre das für uns aber sicher der Genickbruch.“ Anders als Fußball-Bundesligisten bekommen die Vereine in den anderen Sportarten keine Millionenbeträge aus Fernsehverträgen, sondern finanzieren sich vor allem aus Sponsoren- und Zuschauereinnahmen. Beide Quellen hängen zusammen und drohen zu versiegen.

Im derzeit am stärksten von Corona betroffenen Landkreis Berchtesgadener Land soll gerade eine Rodel-WM für Ende Januar 2021 vorbereitet werden. Die bayerische Schlittenhochburg war erst vor vier Wochen für das kanadische Whistler als Ausrichter eingesprungen. Fest steht: Wenn die Titelkämpfe auf der Bahn am Königssee überhaupt stattfinden können, werden sie zum Verlustgeschäft. „Wir machen das, um den Sport über Wasser zu halten“, erklärt Organisationschef Alexander Resch.

Altenberg will kein Minus machen

Für Altenberg ist das keine Option. Dort soll Anfang Februar die Bob- und Skeleton-WM ausgetragen werden. „Wir werden kein eigenes Geld mitbringen und aus Eigenmitteln zigtausende Euro reinbuttern“, betont Jens Morgenstern. Rennen vor vollen Rängen wie in der Vorsaison hat der Manager längst abgehakt: „Wir gehen davon aus, dass wir auf keinen Fall komplett öffnen können.“ Es gebe zwei Szenarien für wenig und ohne Zuschauer. Wie nahezu alles in der „neuen Normalität“ werde sich das kurzfristig entscheiden.

Derweil werden bereits langfristig geplante Veranstaltungen abgesagt wie das Internationale Turnfest in Leipzig im Mai 2021, für das schon 19.000 Anmeldungen vorlagen. Es sei unverantwortlich, in der absehbar weiter andauernden Pandemie-Situation es mit so vielen Gästen aus allen Regionen durchzuführen, heißt es zur Begründung. Das Turnfest fällt in seiner 160-jährigen Geschichte nach 1866, 1878, 1918 und 1943 erst zum fünften Mal aus.

Warum sollte der Sport aber weitermachen dürfen, während in der Republik ganze Landkreise heruntergefahren werden? DOSB-Chef Hörmann hebt den Vorbild-Charakter hervor und wirbt um die Gunst der Politik. „Während viele Partys, Familienfeiern und sonstige Superspreader-Ereignisse quer durch die Gesellschaft zu verzeichnen sind, gibt es Vergleichbares im Sport nach unserer Kenntnis bis heute nicht“, sagte der 60-Jährige.

Der Sport steht wie die Gesellschaft vor extrem schwierigen Wochen und Monaten. (dpa, sid, mit SZ/-ler)