Warum Dresdens Eisläufer für den Pechstein-Freund sind

Dresden. Ungewöhnlich direkt, weil öffentlich, hat sich der Eislaufverein Dresden vor der Wahl des neuen Präsidenten der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) auf die Seite des einzigen Kandidaten gestellt: Weshalb Dresdens Klubchef Silvio Schirrmeister (31), einst Olympiastarter über 400 Meter Hürden, für den Freund von Claudia Pechstein, Matthias Große, stimmt, erklärt er im SZ-Gespräch.
Herr Schirrmeister, wieso haben Sie und Ihr Verein vor der Wahl am Samstag in einem offenen Brief öffentlich Partei für Matthias Große ergriffen?
Die DESG war letzten Endes seit November 2019 führungslos. So wirklich ist danach nichts passiert. In den Medien ist Matthias Große sehr, sehr hart dafür verurteilt worden, dass er der DESG helfen will. Wir haben uns gesagt: Mensch, irgendwie kennen wir den nur aus den Medien. Am Ende ist aber entscheidend, was man für ein persönliches Bild hat. Es kam zu zwei Treffen. Viele Vereine hatten nicht den Mut oder die Energie, ihn persönlich einzuladen und kennenzulernen. Wir haben das getan. Und bei dem, was wir mit ihm besprochen und von seinem Konzept erkannt haben, müssen wir, um ein paar Leute mehr zu motivieren und mutiger werden zu lassen, etwas offensiver vorgehen als im Normalfall – deshalb der offene Brief.
Sein Konzept hat Sie also überzeugt?
Genau. Er hatte es bereits im Februar auf einer Mitgliederversammlung in Schriftform dargelegt. Zusätzlich dazu wollten wir einige Erklärungen haben. Er hat uns genau die Lösungen für Dinge dargelegt, die die großen Probleme der DESG sind, zumindest seit ich dabei bin, also zwei Jahre. Nachwuchsgewinnung, die Vereine entlasten, in die Infrastruktur der Auswahl und der Spitzenvereine zu investieren. Durch diese Punkte, denken auch wir, kann man unseren Sport weiterentwickeln. Nicht zu vergessen, dass er finanzielle Mittel und unternehmerisches Knowhow eingebracht hat, das braucht man heutzutage in einem olympischen Sportverband.
Hat Ihnen speziell auch die professionelle Struktur bislang gefehlt?
Definitiv, da gehe ich total mit. Ich kenne das ja noch aus der Leichtathletik. Wie dort organisatorische Strukturen aufgebaut sind, da liegen Welten zwischen der Leichtathletik und der DESG. Den Eindruck, den ich gewonnen habe, war nicht unbedingt der, der Leistungen versprochen hat.
Die damaligen Verbandschefs könnten es darauf reduzieren, dass für Strukturerweiterungen das Geld nicht da war. Große bringt das mit.Das stimmt. Jetzt kommt das Aber. Wenn man einen olympischen Sportverband leitet, bist du dazu verdammt, Gelder aufzutreiben. Nicht nur die über offizielle Fördertöpfer, Verbandsmittel oder Gelder über das Innenministerium. Du bis verdammt dazu, Sponsoren zu finden. In der Zeit, in der ich den EV Dresden leite, wurde kein neuer Sponsor vorgestellt oder zumindest Verhandlungen offiziell oder inoffiziell kommuniziert. Im Gegenteil. Man hat relativ viel Verbandsgeld für eine Unternehmensberatung ausgegeben, die vor zwei Jahren ein Werbekonzept erarbeiten sollte. Ich glaube, das ist letzten Endes nie fertiggestellt worden. Das hat sich der Vorstand sehr einfach gemacht, so nach dem Motto: Ja, Große bringt Geld mit, das ist legitim. Auf der anderen Seite hat der alte Vorstand nie wirklich etwas dafür getan, um zusätzliche Finanzen heranzuholen. Das ist ein großer Missstand.
Im Eisschnelllauf bringt der Dresdner Nachwuchs seit Jahren die meisten Medaillen von deutschen Meisterschaften mit, im Shorttrack ist Dresden zentraler Bundesstützpunkt. Welche Rolle nimmt Dresden im neuen Konzept ein?
Auf jeden Fall soll der Bundesstützpunkt gestärkt werden, das wird schrittweise schon umgesetzt. Das hat er mit der Entscheidung, neben Shorttrack-Bundestrainer Stuart Horsepool mit Leon Kaufmann-Ludwig einen Assistenztrainer zu engagieren, bewiesen. Das war auch ein Wunsch der Sportler, die ich kenne. Was wir noch brauchen, ist vielleicht ein Bundesstützpunktleiter, der das Bindeglied zwischen Verein, Verband und zwischen den Vereins- und Bundestrainern ist. Das müssen wir in Zukunft noch bereden. Im Eisschnelllauf müssen wir schauen, wie wir es schaffen, unsere vorhandenen Strukturen noch etwas auszubauen. Vielleicht schaffen wir es dann, den einen oder anderen erfolgreichen Nachwuchsathleten bei uns zu halten. Große sieht in Dresden aufgrund unserer Power und der Bedingungen einen wichtigen Standort für die Entwicklung des Sports. Wir versuchen, die Klubstruktur zu professionalisieren. Dabei kann er helfen, mit Knowhow und mit Finanzen.
Dresden soll als gemeinsamer Olympiastützpunkt mit Chemnitz bereits einen Kleinbus erhalten haben. Steht das Fahrzeug inzwischen schon im Hof?
Meines Wissens nach sollte der schon für den Bundesstützpunkt zur Verfügung stehen. Für uns ist der eminent wichtig, weil wir an einem Wochenende oftmals an verschiedenen Standorten unterwegs sind. Bislang hatten unsere beiden Abteilungen je einen Bus, der grundsätzlich fahren kann. Die haben wir selbst finanziert. Man musste sich untereinander immer irgendwie helfen. Da hilft ein Bus mehr immer. Das hilft dem Bundesstützpunkt, hilft aber auch dem Verein.
Hat Große Ihnen kommuniziert, woher das Geld für den Bus stammt?
Ja, er sagt, dass ein Großteil der Gelder, die er in den Verband steckt, von der B&O-Gruppe stammen, dem neuen Hauptsponsor. Er selbst hat mit seiner Firma auch Gelder investiert.
Kritiker befürchten, dass das Engagement von Große auf die absehbare Zeit der sportlichen Karriere seiner 48-jährigen Partnerin Claudia Pechstein begrenzt ist. Haben Sie sich damit auseinandergesetzt?
Die Frage hat sich auch bei uns aufgetan. Die hat er, denke ich, ehrlich beantwortet, indem er uns gesagt hat, dass es egal ist, ob es Claudia Pechstein auf dem Eis noch lange gibt. Es gehe im darum, die ehemals erfolgreichste deutsche Wintersportart wieder zu dem zu machen, was sie mal war. Zusätzlich sind die Strukturen, die er schaffen will, langfristige, strategische Entscheidungen und Projekte, die du gar nicht angehen kannst, wenn du zu sehr an der Wettbewerbsfähigkeit deiner Freundin hängst. Ich glaube, dass es ihm sehr um die Sache geht. Das war für mich stimmig.Große hat in seiner jüngsten Pressekonferenz erklärt, dass es bisher von der DESG hieß: „Das geht nicht und das geht nicht“. Diesen Duktus wolle er streichen.
Was heißt das für die Dresdner Bahn, die einzige 333 Meter lange Freiluftpiste Deutschlands, für die Ihr Verein Pläne zur Überdachung in der Schublade hat?
(lacht). Das wird zeitnah dennoch nicht realisierbar sein. Aber es gibt trotzdem genügend andere Dinge, die wir angehen können und wollen. Beispielsweise unsere Vereinssatzung, die seit der Gründung unseres Vorgängervereins ESC Dresden nur minimal aktualisiert wurde. Da geht es bei uns erst mal ums Anpacken, anstatt die ganz großen Kämpfe auszufechten.
Was passiert, wenn der kommissarische Präsident am Samstag nicht mehrheitlich das Vertrauen der Vereine und Landesverbände erhält?
Das Problem ist, wenn er nicht gewählt wird, dann ist das finanzielle Loch im Verband sofort wieder da. Der Deutsche Olympische Sportbund hat zu verstehen gegeben, dass man sich nicht mehr in der Lage sähe, Fördermittel an die DESG auszuzahlen, wenn es keine erfolgreiche Wahl gibt. Das ist nicht mal an der Person Große manifestiert. Das bedeutet, wenn Große nicht gewählt würde, ist Schluss mit Eisschnelllaufen und Shorttrack in Deutschland – auf professioneller Ebene. Eine weitere Auflage ist, dass die Satzung dringend modernisiert wird. Auch in unserer Vereinssatzung steht, dass wir Leistungssport fördern. Wenn es keinen Dachverband mehr gibt, habe ich ein Problem. Das ist eine Spirale, mit der ich mich nicht beschäftigen will.
Das Gespräch führte Alexander Hiller.