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Erkenntnis der Bergsichten: „In Dresden ist das Klettern zu Hause“

Beim Bergsichten-Festival gab es viel Lob und verrückte Geschichten. Enthusiasten und die TU bleiben Garanten für die Traditions-Veranstaltung.

Von Jochen Mayer
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Hingucker beim Dresdner Bergsichten-Festival: die Fotos von Karel Vlcek.
Hingucker beim Dresdner Bergsichten-Festival: die Fotos von Karel Vlcek. © Jochen Mayer

Dresden. Der alte Mann war beim Dresdner Bergsichten-Festival zu Tränen gerührt. Mit so einem donnernden Applaus von rund 900 Besuchern hatte der Prager Fotograf und Filmemacher Karel Vlcek nicht gerechnet. Seine Tochter Veronika hielt den stürmischen Applaus beim restlos ausverkauften „Sandsteinblock“-Programm im großen Hörsaal des TU-Komplexes per Handy-Video fest.

Sie war tief beeindruckt, wie herzlich ihrem 77-jährigen Vater gehuldigt wurde. „Er konnte seine Fotos und Filme noch nie vor so einem großen Publikum zeigen“, sagte sie Frank Meutzner. Der Festivaldirektor konnte sich aber auch an keine eindrucksvollere Fotoausstellung im Foyer bei den Bergsichten erinnern. Die Motive des tschechischen Profi-Fotografen waren an den drei Tagen immer dicht umlagert.

Nach zwei Jahren Zwangspause für die Bergsichten erreichten die Zuschauer-Zahlen zwar noch nicht wieder die Vor-Corona-Dimensionen, dennoch gab es auch wieder volle Säle.

Eine weltmeisterliche Lobeshymne

Der Chef des Berg- und Outdoor-Festivals hörte reichlich Lob über die Traditions-Veranstaltung: „Viele Besucher sprachen mich an und waren dankbar, dass es die Bergsichten wieder gab. Da störten manche freien Plätze nicht. Wir waren vielleicht sogar ein wenig verwöhnt vom einstigen Zuspruch. Autor und Bergfilmer Tom Dauer sagte mir, dass er über die 300 Besucher am Sonnabend-Nachmittag sehr gestaunt habe, die zum Alpenfilm-Programm gekommen waren. Darüber würden sich manche Veranstalter eines Abendprogramms sehr freuen.“

Eine Lobeshymne stimmte auch die einstige Eiskletter-Weltmeisterin Ines Papert nach dem sehenswerten und freimütigen Auftritt mit ihrem slowenischen Partner Luka Lindič an: „Gut, dass es noch Veranstalter gibt, die trotz aller Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten viel Herzblut und Elan reinstecken, damit es weitergeht“, sagte die 48-Jährige, die in Bad Düben aufwuchs. „Da kann ich nur sagen: Respekt.“

Ein Heimspiel hatte der extreme Schwierigkeiten kletternde Robert Leistner, der seinen Vortrag von 2019 wiederholen durfte. „Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass ich noch einmal eingeladen wurde“, sagte der Dresdner. „Die Bergsichten sind ein Event ohne Wenn und Aber, die gehören dazu, die haben Tradition und sind für mich ein Klassiker.“

Dujmovits' Sympathien für den Osten

Alle Programm-Punkte glänzten mit opulenter Optik, mit spannenden Geschichten, mit viel Witz und einer gewissen Leichtigkeit, die im direkten Kontrast zu den schwierigen Zeiten und Ungewissheiten stand, in denen viele gerade leben. „Man hatte immer das Gefühl, dass sich da Gleichgesinnte in den Vortragssälen treffen, die wissen, wovon geredet wird“, vermutet Meutzner und spricht damit eine Besonderheit der Bergsichten an.

Lob gab es auch von Ralf Dujmovits, dem ersten Deutschen, der alle 14 Achttausender und die Seven Summits meisterte. Er stand für ein Interview auf der Bühne zu einem Porträtfilm über sein Leben. „Ich freue mich, dass es in Dresden nach der Pandemie weitergehen konnte“, sagte der Schwarzwälder. „Selbst wenn es nicht ganz so viele Zuschauer wie früher waren, manche wohl noch vorsichtig mit den Kontakten sind. Es war wirklich wieder ein tolles Programm.“

Er spürte das Besondere beim Festival und registrierte eine „sehr nette, ausgeglichene Atmosphäre, sehr viel Enthusiasmus. Viele Kletterer und Bergsteiger sind unter den Besuchern. Man merkt: Hier ist das Klettern zu Hause, damit hat man auch ein sehr fachkundiges Publikum.“

Dujmovits macht keinen Hehl aus seiner Sympathie für Ost-Mentalitäten. „Dieser Menschenschlag hat was Eigenes“, beobachtete er bei Sachsen, die er auf Expeditionen kennenlernte. „Da habe ich erlebt: Die sind gewohnt, mit weniger zufrieden zu sein, die sind oft mit einfachen Mitteln unterwegs, die haben oft eine klarere Ethik beim Einsatz von Sauerstoff oder Fixseilen. Ich spürte, dass man im Osten einen bescheideneren Lebensstil geführt hat, und damit auch weniger Ansprüche stellt. Das hat für mich etwas enorm Sympathisches.“ Es kommt seinem Naturell entgegen. Für ihn sei weniger oft mehr.

Der nächste Termin steht bereits fest

Papert zog es mit ihrem Partner nach den Bergsichten zum Elbsandstein-Höllenhund. Dujmovits musste auf den naheliegenden Kletter-Abstecher verzichten, die nächsten Auftritt-Termine drängten. Dabei war er bisher erst einmal in der Sächsische Schweiz unterwegs. In seiner Jugend blieben ihm die Felsen jedoch verwehrt. „Ich bekam leider keinen Zutritt in die DDR, keine Einreise-Genehmigung“, erzählt der gebürtige Bühler. „Das hat wohl mit meinem Papa und seiner Vergangenheit zu tun. Er stammt aus Tschechien, war bei einem Fluchtversuch erwischt worden und saß im Gefängnis.“

Geschichten wurden viele erzählt an den drei Festivaltagen – auf der Bühne und rund um die Hörsäle. Zudem registrierten die Aussteller bei der Bergsichten-Messe intensive Gespräche und dass es die Leute wieder in die Natur zieht. Meutzner sieht sich auf einem guten Weg, dass sein Festival die Corona-Auszeit überlebt hat. Den nächsten Termin gibt es bereits: 17. bis 19. November 2023.

Er erhielt bereits ernsthafte Offerten für künftige Auftritte im Hörsaalkomplex. Der Festivalchef wurde nicht müde, sich für die Kooperation mit der TU Dresden zu bedanken. „Ohne die Dresdner Uni würde es die Bergsichten nicht geben“, sagt Meutzner. „Für so ein großes Festival gibt es keinen anderen Standort in der Stadt. Deshalb hoffen wir weiter auf eine gute Zusammenarbeit wie bisher.“