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Bundestrainer sein? Lieber verkaufen sie jetzt Hoodies

Der frühere Top-Shorttracker Leon Kaufmann-Ludwig aus Dresden wirbt mit selbst entworfenen Hoodies für Europa. Die erste Kollektion ist ausverkauft.

Von Alexander Hiller
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In ihrer Dreizimmer-Wohnung im Dresdner Hechtviertel geben Leon Kaufmann-Ludwig und seine Freundin Alida Eberhardt den selbst entworfenen Hoodies den letzten Schliff.
In ihrer Dreizimmer-Wohnung im Dresdner Hechtviertel geben Leon Kaufmann-Ludwig und seine Freundin Alida Eberhardt den selbst entworfenen Hoodies den letzten Schliff. © Christian Juppe

Dresden. Hier wird die Wohnung zum Büro – und umgekehrt. Leon Kaufmann-Ludwig steht in einem knapp 15 Quadratmeter großen Raum in Dresden, den er Arbeitszimmer nennt. In einem dreistöckigen Industrieregal lagern unterschiedliche Materialien: Plastikbehälter, ungefaltete Kartons aus recycelter Pappe, eine Maschine für Textildruck und viele Hoodies, wie die modischen Pullover mit Kapuzen genannt werden. An der Fensterfront steht ein Arbeitstisch, darauf Laptops und Bildschirme.

Hier stürzt sich der ehemalige Shorttracker in sein neues Leben nach dem Leistungssport. Den musste der 25-Jährige nach vielen Verletzungen früher beenden als gedacht. Statt rasante Runden auf dem Eis zu drehen, entwirft er nun Hoodies – nachhaltig produziert und mit einer Botschaft: „I am a european“ – ich bin Europäer – steht auf einem der Pullover.

Eigene Ideen fließen ebenfalls mit ein, so haben er und seine Freundin Alida Eberhardt den Ausspruch der Französischen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – aufgegriffen und modernisiert. „Soroité“ steht auf dem Hoodie, darunter spielgelverkehrt und auf dem Kopf stehend: „Fraternitè – Brüderlichkeit.

Die erste Kollektion ist ausverkauft

„Brüderlichkeit schließt rein vom Begriff her ja nur Männer ein, deshalb haben wir Schwesterlichkeit mit einbezogen“, erklärt Leon Kaufmann-Ludwig. „Unser ganze Marke ist rund um die europäischen Werte und die europäischen Sterne aufgebaut: Einheit, Solidarität und Harmonie“, sagt der gebürtige Münchner. An diesen Leitwerten orientieren sich er und seine Freundin, die Lehramt studiert, bei ihrem 2020 gegründeten Start-up-Unternehmen „Youth United Apparel“.

Die erste Kollektion mit 130 Pullovern kam damals auf den Markt, eine zweite soll diesen Monat folgen. Die Designs für die Hoodies entwirft das Paar selbst, über einen Kontaktmann in Deutschland wird der Produzent in Portugal informiert, der das Material aus 100-prozentiger Bio-Baumwolle nach den Wünschen der Dresdner herstellt. Bedruckt werden die Pullis im Arbeitszimmer daheim noch von Hand. „Wir wollen die europäische Identität in den Vordergrund rücken – vor allem auch als Gegenbewegung zu den nationalistischen Tendenzen, die es in Deutschland und in ganz Europa gibt“, sagt Kaufmann-Ludwig und erklärt: „Wir sehen in der europäischen Gemeinschaft eine sehr, sehr große Chance.“ Eine Möglichkeit, die großen, weltumspannenden Probleme unserer Zeit gemeinsam zu bewältigen.

„Wir haben das Gefühl, dass viele Leute noch nicht sehen, was Europa für uns bringt. Inhaltlich gibt es bei der EU viele Dinge, die man kritisieren kann und muss, die nicht perfekt laufen. In puncto humanitäre Hilfen beispielsweise“, sagt der mehrfache deutsche Shorttrackmeister. „Aber wir haben viele Dinge in unserem Alltag, die es nicht gäbe, wenn die EU nicht wäre. Dieses Bewusstsein wollen wir wecken.“

Bei Kaufmann-Ludwig wurde das von seiner Oma geweckt. „Sie studierte in der Zeit des Nationalsozialismus in München und hat eben nicht weggeschaut. Sie hatte Kontakt zur Gruppe der Weißen Rose“, erzählt er. Die Geschwister Scholl wurden aufgrund ihrer Tätigkeit für die Widerstandsgruppe im Februar 1943 von den Nazis hingerichtet. „Aus den Gesprächen mit meiner Oma habe ich sehr viel rausgezogen. Den Mumm zu haben und zu sagen: Wir riskieren im Zweifel unser Leben“, sagt der Blondschopf. Auch deshalb setzt er sich für das ein, woran er zutiefst glaubt.

Und worüber er in seiner Karriere mehr erfahren hat als viele andere in seiner Altersgruppe. Das Leben als deutscher Nationalmannschafts-Läufer führte ihn quer über den Erdball. Dabei entdeckte Kaufmann-Ludwig „viele kulturelle Unterschiede, die ich nie als negativ empfunden habe, sondern als interessante Bereicherung.“

Drei Monate Assistenz-Bundestrainer

Seine Karriere nach der Karriere hätte der Student für Wirtschaftsingenieurwesen beinahe im Leistungssport begonnen. Die Deutsche Eisschnelllauf- und Shorttrack Gemeinschaft (DESG) hatte dem früheren Athletensprecher eine Stelle als Assistenz-Bundestrainer im Shorttrack versprochen, die er im September 2020 auch antrat. Allerdings wurde nie ein Vertrag unterzeichnet, eine Entlohnung hat Kaufmann-Ludwig bis Dezember 2020 nie erhalten, also schmiss er entnervt hin und hatte auch den Gang vors Gericht erwogen. Heute winkt er dabei ab: „Kosten und Nutzen würden in keinem Verhältnis stehen.“

Lieber kniet er sich in sein eigenes Projekt. Ob es nach der zweiten Kollektion weitergeht, ist allerdings offen. Ob das Studentenpaar den Lebensunterhalt mit dem Vertrieb der eigenen Hoodiemarke verdienen will, „wissen wir ehrlich gesagt noch nicht. Das ist etwas, worauf wir Lust haben, eine Herausforderung für uns beide, eine interessante Erfahrung, gemeinsam zu arbeiten“, sagt Kaufmann-Ludwig.

In die erste Auflage ist das Ersparte von beiden geflossen. „Wir haben aber mittlerweile gemerkt, dass die Nachfrage da ist und wir es geschafft haben, auch Leute anzusprechen, die nicht aus unserem Kosmos kommen“, sagt Kaufmann-Ludwig.