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So will der Dresdner Ex-Weltmeister wieder zur Top-Form finden

Deutschlands Speerwurf-Rekordler Johannes Vetter ist bei Olympia ausgerutscht und hat WM und EM verletzt abgesagt. Nun arbeitet der Ex-Weltmeister akribisch am Comeback.

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Speerwerfer Johannes Vetter will nach langer Verletzungspause zurück in die Weltspitze.
Speerwerfer Johannes Vetter will nach langer Verletzungspause zurück in die Weltspitze. © Archiv: dpa/Michael Kappeler

Von Andreas Schirmer

Frankfurt/Main. Leichtathletik im Fernsehen anzuschauen, ist für Johannes Vetter eine neue und ungewollte Erfahrung gewesen. "Im Sommer konnte ich die EM in München verletzungsbedingt am Baggersee verfolgen", berichtete der 29 Jahre alte deutsche Speerwurf-Rekordler, der seit Jahren zu den TV-Sportstars gehört. Nach fast einjähriger Zwangspause arbeitet er an seinem Comeback, das für den 5. Mai beim Diamond-League-Meeting in Doha (Katar) fest geplant ist. Der erste Auftritt in Deutschland nach der Zwangspause könnte am 20./21. Mai in Halle/Saale folgen.

Den letzten und einzigen Wettkampf des vorigen Jahres bestritt der Weltmeister von 2017 in seiner Wahlheimat Offenburg am 15. Mai 2022. Danach musste er wegen einer Entzündung in der Schulter des Wurfarms erst die WM in Eugene (USA) absagen und danach die europäischen Titelkämpfe im August an der Isar. Dort gewann der Mainzer Julian Weber Speerwurf-Gold - eine von 16 Medaillen für die deutschen Leichtathleten.

"Es war nicht so, dass ich Tränen in den Augen hatte und in Selbstmitleid zerflossen bin, weil ich nicht starten konnte", sagte Vetter. "Ich habe mich für Julian und die deutschen Athleten gefreut." Mehr weh getan hat ihm die Absage der WM, weil er sie für sich höher bewertet: "Das hat etwas mit Prestige zu tun." Wer wie der gebürtige Dresdner 2020 (97,76 Meter) und 2021 (96,29) die Weltrangliste deutlich anführte und in diesen Jahren übergreifend 19 Siege in Serie schaffte, hat hohe Ansprüche.

Trainingslager in der Türkei steht an

Die konnte Vetter bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio nicht erfüllen. Als Topfavorit war er angetreten und auf dem Anlaufbelag ausgerutscht, auf dem er wegen seines sehr kraftvollen Stemmens mit dem Fuß beim Abwurf keinen Halt fand. "Es war frustrierend, bei drei großen Wettkämpfen nicht starten zu können. Vor allem, wenn man im Olympia-Jahr die Weltspitze mit sieben Metern Vorsprung angeführt hat", meinte Vetter. "Da tut einem schon das Herz weh."

Anstatt lange zu hadern, will er aus den negativen Erlebnissen das Positive herausziehen. "Manchmal ist so ein verletzungsbedingtes Sabbatjahr mit Ruhe auch nicht schlecht und beschert mir in den nächsten Olympia-Zyklen zwei, drei Karrierejahre mehr", sagte der Ausnahmewerfer, der am 26. März seinen 30. Geburtstag feiert. "Es ist gegessen, wir haben es weggesteckt und sind wieder auf Kurs."

Zusammen mit seinem Trainer Boris Obergföll tankt er wieder Kraft und feilt an der Wurftechnik. "Die Zeit hat uns schon gestresst. Gefühlt habe ich mir 20.000 Würfe auf Videos angeschaut und überlegt, was man machen kann, dass die Schulter nicht mehr wehtut", berichtete Obergföll, der auch Bundestrainer ist. Ende der Woche gehe es ins Trainingslager im türkischen Belek, wo der Feinschliff für den ersten Wettkampf erfolgen solle: "Wenn er da gut werfen kann, dann bin ich ziemlich sicher, dass er allein durch seine starke Physis in Richtung 90 oder über 90 Meter werfen kann."

Der Anspruch sind nach wie vor Medaillen

Die großen Ziele sind die WM Ende August in Budapest und die Olympischen Spiele 2024 in Paris. "Wenn Johannes bis dahin ein 90-Meter-Niveau hat, ist er ein Medaillenkandidat und einer, der gewinnen kann. Den Anspruch haben wir", betonte Obergföll. Dass Europameister Julian Weber in der Zwischenzeit zum größten Rivalen geworden ist, sieht Vetter nicht so. "Man muss ihn auf der Rechnung haben. Aus meiner Sicht bin ich mein allergrößter Konkurrent - und den gilt es zu schlagen."

Nach dem kapitalen Olympia-Ausrutscher in Tokio ist er guter Dinge, was den Belag bei der WM und im Pariser Olympiastadion angeht. Bei Medaillenkämpfen soll als Ergebnis von Gesprächen mit dem Weltverband und den Herstellern ein rutschfester Belag in der Anlaufzone verlegt werden. In der Trainingsanlage in Offenburg liegt bereits seit längeren ein Belag, der getestet wird und bei Olympia eingesetzt werden könnte. "Da rutscht Johannes nicht, sondern steht wie gemeißelt", sagte Obergföll. (dpa)