Dresden. Es gibt reichlich zu feiern. Die Dresdner Sportschulen feiern in den kommenden Tagen mit einer Festwoche ihr 70-jähriges Bestehen. Die Schüler der früheren Kinder- und Jugendsportschule (KJS) und des heutigen Schulsportzentrums - Sportoberschule und Sportgymnasium - haben 35 Olympiasiege und 85 Weltmeistertitel während oder nach ihrer Schulzeit eingeheimst.
Eisschnelllauf-Ikone Karin Enke, die gesamtdeutschen Fußballstars Ulf Kirsten und Matthias Sammer oder aktuell der nun dreifache Kanu-Olympiasieger Tom Liebscher-Lucz sind da nur einige von vielen prominenten Ex-Schülern.
SED beschließt das Projekt sportliche Spezialschulen
Die Festwoche startet am Montag im Campus am Messering mit einer "Celebrate-Sports-Party". Neben Musik, Spielen und Schulhausführungen gibt es zwischen 12 und 16 Uhr viel Zeit für Gespräche. Die stehen am Dienstag sogar im Fokus. Bei den "Picknick-Gesprächen" berichten ehemalige und aktive Sportler über ihre Erfahrungen aus den Bereichen Wirtschaft, Leistungssport und Sportgeschichte.
Nach einem Spendenlauf am Mittwoch, einer Festveranstaltung am Freitag, dem Ehemaligentreffen am Samstag im neu eröffneten Steyer-Stadion schließt sich am 4. September in der Ballsportarena mit einer Podiumsdiskussion zum Thema Leistungssport in Dresden zwischen Tradition und Gegenwart der Kreis. Geladen sind Matthias Sammer, Sportbürgermeister Jan Donhauser, Unternehmer Uwe Saegeling und die frühere Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Christa Luding. Karten dafür gibt es auf der Homepage der Schulen.
Die Gründung der Dresdner Sportschulen geht zurück auf einen Beschluss des DDR-Ministerrats vom 8. Februar 1950 auf der Grundlage des Gesetzes "über die Teilnahme der Jugend am Aufbau der Deutschen Demokratischen Republik und die Förderung der Jugend in Schule und Beruf, bei Sport und Erholung". 1951 nickte der Zentralrat der SED die Gründung von sportlichen Spezialschulen schließlich ab.
1953 wurden die KJS-Projekte in Leipzig und Karl-Marx-Stadt eingeweiht. Dresden folgte erst am 1. September 1954. Und das an einem Standort, den heute kaum jemand mehr damit in Verbindung bringt: Auf dem Gelände in Dresden-Reick steht jetzt das Hülße-Gymnasium. Das heutige Sportschulzentrum am Messering ist bereits der fünfte Standort. Auf Reick folgte Cotta, Klotzsche und danach die Parkstraße. Dort war von 1969 bis 2007 zunächst die KJS "Artur Becker" und nach der Wende dann die Sportschulen beheimatet - die bisher längste Epoche.
"Der Standort hier am Messering ist optimal, wie haben die Sportstätten gleich hier. Besser geht es nicht", sagt Britt Göldner, Leiterin des Sportgymnasiums. Für die 58-Jährige und ihre Kollegin Annette Bitterlich, die die Sportoberschule führt, ist das ein erhebliches Plus.
In Dresden wurde die Schule um den Sport herum gebaut, nicht umgekehrt. So ist für die Nachwuchsathleten drei- bis viermal die Woche Training auch schon am Vormittag möglich. Diese Stunden übernehmen Profilsportlehrer, also disziplinspezifisch geschulte und lizenzierte Trainer. In den Eliteschulen des Sports in den alten Bundesländern wird nicht so viel Rücksicht genommen. "Wenn die Sportler in der Nacht vom Wettkampf zurückkommen und dann am nächsten Morgen in der Schule durchhängen, haben sie Pech gehabt", sagte Annette Bitterlich.
In Dresden sind Schule, Vereine und das Internat enger verzahnt. Werden schulische Probleme bei Einzelnen erkannt, reagieren auch die Vereinstrainer. "Alle sind voll involviert, die Schule ist für alle Seiten genauso wichtig wie der Sport", betont Annette Bitterlich.
Druck erfahren die potenziellen Medaillengewinner von morgen also von zwei Seiten. Viele halten dieser Herausforderung stand, Aussteiger gibt es wenige. "Die Quote ist gering. Kaum einer wechselt mit wehenden Fahnen in eine andere Schule", erklärt Göldner. Wobei klar ist: Nicht aus jedem Sportschüler wird auch ein Spitzensportler.
In Dresden scheinen die Voraussetzungen gut zu sein. Die 100 Internatsplätze sowie 40 Betten im Fußball-Nachwuchszentrum von Dynamo Dresden sind ein wichtiges Argument vor allem für Eltern und Schüler aus der Region. Das lockt selbst Talente aus anderen Bundesländern an - diese Quote liegt bei insgesamt 685 Schülern bei knapp zehn Prozent.
Auf die Sportschulen kommen die Kinder und Jugendlichen nur mit der Empfehlung des jeweiligen Landesfachverbands - in Dresden in derzeit 16 Sportarten. "Das ist immer im Fluss, manche Sportarten gegen weg, andere kommen dazu", sagt Leiterin Göldner. Derzeit bemühen sich die Sportarten Basketball und Handball um Aufnahmemöglichkeiten.
Gesteuert wird dies vom Landessportbund Sachsen (LSB). Wer im Frauenfußball oder Männerhandball übermäßig talentiert ist, müsste aktuell nach Leipzig, Gewichtheber nach Chemnitz, Shorttracker oder Volleyballerinnen beispielsweise nach Dresden.
Göldner und Bitterlich sind überzeugt, dass auch in 30 Jahren zum 100. Jubiläum wieder gefeiert wird. Die bislang letzte Schul-Evaluierung durch den DOSB erfolgte 2019 - die Ergebnisse liegen nach fünf Jahren aber noch immer nicht vor. "Wir sind uns sicher: Dieser Standort hat seine Berechtigung", betont Göldner. Und Zukunft.