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Darum ist der Osten im Frauen-Volleyball so stark

Die Dresdner Volleyballerinnen spielen am Wochenende in Suhl – ein Ost-Klassiker. Warum es davon so viele in der Frauen-Bundesliga gibt.

Von Michaela Widder & Alexander Hiller
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Das bislang letzte Ost-Duell ist erst knapp eine Woche her: Dresdens Maja Storck (l) schmettert den Ball gegen die Potsdamerinnen Laura Emonts (M) und Anastasia Cekulaev.
Das bislang letzte Ost-Duell ist erst knapp eine Woche her: Dresdens Maja Storck (l) schmettert den Ball gegen die Potsdamerinnen Laura Emonts (M) und Anastasia Cekulaev. © Symbolfoto: dpa/Matthias Rietschel

Dresden. Der Name Wolfsgrube für eine Sporthalle klingt schon gefährlich. Es wäre übertrieben zu sagen, dass sich Alexander Waibl fürchtet, dort zu spielen, aber der Trainer der Volleyball-Frauen vom Dresdner SC ist schon immer mit einem gewissen Respekt in die Südthüringer Provinz gefahren.

„Die Wolfsgrube ist ein schwieriger Platz, um zu gewinnen“, findet Waibl, „auch, weil die Fans ihre Mannschaft bedingungslos unterstützen“. Der 53-Jährige spricht über die Begegnung mit Suhl am Samstag, 19.30 Uhr, von einem „Duell auf Augenhöhe“ und erinnert sich an „oft enge Matches“ in der Bundesliga. „Das war schon immer so, und das wird auch immer so bleiben.“

Suhl gegen Dresden ist einer dieser Ostklassiker. In keiner anderen Profisportart spielen so viele Ostvereine erstklassig, wie in der Volleyball-Bundesliga der Frauen, nämlich fast die Hälfte. Mit Dresden, Suhl, Erfurt, Potsdam und Schwerin gibt es insgesamt fünf von zwölf Vereinen, die auf dem Terrain der ehemaligen DDR beheimatet sind. Im Vergleich: In der Fußball-Bundesliga spielen nur zwei von 18 Klubs im Osten, in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) ist es nur einer – und in der Volleyball-Liga der Männer sogar keiner.

„Volleyball hatte zu DDR-Zeiten einen hohen Stellwert und viele regionale Zentren. Dresden war ja damals auch ein Zulieferer für Dynamo Berlin“, erklärt Waibl, ein „Wessi“. Der gebürtige Stuttgarter habe beobachtet, wie sich nach der Wende große Vereine wie Schwerin etabliert und kleinere Stützpunkte gemausert hätten. Dagegen sei die Mehrzahl der früheren Klubs im Westen heutzutage eher in der 2. und 3. Liga zu finden.

Waibl wundert das nicht: „Im Osten legen die Vereine viel Wert auf die Gesamtstruktur und die Jugendarbeit. Das könnte auch ein Grund sein, weil es nachhaltiger ist.“ Waibl kam 2009 nach Dresden und ist ein großer Sympathisant der Ost-Mentalität und ein Befürworter einiger Strukturen, die aus dem DDR-Sportsystem entstanden sind – wie zum Beispiel Sportschulen.

„Wir hatten über 110 hauptamtliche Volleyballtrainer“

Auch Trainer-Urgestein Klaus Kaiser, der mit dem DSC 1999 das erste Double gewann, erklärt die Erfolge im Osten mit ihrer langen Tradition: „Wir hatten die großen Klubs Traktor Schwerin und SG Dynamo Berlin. Überall im Raum Dresden gab es zudem Trainingszentren – mit Freital, Meißen, Bautzen, Dippoldiswalde sehr starke“, sagt Kaiser und führt weiter aus. „Wir hatten meines Wissens allein über 110 hauptamtliche Volleyballtrainer in den TZ.“

Nach der Wende hatte der gesamtdeutsche Volleyballverband dann entschieden, dass in Leipzig nicht zwei Stützpunkte – für Männer und Frauen – gefördert werden, sondern nur noch der männliche Bereich. „Der weibliche Bundesstützpunkt wurde von Anfang an in Dresden angesiedelt. Alle Vereine haben das mitgetragen“, sagt Kaiser. Dadurch durfte der DSC seine talentierten Volleyballerinnen an die Sportschule schicken. „Die Schule dahinter ist extrem wichtig“, findet Kaiser. Und diese Struktur findet man im Westteil Deutschlands längst nicht so wie im Osten der Republik.

Eine feste Größe im deutschen Volleyball ist Michael Evers. Der 62-Jährige ist Manager beim SSC Palmberg und war 15 Jahre Präsident der Bundesliga. „In der DDR wurde Volleyball unter Leistungssportgesichtspunkten gespielt“, erklärt Evers. Die Frauen-Nationalmannschaft feierte auch große Erfolge wie das Olympia-Silber 1980 und die EM-Titel 1983 und 1987. Dazu wurde die Auswahl 1974 und 1986 WM-Vierte. In dieser Zeit war Evers noch Handballer, trainierte den DDR-Erstligisten Post Schwerin. Durch einen Zufall kam er 1994 zum Volleyball. „Ich sollte nur ein Jahr in Schwerin aushelfen, und ich warte immer noch, dass das Jahr um ist“, sagt er augenzwinkernd.

Warum sich so viele Ost-Klubs etabliert haben, erklärt der Norddeutsche so: „Die meisten Vereine sind in Landeshauptstädten angesiedelt mit Wirtschaftskraft und Kontakten in die Landesregierung.“ Berthold Fröhner, der frühere Leiter des IAT Leipzig, verweist ebenfalls auf die lange Tradition. Frauen-Volleyball habe ab den 1950er-Jahren im ostdeutschen Universitäts- und Schulsport eine wesentliche Rolle gespielt, sagt er. „Im Westen hing das Wohl und Wehe eines Vereins immer an einem Sponsor oder Mäzen.“

Dass ostdeutsche Mannschaften in der Volleyball-Bundesliga stark vertreten sind, findet Fröhner, „hängt auch damit zusammen, dass professioneller Mannschaftssport bei den Frauen in unserer Welt nicht so eine Rolle spielt“. Die Volleyball-Bundesliga besetze eine Nische und habe sich gut etabliert. Das sei eine Bereicherung.