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Wie Dresdens Frauen den Titel gewinnen

Die DSC-Volleyballerinnen sind deutscher Meister. Sie drehen ein verrücktes Finale gegen den großen Favoriten Stuttgart und schmettern sich zum sechsten Titel.

Von Alexander Hiller
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Der DSC ist die Nummer eins. Die Volleyballerinnen holten ihren sechsten Meistertitel.
Der DSC ist die Nummer eins. Die Volleyballerinnen holten ihren sechsten Meistertitel. © Ronald Bonß

Dresden. Samstag, 15.56 Uhr - goldene Konfettistreifen regnen auf den deutschen Volleyballmeister nieder. Die Volleyballerinnen des Dresdner SC sind zum sechsten Mal deutscher Meister. Das Team von Trainer Alexander Waibl gewann am Samstag das fünfte und entscheidende Duell gegen den MTV Allianz Stuttgart mit 3:0 (25:20, 25:23, 26:24) – und damit die Finalserie mit 3:2-Erfolgen. Und das nach 0:2-Rückstand. Der Jubel auf einer Seite des Parketts kannte keine Grenzen. Freilich ohne Echo von den Rängen – in dieser ganz besonderen Saison fast durchgehend ohne Fans in der Halle.

"Die Atmosphäre ist echt surreal. Aber das haben wir schon die ganze Saison. Es war unsere Stärke in dieser Saison, dass wir trotzdem so emotional und so viel Energie auf das Feld bringen konnten, gerade in schwierigen Momenten", erklärte DSC-Diagonalangreiferin Maja Storck. Die Freudentränen ihrer Kollegin Jennifer Janiska fingen deshalb nur die Kameras ein.

Der neue Meister ging mit einem entscheidenden Vorteil ins letzte dieser Finalpartien. Der MTV Allianz Stuttgart konnte – wie bereits am Mittwoch in Schwaben – seinen Superstar Krystal Rivers nicht aufbieten. Die US-Amerikanerin ist Dreh- und Angelpunkt im Angriffsspiel des Meisters von 2019. Rivers musste zuletzt wegen Fiebers im Krankenhaus behandelt werden. Dieses Mal konnten die Stuttgarterinnen den Ausfall der 26-Jährigen Hauptangreiferin nicht kompensieren.

Der Dresdner SC konnte indes bei seinem sechsten Triumph nach 1999, 2007, 2014, 2015 und 2016 an die starke Verfassung der letzten Spiele anknüpfen. Vor allem Jennifer Janiska (15 Punkte), Maja Storck (15) und Lena Stigrot (17) lieferten verlässlich ab. Dennoch opferten sich die Stuttgarterinnen in jedem Ballwechsel auf, zeigten eindrucksvoll, dass sie mehr zu bieten haben, als nur ihren erkrankten Superstar. Am Ende reichte das nicht ganz gegen eine wie entfesselt auftretende Dresdner Mannschaft, für die nach lediglich 85 Minuten Camilla Weitzel den Matchball zum Titel verwandelte.

Damit bewahrheitete sich die Ansage von Trainer Waibl zu einem ganz frühen Zeitpunkt der Saison. „Wir können das Team zu einem entwickeln, das um den Titel mitspielen kann“, hatte der 53-jährige Schwabe erklärt. In der Tat hat der Erfolgscoach aus einem sehr jungen Kader (Durchschnittsalter 22,5 Jahre) eine Mannschaft geformt, die nicht nur menschlich offenbar prächtig harmoniert, sondern sich im Saisonverlauf zur besten und stabilsten deutschen Mannschaft entwickelte.

Die Momente nach dem großen Triumph sind eher sachlich und nüchtern. "Wir haben so viel Frische und so viel Spaß in die Saison reingebracht. Unsere erfahrenen Spielerinnen haben uns gesagt: Hey, wir sind ein Meisterkandidat, auch wenn wir vielleicht nicht der große Favorit sind. Aber wir können dafür arbeiten", erklärte Storck die Stärke ihrer Mannschaft. Die Nationalspielerin aus der Schweiz war eine von zehn Spielerinnen im Kader, deren Vertrag am Saisonende ausläuft. Auf der Saisonabschlussfeier des Vereins wurde aber die Verlängerung des Kontraktes mit Storck um ein Jahr verkündet. Der DSC wird sicher auch versuchen, allen anderen Stamm- und Führungsspielerinnen auch ein neues Angebot zu unterbreiten.

Immerhin startet der DSC nun in der Champions League - dem großen Schaufenster des internationalen Volleyballs. Damit lässt sich arbeiten. "Tja, wir feiern jetzt erst einmal, dann sehen wir weiter", sagte die 22-Jährige, die auch als wertvollste Spielerin der Bundesligasaison geehrt wurde. Trainer Waibl machte jedoch kein Geheimnis daraus, dass "wir zumindest die ersten sieben, acht, neun Spielerinnen, die große Spielanteile hatten, natürlich auch halten wollen. Ob wir das dann auch schaffen, ist eine andere Frage. Wir haben viele Gründe, Spielerinnen zu halten. Vielleicht weiß ich es ja schon, ich sage es nur jetzt nicht", sagte er lachend.

"Die Zusammensetzung der Charaktere macht uns aus. Aber wir waren nie verkrampft und aggressiv. Mit Jennifer, Maja und mir haben wir ein Trio im Angriff geschaffen, was über Wochen hinweg immer seine Leistung gebracht hat", erklärt Kapitänin Lena Stigrot den Teamgeist, der den DSC vor allem in den Play-offs auszeichnete. "Wenn einer nicht so drauf war, hat es die nächste gebracht. Auch Lenka hat eine ganz, ganz tolle Saison gespielt, hat uns viel abgenommen", lobte die Spielführerin die Libera Lenka Dürr.

Die 30-Jährige hat offenbar ihr letztes Spiel für den DSC gemacht, das bestätigte sie anschließend. "Wir in Dresden wissen genau, was sie tun wird. Aber es ist nicht der richtige Moment, das auch zu verkünden", kommentierte Waibl die Nachricht.

Stigrot blieb es vorbehalten, ihrer kompletten Mannschaft vor der Siegerehrung die Medaillen um den Hals zu hängen. Die Corona-Einschränkungen machen das möglich. Für die Nationalspielerin ein ganz besonderer Moment. "Das war ein toller Abschluss, weil es noch mal die Intimität der Saison umfasst hat. Wir hatten in der ganzen Spielzeit nur uns. Das war schön, jeden in den Arm zu nehmen, die Medaille zu übergeben, noch ein paar persönliche Worte mit auf den Weg zu geben. Das hat mir viel bedeutet, vielleicht sogar mehr, als wenn es ein Verantwortlicher gemacht hätte", erzählte die 26-Jährige sehr berührt. Möglich, dass es auch eine sehr intime Party gegeben hat. Der Klub hatte die Margon-Arena zumindest bis 22 Uhr gebucht. "We are the Champions" sangen die DSC-Frauen noch anderthalb Stunden nach dem Triumph in der Kabine.

Für Waibl war sein vierter Meistertitel mit dem DSC auch eine persönliche Genugtuung. Schließlich war er nicht immer unumstritten. "Mir gefällt überhaupt nicht, wie in vielen Branchen mit Trainern umgesprungen wird. Das ist für mich kein Erfolgsrezept. Was wir hier machen, ist Arbeit. Du musst für deine Arbeit brennen, wenn du das nicht tust, bist du weder im ersten Jahr gut, noch im fünften", erklärte er und streicht die große Stärke seiner Meisterschaft heraus. "Wir haben Rückschläge verkraftet, entwickelten immer neue Strategien, wie wir angreifen können", erklärte der Schwabe das Erfolgsrezept für diese so besondere Spielzeit.

Den Umgang mit den Corona-Einschränkungen betrachtet Waibl als größte Hürde auf dem Weg zur Meisterschaft. "Das ständige Testen, die fehlende Nähe zu Sponsoren und Fans, zu anderen Menschen. Ich glaube, dass wir als Team eine sehr starke und geschlossen Saison hatten. Die war nicht immer harmonisch, aber mit Harmonie gewinnst du halt nichts. Im Leistungssport geht es um Reibung, um Druck."

Den nimmt Waibl aber gern auf sich, hält ihn von seiner Mannschaft fern. Den Konkurrenten Stuttgart hatte er so lange zum Titelfavoriten ausgerufen, bis auch alle daran glaubten. Sehr wahrscheinlich, dass er den für viele überraschenden Ausgang dieser Corona-Spielzeit schon lange so vor seinem inneren Auge vorausgesehen hatte.

So sehen Sieger aus.
So sehen Sieger aus. © ronaldbonss.com
Das fünfte Finalduell in Dresden brachte die Entscheidung im Kampf um den Meistertitel. Kapitän Lena Stigrot (2. v. l.) jubelte mit ihren Kolleginnen.
Das fünfte Finalduell in Dresden brachte die Entscheidung im Kampf um den Meistertitel. Kapitän Lena Stigrot (2. v. l.) jubelte mit ihren Kolleginnen. © Ronald Bonß