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Große zieht positive Halbjahresbilanz

Der Eisschnelllauf-Präsident sieht den Verband auf dem richtigen Weg. Vorwürfe aus Dresden weist der Lebensgefährte von Claudia Pechstein strikt zurück.

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Matthias Große, Präsident der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG), sieht sich weiter auf dem richtigen Kurs.
Matthias Große, Präsident der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG), sieht sich weiter auf dem richtigen Kurs. © Archivbild: dpa/Jörg Carstensen

Berlin. Der neue starke Mann der Deutschen Eisschnelllauf- und Shorttrack-Gemeinschaft (DESG) sprach entschlossen in sein Mikrofon. Er saß allein an seinem Tisch, Corona will es so, umringt nur von Werbebannern, Verbandslogos und Namensschild. Also übernahm Matthias Große das Schulterklopfen einfach selbst. "Es ist sicherlich ganz, ganz Großes geleistet worden", sagte der DESG-Präsident, als er ein Fazit seiner sechsmonatigen Amtszeit zog.

Die DESG sei stark geworden. "Wir haben den Patienten, der im Koma lag, aus der Intensivstation herausgeholt", sagte Große: "Der Tanker ist auf Kurs." Rund 15 Minuten sprach der Berliner Unternehmer und Lebensgefährte der fünfmaligen Olympiasiegerin Claudia Pechstein am Freitag in einer Videobotschaft, die an Unterstützer und Kritiker gleichermaßen gerichtet war.

Große hob die finanzielle Stabilisierung des Verbandes hervor. Die DESG sei in der Lage, die nächsten zwei Jahre zu überleben: "Das ist die Haupt-Message." Doch Große hatte noch eine zweite, nicht minder wichtige Botschaft: Zu dem von ihm vorgegeben Kurs gebe es keine Alternativen.

"Das ist einfach unwahr"

"Wir haben gelernt, dass der Weg, den wir gehen, kompromisslos und geradlinig sein muss", sagte der 53-Jährige: "Wir wollen Leistungssport machen und nicht dafür sorgen, dass eine Wohlfühl-Komfortzone eingerichtet wird. Das funktioniert in diesem Verband nicht."

Glaubt man Zweiflern seiner Arbeit, funktioniert in der DESG unter Große so manches nicht. Der Führungs- und Kommunikationsstil unter der neuen Spitze wird bemängelt, die Shorttracker fühlen sich abgehängt, auch die von ihm angekündigten Strukturänderungen sorgen intern für Irritation und personellen Aderlass.

Der Kritik von Leon Kaufmann-Ludwig, der sein erst kürzlich angetretenes Amt als Assistenztrainer Shorttrack wegen fehlenden Vertrages und ausbleibender Bezahlung wieder aufgab, trat Große vehement entgegen. „Niemand hat hier jemanden beschäftigt und hat ihn nicht bezahlt“, sagte er und wies auch den Vorwurf der fehlenden Kommunikation zurück: „Das ist einfach unwahr.“ Stattdessen habe es „stundenlange Telefonate“ gegeben. Das Thema sei für ihn und den Verband jetzt aber vom Tisch, betonte Große.

Berliner Stützpunkleiterin gibt auf

Jüngst verkündete auch Ex-Sprinterin Jenny Wolf ihren Rücktritt als Bundestrainerin nach nicht einmal drei Monaten im Amt - dabei war sie Großes "Wunschkandidatin". Sie begründete ihren Abschied vor allem mit dem "alternativlosen" und "sehr harten und geradlinigen Kurs" der neuen Verbandsführung. Zudem zieht sich auch Katrin Bunkus, 2010 Team-Olympiasiegerin, zurück. Sie wird ihr Amt als Leiterin des Bundesstützpunktes Berlin über das Jahresende hinaus nicht fortsetzen.

"Der neue Kurs der Verbandsführung ist mir trotz mehrfachen Nachfragens nie erläutert worden", wurde sie in der Süddeutschen Zeitung zitiert. Konzeptionen des DOSB und Vorgaben des BMI bildeten die Grundlage ihrer Arbeit zur professionellen Unterstützung der Bundeskader: "Die seitens der Verbandsführung getroffenen Entscheidungen zum Aufgabenbereich der Leitung des Bundesstützpunkts Berlin entsprechen meiner Meinung nach diesen Vorgaben nicht. Das macht meine Arbeit unmöglich."

Die Eisschnellläufer sehen sich etwas mehr als ein Jahr vor den Olympischen Winterspielen in Peking erneut mit Ungewissheiten konfrontiert. Vor allem der Abschied von Wolf als Kopf einer neuen Trainerkommission hinterlässt Fragen der Zuständigkeit für die Athleten.

Keine Meisterschaften im Lockdown

Große will das Problem beseitigen. "Wir werden alles dafür tun, eine Lösung zu finden, die uns definitiv bis Olympia 2022 bringt", sagte er. Allerdings droht den Aktiven eine Saison ohne Wettkämpfe. Wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemiewurden die vom 8. bis 10. Januar geplanten deutschen Einzelstreckenmeisterschaften in Inzell erneut auf unbestimmte Zeit verschoben. "Bis zum Ende des Lockdowns werden wir definitiv keine Meisterschaften durchführen", sagte Große.

Zugleich stellte er die Teilnahme deutscher Athleten zur im Januar anstehenden Wettkampfserie in Heerenveen, bestehend aus EM (16./17. Januar) und zwei sich anschließenden Weltcup-Wochenenden, infrage. "Eine Sportart ohne Wettkämpfe - das ist ein absurder Anfang. Die Sinnhaftigkeit von Wettkämpfen, die irgendwo auf der Welt stattfinden, wo nur die Hälfte der Sportler anreisen kann, ist zu hinterfragen. Das macht gar keinen Sinn", sagte der DESG-Präsident. Allerdings stellte es Große jedem einzelnen Sportler frei, an den geplanten Wettkämpfen in der Blase teilzunehmen. (sid, dpa)