Warum der Monarchs-Trainer die Titel-Party verpasst hat

Dresden. Eigentlich ist fast alles wie immer. Ulrich Däuber kommt mit dem Rad zum Termin. Doch in der Geschäftsstelle der Dresden Monarchs steht seit Montag ein neuer Pokal: der etwas zerbeulte German Bowl. Die wichtigste Trophäe im American Football hierzulande hatten die Elbestädter am Samstag zum ersten Mal gewonnen. Der 51 Jahre alte Cheftrainer erklärt das Erfolgsgeheimnis seines Teams.
Herr Däuber, im Gegensatz zu Ihrem Betreuerstab und dem Gros Ihrer Mannschaft sind Sie Samstagnacht mit ganz wenigen Spielern nach Dresden zurückgefahren. Warum eigentlich?
Weiß ich auch nicht, ich hätte auch dableiben sollen. Das war eine Situation, in der ich mir keine Gedanken gemacht habe, was danach passiert. Meine Familie ist ja auch über Nacht in Frankfurt geblieben, warum ich nicht? Ich dachte, wir Coaches fahren zusammen zurück. Ich hätte spontan sagen sollen: Ich bleibe da, feiere mit.
Sie waren in einer emotionalen Ausnahmesituation?
Ja. Die zwei Wochen vor dem German Bowl war es für mich wichtiger, das Spiel zu organisieren, nicht nur taktisch, sondern auch, dass der Ablauf für Spieler und Betreuer angenehm ist, dass der German Bowl ein Event wird. Nicht für mich, das war es für mich sowieso. Ich wollte, dass alle Leute sagen: Egal, ob wir gewinnen oder verlieren, das war etwas Spezielles. Was ich danach machen wollte, war mir egal. Wir hatten keine Zeit, das Erlebte zu rekapitulieren. Ich musste mir am Sonntag erst mal das Video vom Spiel anschauen, weil ich gar nicht wusste, was im Spiel passiert ist. Mein Bruder hat beispielsweise bei der Siegerehrung das Feuerwerk gefilmt, knapp eine Minute. Ich habe nicht bemerkt, dass es ein Feuerwerk gab. Ich kann es jetzt immer noch nicht glauben, dass wir den German Bowl gewonnen haben.
Ihre Mannschaft besteht aus knapp 60 Spielern, der Staff rundherum aus 40 Personen. Hat jeder Beteiligte also ein Prozent zum Erfolg beigetragen?
Das ist gut ausgedrückt. Jeder ist gleich wichtig, je nach Situation. Wenn es darum geht, vor dem Spiel Wasser für die Mannschaft hinzustellen, dann ist unser Staff wichtiger als jemand, der in der Kabine rumsitzt. Wenn wir einen Fieldgoal-Versuch unternehmen, sind die elf Spieler des Special Teams die wichtigsten. Wenn es darum geht, dass einer die Leitung übernimmt, war ich vielleicht mehr als ein Prozent beteiligt, aber in anderen Momenten bin ich bei null Prozent. Mein Motto war und ist: Teams win Championships (Mannschaften gewinnen Meisterschaften/d. Red.). Es gibt niemanden, der sagen kann: Ich war die entscheidende Person. Nur in einer Situation hat eine Person mehr Anerkennung für sich beansprucht. Das haben wir intern besprochen, die Person hat gemerkt, dass ihre Wahrnehmung nicht stimmt, hat sich um 180 Grad gewandelt und ist noch mehr zum Teamplayer geworden. Das war unser Schlüssel zum Erfolg.

Vor 31 Jahren war der Osten Deutschlands ein weißer Fleck auf der gesamtdeutschen Football-Landkarte. Macht das den ersten Titel eines Ostteams noch wertvoller?
Natürlich. Entweder gewinnt man eine Meisterschaft mit Geld oder mit einer Struktur. In der jüngeren Vergangenheit gab es einige Titel, die durch die Finanzen entschieden wurden. Das ist jetzt sicher eine Meisterschaft, die durch die Struktur gewonnen wurde. Wir müssen uns mit unserem Budget nicht verstecken, aber die Struktur, das Programm der Dresden Monarchs stellt so etwas auf die Beine.
Die Dresden Monarchs haben vor dem German Bowl die letzten fünf Partien gegen Schwäbisch Hall verloren. Was war diesmal anders?
Ohne überheblich zu klingen: Uns war klar, wir kommen fast immer in die Play-offs und unter die besten vier Teams. Wir haben uns gefragt: Was ist das letzte Detail, das uns weiterbringt? Wir haben in dieser Saison mit dem Sportpsychologen Rutger Nagel jemanden gefunden, von dem wir super begeistert sind. Von ihm haben wir viel Input bekommen, über Fragen, über die wir uns noch keine Gedanken gemacht hatten. In der Vorbereitung auf das Finale haben wir deshalb nichts extra gemacht, sondern den Rhythmus beibehalten: Was uns bis hierher gebracht hat, hat uns erfolgreich gemacht. Wir müssen nicht mehr tun. Wir sind nicht mehr das Team, das so oft gegen die Unicorns verloren hat. Das haben wir offensiv thematisiert und sind damit auch einen neuen Weg gegangen. Das hat auch mich persönlich weitergebracht.
Der Verein hat 2018 die letzte Vertragsverlängerung für weitere zwei Spielzeiten mit Ihnen öffentlich gemacht. Die sind jetzt um. Haben Sie noch einen weiterführenden Vertrag?
Ich glaube, das haben wir nicht publik gemacht, ich habe einen laufenden Kontrakt. Ich bin hier schon beim besten Team in Europa. Ich freue mich, hier jeden Tag auf den Platz zu kommen.
Also sehen Sie sich auch mit dem Gewinn des German Bowls nicht am Ende Ihres Weges mit den Monarchs?
Ich habe hier noch nicht alles erreicht, was möglich ist. Wir wollen die Monarchs noch bekannter machen, damit noch mehr Zulauf zur Jugend und den Cheerleadern kommt. Wir wollen noch mehr Leute ins Stadion locken. Die Einzelperson ist immer das Wichtigste bei uns im Team, aber niemand ist wichtiger als das Team. Wir sind hier wie eine Gesellschaft und haben zusammen noch ganz viele Ziele zu erreichen. Ein German Bowl ist nett, warum gewinnen wir nicht einfach mehr und machen eine Serie daraus?
Wie weit ist Europas beste Footballmannschaft vom Niveau in der amerikanischen NFL entfernt?
Das ist eine andere Galaxie, das kann man nicht miteinander vergleichen. In der NFL spielen Vollprofis, die seit Jahren nichts anderes tun, als auf dem höchsten Level zu trainieren. Wir trainieren zwei- bis dreimal in der Woche, unsere Spieler müssen arbeiten gehen. Die können sich nicht darauf konzentrieren, ihren Körper in Schuss zu bekommen, aber sie probieren ihr Bestes. Wir müssen uns nicht mit der NFL vergleichen, wir sind auf einem tollen Level für Europa. Noch nicht da, wo wir hinwollen, aber es ist was Besonderes, ein solches Finale im Frankfurter Stadion spielen zu können. Darauf bin ich stolz.
Bleibt das Meisterteam zusammen?
Die Hoffnung habe ich immer, das wird sich jetzt alles zeigen. Jetzt feiern wir eine Woche, dann gehen wir die Planung für die Zukunft an. Wir werden Meisterringe bestellen, ähnlich wie in der NFL. Die Tradition will ich gern hier einführen.
Das Gespräch führte Alexander Hiller.