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Der neue Turn-Bundestrainer erinnert an den "Fall Frehse"

Die neuen Cheftrainer im deutschen Turnen stehen fest. Vor allem der Mann für die Frauen ist umstritten und dürfte in Chemnitz für Diskussionen sorgen.

Von Michaela Widder
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Gerben Wiersma war erfolgreicher Trainer in Holland, aber auch in der Kritik.
Gerben Wiersma war erfolgreicher Trainer in Holland, aber auch in der Kritik. © picture alliance, ANP, Marco de Swart

Frankfurt/Main. Der bisherige Olympia-Trainer Valeri Belenki und der Niederländer Gerben Wiersma werden neue Turn-Bundestrainer. Wie der Deutsche Turner-Bund (DTB) am Montag auf einer Online-Pressekonferenz bekannt gab, sollen der frühere Olympiasieger und der ehemalige niederländische Auswahltrainer die Turnriegen der Männer und Frauen zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris führen. Der 52-jährige Belenki war bereits seit August 2020 als Nachfolger von Andreas Hirsch bis zum Ende des vorigen Jahres Interims-Bundestrainer für die Männer. Vor allem aber die Personalie Wiersma könnte für Diskussionen sorgen – nicht nur in der Chemnitzer Turnerszene.

Der 44-Jährige tritt an diesem Dienstag die Nachfolge von Ulla Koch an, die nach Tokio nach 16 Jahren im Amt in den Ruhestand gegangen ist. Wiersma ist kein Unbekannter und hat in seiner Heimat auch schon für negative Schlagzeilen gesorgt.

Der neue Frauen-Bundestrainer war im Frühjahr 2021 als Auswahltrainer der Niederlande zurückgetreten. Grund dafür waren Ermittlungen im Verband wegen körperlicher und emotionaler Misshandlungen. Im Zuge der Aufarbeitung sei herausgekommen, dass Wiersma vor seiner Zeit als Cheftrainer in den Jahren 2010 und 2011 in begrenzten Fällen gegen die Disziplinarordnung des Verbandes verstoßen habe, teilte der DTB mit.

Erinnerungen an den "Fall Frehse" werden wach

Sofort ist man an den jüngsten Fall im deutschen Turnen erinnert. Pauline Schäfer, die frühere Weltmeisterin am Schwebebalken, hatte ihrer langjährigen Trainerin Gabriele Frehse Ende 2020 zusammen mit weiteren Turnerinnen im Magazin Der Spiegel vorgeworfen, sie täglich beleidigt und erniedrigt zu haben.

Die später vom Olympiastützpunkt Chemnitz gekündigte Frehse bestritt das stets. Und das Arbeitsgericht Chemnitz hatte die Kündigung im Oktober für unwirksam erklärt, ihr Arbeitgeber muss sie weiter beschäftigen. Dennoch scheint eine Rückkehr in die Halle im Moment ausgeschlossen. Eine abschließende Klärung mit dem Olympiastützpunkt steht weiter aus – zumindest gibt es offiziell keinen neuen Stand, ob und wie es für Frehse weitergeht.

Rückhalt für die langjährige Trainerin gab und gibt es zwar von Eltern und etlichen jungen Turnerinnen in Chemnitz, allerdings nicht vom DTB. Deshalb überrascht nun ein wenig die Verpflichtung des Niederländers mit seiner umstrittenen Vergangenheit als neuer deutscher Cheftrainer, selbst wenn er jetzt einen Kulturwandel im Turnen vorantreiben will.

Wiersma weiß, "wie herausfordernd und wichtig der Kulturwandel ist"

Man begrüße den offenen und reflektierten Umgang von Wiersma mit den Missständen im niederländischen Turnen, meint DTB-Präsident Alfons Hölz. Wiersma habe sehr überzeugend darlegen können, wie er Leistung mit Respekt im niederländischen Turnen gelebt habe und das im deutschen Turnen erzielen wolle. "Wir sind fest davon überzeugt, dass uns seine Erfahrung helfen wird, den richtigen, respektvollen Weg einzuschlagen und zugleich international erfolgreich zu sein."

Wiersma, der sich nach den Vorwürfen selbstkritisch gab sowie auch entschuldigt haben soll, wird mit den Worten in der Mitteilung des Verbandes zitiert: "Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie herausfordernd und gleichzeitig wichtig der Kulturwandel ist und wie sensibel die Rolle der Trainer hierbei ist." Er wolle zeigen, so der Bundestrainer weiter, "dass ein respektvoller Umgang im Hochleistungssport mit jungen Athletinnen nicht nur möglich, sondern absolut notwendig ist und gleichzeitig auch erfolgreich sein kann." (mit dpa)