Dresden. Dass sich die Mannschaften nach einem Spiel, egal ob gewonnen oder verloren, in einem Kreis versammeln, bei dem der Trainer eine kurze wie emotionale Ansprache hält, ist üblich geworden im Profifußball. Nicht üblich ist, dass die Öffentlichkeit erfährt, was da gesprochen wird. Nach dem 3:1-Sieg gegen den VfB Lübeck machte Markus Kauczinski eine Ausnahme. „Ich habe den Jungs gesagt, alle warten darauf, dass wir mit unseren ganzen Verletzten und Ausfällen stolpern, dass wir nachlassen. Aber wir lassen nicht nach“, verriet Dynamos Trainer.
Ein Heimsieg gegen den Tabellenletzten löst im Normalfall keine solch impulsive Reaktion aus, doch den Normalfall gibt es beim Drittliga-Spitzenreiter schon lange nicht mehr. Schlechte Nachrichten treffen quasi im Wochenrhythmus ein, die vorerst letzte kam am Sonntag. Sie betrifft Yannick Stark, der sich im Abschlusstraining vor dem Lübeck-Spiel die Schulter ausgekugelt hatte. „Es könnte eine schlimmere Verletzung sein“, orakelte Kauczinski, als er seine Startelf – mal wieder – kurzfristig umbauen musste.
Am Montag wurde Stark untersucht, frühestens am Dienstag wird entschieden, wie die Schulter behandelt wird. „Es gibt da eine Schädigung, wir wissen nur noch nicht, wie schlimm sie ist“, fasste der Trainer die erste Schnelldiagnose zusammen. „Falls er operiert werden muss, fällt er natürlich lange aus.“
Gegen Lübeck steht eine bessere B-Elf auf dem Platz
Gegen Lübeck fehlten gleich sieben Spieler, darunter mit Sebastian Mai der Kapitän, mit Stark der Vize-Kapitän und mit Marco Hartmann der Ex-Kapitän. Es ist also nicht die zweite Reihe, auf die Dynamo gerade verzichten muss. Sehr überspitzt formuliert, steht da derzeit eine bessere B-Elf auf dem Platz.
Die Umschreibung drängt sich zumindest auf, wenn man sich die Ausfall-Liste näher anschaut. Bei Chris Löwe, der schon in der Bundesliga und Premier League spielte und seit Mitte Oktober an einem Außenbandriss und einer Knochenprellung im linken Knie laboriert, ist ungewiss, ob er in dieser Saison überhaupt noch mal zum Einsatz kommt. Dass dies unmöglich ist, steht bei Robin Becker, der nach einem Kreuzbandriss Ende Januar operiert wurde, bereits fest. Bei Patrick Weihrauch war eine OP am Sprunggelenk nötig, er fehlt seit Anfang des Jahres, wann er zurückkehrt, ist offen. Bei Marco Hartmann war dies für Anfang Februar geplant, das Comeback wurde bereits zweimal verschoben. Das Knochenmarködem im Knie erlaubt seit Anfang Dezember keine Einsätze mehr. Und dann brummte gegen Lübeck neben Mai noch Ransford-Yeboah Königsdörffer eine Sperre ab. Er dürfte am Sonntag beim FSV Zwickau wieder spielen, Mai muss noch einmal zuschauen.
„Diese ganzen Verletzungen waren schon Nackenschläge“, meint Stürmer Christoph Daferner, der gegen Lübeck ein Tor geschossen und eins vorbereitet hatte. „Es ist nicht so einfach aufzustehen, wenn einer nach dem anderen wegbricht.“ Nach dem Jahreswechsel und den Niederlagen bei Türkgücü München und in Mannheim schien es auch so, als würde Dynamo aus dem Tritt kommen. Die Siege gegen die Abstiegskandidaten Magdeburg und Lübeck waren deshalb nicht nur für die Tabelle wichtig, sondern auch für die Stimmungslage in der Mannschaft. Und sie erklären den etwas martialischen Vergleich, den Kauczinski nach dem 3:1 benutzte. „Wir haben wieder einen Angriff abgewehrt“, sagte er, meinte nicht eine bestimmte Szene im Spiel, sondern die allgemeine Lage.
Drei Neuzugänge als Reaktion auf die Ausfälle
Paul Will findet es „beeindruckend, dass wir uns kein Bein stellen lassen“, und Daferner hat dafür auch eine Erklärung: „Wir haben bei jedem Training eine gute Qualität drin. Deshalb ist es eigentlich egal, wer spielt.“ Anders formuliert: Die Ausgeglichenheit des Kaders ist Dynamos Stärke.
Nach den Ausfällen von Löwe und zuletzt Weihrauch sowie Becker schien das aber nicht mehr zu funktionieren. Deshalb justierte der Verein nach, verpflichtete Leroy Kwadwo und Heinz Mörschel, holte Niklas Kreuzer zurück. Das Trio stand gegen Lübeck in der Startelf – und überzeugte. Kreuzer schoss bei seinem Comeback sogar ein Tor, Paul Will, der den verletzten Stark vertrat, sein erstes für Dynamo.
Will wird diese Rolle wohl noch länger ausfüllen. Auch wenn bei Stark noch keine genauere Prognose möglich ist, droht ein Zugang auf der Liste der Langzeitverletzen. Das legt zumindest die Leidensgeschichte von Justin Löwe nahe. Der hatte sich kurz vor dem Saisonstart die Schulter ausgekugelt und musste operiert werden. Drei Monate später gehörte er erstmals wieder zum Kader. In drei Monaten, also Mitte Mai, endet die Saison bereits.
Kauczinski wird versuchen, auch diese schlechte Nachricht in eine Trotzreaktion zu wandeln. „Wir stolpern nicht, wir lassen nicht nach“, hatte er im Kreis gerufen. Es könnte das neue Saisonmotto werden.
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