Hansi Flick atmete erleichtert auf und klatschte Sportvorstand Hasan Salihamidzic ab. Das Krisengerede bei Bayern München ist erst einmal verstummt, mit dem mühevollen 2:1 gegen den formstarken SC Freiburg hat sich der Titelverteidiger vorzeitig die Hinrunden-Meisterschaft gesichert. Doch von der alten Dominanz waren die Münchner nach zwei Niederlagen noch immer weit entfernt, am Ende geriet der Sieg sogar noch in Gefahr.
Freiburgs Joker Nils Petersen traf in der Nachspielzeit die Latte, nicht nur die Nerven von Bayern-Coach Flick lagen da blank. „Es war ein Arbeitssieg. Von der Spielweise können wir uns steigern. Es ist klar, dass nicht alles von alleine geht. Am Ende haben wir gezittert“, sagte Verteidiger Jerome Boateng. „Wir hatten viele Torchancen gehabt. Die drei Punkte waren verdient und aufgrund der anderen Ergebnisse sehr wichtig“, sagte Leon Goretzka.
Der von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge eingeforderte Pressing-Stil aus der Triple-Saison war zumindest phasenweise wieder zu erkennen. Zu der Form, die ihnen Trophäen in Serie gebracht hatte, fehlte den Bayern aber ein großes Stück. Trotzdem reichte es, um nach der Niederlage in Mönchengladbach und der Pokal-Blamage beim Zweitligisten Kiel den Vorsprung auf RB Leipzig auf vier Punkte auszubauen.
RB Leipzig: Jagen sie die Bayern oder nicht?
Wobei das Bemerkenswerte beim Verfolger ist: Man kriegt nicht so genau mit, ob sie überhaupt jagen oder nicht. Selbst der ehrgeizige RB-Trainer Julian Nagelsmann sagte nach dem vermeidbaren 2:2 beim VfL Wolfsburg: „Ich thematisiere nicht das Bayern-Jagen, sondern unser eigenes Punkte-Sammeln.“ Und genau das ist im Moment ein Problem.
Denn seit der Tabellenführer aus München seit Ende November für jedermann sichtbar ungewohnte Schwächen zeigt, haben die Leipziger selbst eine Menge Punkte liegen gelassen. Beim 1:3 gegen Borussia Dortmund spielte der Tabellenzweite kaum Chancen heraus. Beim 2:2 in Wolfsburg war nun wie schon beim 0:0 gegen den 1. FC Köln das Problem, viel zu viele Chancen nicht genutzt zu haben.
Was auch immer die Ursache ist, das oberste Credo aller Bayern-Jäger lautet immer noch: „Wenn die Bayern schwächeln, müssen die anderen Mannschaften da sein.“ Nagelsmann selbst hat das 2019 nach seinem Wechsel zu RB so gesagt. Allein: „Da“ sind im Moment weder die Leipziger, noch die Dortmunder und schon gar nicht Bayer Leverkusen, die noch vor einem Monat als Tabellenführer in ihr Spiel gegen Bayern München (1:2) gingen.
Über einen langen Zeitraum beständig Höchstleistungen zu bringen, ist die Voraussetzung, um eine Erfolgsmaschine wie den FC Bayern stoppen zu können. Der Umgang mit Erfolg, der Umgang mit Belastungen: Darin haben die Münchner den Leipzigern eine jahrelange Erfahrung voraus. Deren fehlende Beständigkeit zeigte sich in Wolfsburg schon während einer einzigen Partie.
„Wir hatten leider wieder 30 Minuten drin, in denen wir nicht auf unserem höchsten Level gespielt haben“, sagte Torwart Peter Gulacsi. In denen erzielte der VfL beide Treffer. „Das können wir uns in der Bundesliga nicht erlauben. Vor allem nicht, wenn wir oben mitspielen wollen.“
Hinzu kommt: Unter Nagelsmann schafft es der Champions-League-Teilnehmer zu selten, gegen andere Spitzenteams zu gewinnen. Drei Unentschieden und zwei Niederlagen ist in dieser Saison bislang die Bilanz aus den Spielen gegen Bayern, Dortmund, Leverkusen, Wolfsburg und Mönchengladbach. Bereits in der vergangenen Saison gewann RB von den zehn Duellen mit diesen fünf Teams nur eines. „Das nervt, das stimmt“, sagte Sportdirektor Markus Krösche über diesen Makel.
Dortmund verschenkt Punkte gegen die "Kleinen"
Die Dortmunder verschenken dagegen regelmäßig Punkte gegen die vermeintlich Kleinen der Liga. Untröstlich senkte Marco Reus den Kopf. Dass die Borussia schon wieder vollkommen unnötig gepatzt hatte, nahm der Kapitän auf seine Kappe. „Ich muss mich bei der Mannschaft entschuldigen“, sagte Reus nach seinem peinlichen Elfmeter-Fehlschuss neben das Tor: „Ich hätte das Spiel entscheiden oder es in die richtige Richtung bringen können.“
So stand ein 1:1 gegen Abstiegskandidat FSV Mainz 05, das nicht nur zu wenig war, sondern auch Ausdruck einer Schwäche, die den BVB immer wieder heimsucht – wie gegen den VfB Stuttgart (1:5), den 1. FC Köln (1:2) und Union Berlin (1:2). Vermeintlich klar unterlegene Gegner stark zu machen, gehört zu den Kennzeichen dieser in höchstem Maße talentierten, aber viel zu inkonstanten Mannschaft.
„Es ist unglaublich“, schimpfte der einzige Dortmunder Torschütze Thomas Meunier. „So oft haben wir die Chance, Zweiter, Dritter, Erster zu werden. Und immer kommen dann solche Spiele.“ Problem erfasst. Doch: Wie lässt es sich abstellen? (sid/dpa)