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So will Flick die Nationalelf reformieren

Hansi Flick soll den deutschen Fußball aus der Krise führen. Dafür kündigt der neue Bundestrainer eine „All-in-Mentalität“ an.

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Hansi Flick präsentierte sich am Dienstag in Frankfurt als neuer Bundestrainer.
Hansi Flick präsentierte sich am Dienstag in Frankfurt als neuer Bundestrainer. © DFB

Von Frank Hellmann

Frankfurt. Es hätte kaum einen besseren Ort als den Rohbau der künftigen Trainerlounge von Hansi Flick und Kollegen im zweiten Stock der neuen DFB-Akademie mit Blick auf die noch nicht angelegten Rasenflächen geben können, um den Bundestrainer der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der neue Architekt kam mit einem schlüssigen Plan und neuem Personal – und nach 90 Minuten war klar, dass das Aushängeschild A-Nationalmannschaft keiner Revolution, wohl aber einer Reform unterzogen wird, die es eigentlich schon nach der vermasselten WM 2018 hätte geben müssen.

Groß vorstellen musste sich der beim FC Bayern fast maximal erfolgreich arbeitende Fußballlehrer im Grunde nicht, aber es konnte nicht schaden, dass der in München nach internen Reibereien mit dem Sportdirektor Hasan Salihamidzic ausgeschiedene 56-Jährige mal klarstellte, was die neue Aufgabe reizvoll macht: „Man kann die Spieler auswählen, das ist eine gute Sache.“

Souveräne Qualifikation zur WM 2022 wird erwartet

Der langjährige Assistent unter Joachim Löw schaffte es, seinem Vorgänger einerseits Komplimente zu machen, andererseits aber auch klar festzuhalten, dass die vergangenen drei Löw-Jahre eben nicht der Anspruchshaltung der Fußball-Nation entsprachen. Dass von ihm mehr als nur eine souveräne Qualifikation für die WM 2022 in Katar erwartet wird, weiß der ehemalige DFB-Sportdirektor: „Wer mit den besten Spielern Deutschlands arbeiten darf, da sind die Erwartungen groß.“

Die längst nicht mehr in den Top Ten der Fifa-Weltrangliste geführte DFB-Auswahl wird mit dem bis 2024 gebundenen Bundestrainer gewiss zielgerichteter als unter dem nach 15 Jahren am Ende arg erschlafften Löw arbeiten. Flick erwartet von seinen Nationalspielern nicht weniger als eine „All-in-Mentalität“. Das bedeute für ihn, „dass man alles gibt, um als Sieger vom Platz zu gehen. Das werden wir vorleben, wir alle.“

Damit meinte der bestens erholt wirkende Bundestrainer, im blütenweißen Hemd erschienen, jene Helferschar, die sich uniform sportlich in schwarzen T-Shirts erst am Stehtisch, später auch am Podium um ihn gruppierten.

Herrmann Gerland folgt Flick zum DFB und wird Scout

Einziger Überlebender aus der Löw-Ära ist Co-Trainer Marcus Sorg, den Flick unbedingt dabei haben sollte. Neu im Stab sind dessen aus München geschätzter Zuarbeiter Danny Röhl, der zunächst in einer Doppelfunktion für den SC Freiburg und DFB arbeitende Schweizer Andreas Kronenberg als Torwarttrainer und der als Spezialist für Standardsituationen geholte Däne Mads Buttgereit („beim ersten Anruf habe ich gedacht, da verarscht mich jemand“).

Und dann sind da noch der Weltmeister Benedikt Höwedes, der ins Teammanagement eingearbeitet wird, und Urgestein Hermann Gerland, der als Scout eingebunden werden soll. Frische Expertise von außen, auch mit dem internationalen Blickwinkel, erscheint elementar, um diesem Team wieder mehr Leben einzuhauchen und sich souverän für die WM in Katar zu qualifizieren.

Der Weg in die Wüste ist mit Pflichtaufgaben gepflastert: Flick wird am 26. August seinen ersten Kader nominieren, der sich drei Tage später für die WM-Qualifikationsspiele gegen Liechtenstein (2. September), Armenien (5. September) und Island (8. September) in Stuttgart versammelt.

Sehr gute Chancen für Müller, Hummels und Reus

Generell würden von ihm altersunabhängig die „besten Spieler“ nominiert. Auch die Ü30-Generation wird vom Heidelberger nicht ausgesperrt: In Richtung Mats Hummels und Thomas Müller hieß es: „Wenn sie Topleistungen abrufen, dann sind sie Teil dieser Mannschaft.“ Zudem läuft alles auf eine Rückholaktion von Marco Reus hinaus, den Flick als „einen der besten Bundesligaspieler im letzten Drittel“ pries.

Seine bevorzugte Spielphilosophie, erklärte er ohne jeglichen Anflug von Überheblichkeit, habe man ja bei den Bayern gesehen: „Wir wollen die Initiative ergreifen, früh attackieren, hohe Ballgewinne.“ Generell soll und will der Teamplayer Flick („Erfolg hat, wer andere erfolgreich macht“) für den ganzheitlichen Ansatz mit deutlich mehr Präsenz in Frankfurt aufwarten.

Obgleich er zwar Wünsche für die Trainerkabine auf dem DFB-Campus vortrug, bestand er nicht auf einem Zimmer oder Bett neben der Trainerlounge, um hier gleich notfalls nach langen Arbeitstagen noch übernachten zu können. An seiner Motivation muss aber niemand zweifeln: „Ich bin wirklich heiß, mich hier einzubringen.“