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DFB-Boss Fritz Keller sorgt für Nazi-Eklat

DFB-Präsident Keller vergleicht Vize Rainer Koch mit einem Nazi-Richter. Er will sich schnell mit seinem Vize versöhnen – schließt einen Rücktritt aber aus.

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Der Deutsche Fußball-Bund muss mitten in seiner Führungskrise auch noch eine Entgleisung seines Präsidenten Fritz Keller verteidigen.
Der Deutsche Fußball-Bund muss mitten in seiner Führungskrise auch noch eine Entgleisung seines Präsidenten Fritz Keller verteidigen. © Federico Gambarini/dpa

DFB-Präsident Fritz Keller hofft nach seiner verbalen Entgleisung auf eine zeitnahe Versöhnung mit seinem Vizepräsidenten Rainer Koch und will weiter an seinem Amt festhalten. "Einen Rücktritt schließe ich aus", sagte der 64-Jährige der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag.

Er habe mit seiner Bemerkung Richtung Koch in der Präsidiumssitzung am Freitag "einen schwerwiegenden Fehler begangen", sagte Keller zudem in einer vom DFB am Dienstag veröffentlichten Mitteilung. "Ich ging davon aus, dass er meine Entschuldigung, um die ich ihn schriftlich und am Telefon gebeten habe, umgehend annehmen würde. Diese Einschätzung war, wie aus seiner gestrigen schriftlichen Antwort an mich hervorging, falsch. Ich bedauere, dass nach meinem gestrigen Statement ein anderer Eindruck entstanden ist."

Die verbale Entgleisung Kellers hat im deutschen Sport Entsetzen ausgelöst. "Ich habe einen Fehler gemacht, aber ich werde die Aufräumarbeiten, für die ich zum DFB geholt und mit 100 Prozent der Stimmen auf dem Bundestag gewählt wurde, zu Ende führen", sagte der 64 Jahre alte Freiburger der "Bild"-Zeitung.

Keller hatte seinen Vizepräsidenten Koch bei einer Präsidiumssitzung am vergangenen Freitag nach übereinstimmenden Berichten von "bild.de" und "Der Spiegel" mit Nazi-Richter Roland Freisler verglichen. Der Deutsche Fußball-Bund äußerte sich nicht zu Einzelheiten, bestätigte aber die Entschuldigung Kellers. Entgegen den Aussagen des Verbandschefs hat Koch die Entschuldigung bisher jedoch nicht angenommen.

Entsetzen und völliges Unverständnis

Während sich die Deutsche Fußball Liga (DFL) als Dachorganisation der 36 Proficlubs am Dienstag zunächst nicht äußerte, reagierte das Präsidium des Süddeutschen Fußball-Verbandes (SFV) "mit Entsetzen und völligem Unverständnis" auf die Wortwahl Kellers. "Dies ist eine Äußerung, die völlig inakzeptabel ist (...)", heißt es in einem Schreiben, dass auch von DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann unterschrieben ist. Gerade als langjähriger Richter am Oberlandesgericht München sei es völlig abwegig, Koch "auch nur ansatzweise in die Nähe des höchsten Repräsentanten der unsäglichen und menschen-verachtenden Willkürjustiz des Dritten Reiches zu rücken".

Der 1945 gestorbene Freisler war als Teilnehmer an der Wannseekonferenz einer der Verantwortlichen für die Organisation des Holocaust und später Präsident des berüchtigten Volksgerichtshofes, wo er etwa 2.600 Todesurteile verhängte. Darunter auch gegen die Widerstandsgruppe "Weiße Rose".

Koch äußere sich nicht zum gesamten Vorgang, hieß es am Dienstag auf dpa-Anfrage vom Bayerischen Fußball-Verband (BFV). "Rainer Koch hat die Entschuldigung bislang nicht angenommen, weil er den gesamten Vorgang mit zeitlichem Abstand zunächst in einem persönlichen Gespräch mit Fritz Keller aufarbeiten möchte." Nach dpa-Informationen haben die beiden inzwischen telefoniert, Koch bat Keller dabei, dass der DFB-Boss ihm die Entschuldigung schriftlich zukommen lasse.

Solche "Vergleiche sind nicht entschuldbar"

Keller hatte hingegen erklärt, dass er sich schriftlich bei Koch (62) entschuldigt und dieser "die Größe" gehabt habe, "die Entschuldigung anzunehmen". In der vom DFB bestätigten Erklärung sagte Keller zudem: "Manchmal fallen in Kontroversen Worte, die nicht fallen sollen und nicht fallen dürfen (...). Insbesondere auch im Hinblick auf die Opfer des Nationalsozialismus war der Vergleich gänzlich unangebracht. Ich bedauere dies sehr und werde meine Worte künftig weiser wählen."

Auch bei der Vorsitzenden des Sport-Ausschusses im Deutschen Bundestag, Dagmar Freitag, stieß das Verhalten Kellers auf völliges Unverständnis. "Unabhängig davon, dass ich den Kontext nicht kenne, in dem die wohl unbestrittene Äußerung von DFB-Präsident Keller gefallen ist: Vergleiche mit einem der furchtbarsten Richter der Nazi-Zeit sind nicht entschuldbar", sagte die SPD-Politikerin.

Der Gastronom und Winzer Keller wurde im September 2019 beim DFB zum Nachfolger von Reinhard Grindel gewählt. Die jetzige DFB-Spitze gilt schon länger als zerstritten, seit Monaten tobt ein Machtkampf zwischen Keller und Generalsekretär Friedrich Curtius, der den Vorfall "Spiegel"-Angaben zufolge bei der Ethikkommission des Verbandes angezeigt hat.

Der DFB ist zudem seit Jahren durch Führungsschwäche, anhängige Steuerermittlungen und den immer noch nicht vollständig aufgeklärten "Sommermärchen"-Skandal um die WM 2006 geschwächt. Ein vorgezogener DFB-Bundestag bereits im Spätsommer dieses Jahres mit Neuwahlen, die eigentlich erst 2022 anstehen, ist ohnehin im Gespräch, da die Amateurvertreter gegen das Chaos an der Spitze immer mehr aufmucken. (dpa)