Von Frank Hellmann
München. Das Olympiastadion von Kiew hatte sich am 30. Juni 2012 fein herausgeputzt, an der Fassade waren bereits die Hinweise aufs Finale zwischen Spanien und Italien angebracht, auf dem Vorplatz wehten die bunten Flaggen der EM-Teilnehmer sanft im Wind, als der europäische Verband Uefa zur großen Abschlusspressekonferenz bat.
Mit dem damaligen Präsidenten Michel Platini, dem smarten Strippenzieher, der bereits die nicht unumstrittene Vergabe nach Polen und in die Ukraine orchestriert hatte. Klar war zu diesem Zeitpunkt nur: Die EM 2016 würde in Platinis Heimat Frankreich ausgerichtet.
Dann kam der einstige Spielmacher mit einer fixen Idee um die Ecke: „Wir können in zwölf Städten in einem Land spielen, aber auch in zwölf Städten in ganz Europa“ Viele Funktionäre wirkten damals genauso überrumpelt wie die Journalisten. Ein Gewitter kritischer Fragen prasselte auf Platini ein.
Von Amsterdam bis Sevilla - Die elf Stadien der Fußball-EM
Doch dieser Vorstoß war noch besser vorbereitet als jener Freistoß, mit dem der filigrane Franzose sein Land 1984 im Endspiel gegen Spanien zum EM-Titel geschossen hatte. Im Hintergrund war längst abgeklopft, dass vor allem osteuropäische Nationen eine große Chance witterten, so mal in den Genuss einer EM-Ausrichtung zu kommen.
Daher ist es kein Zufall, dass Budapest, Baku und St. Petersburg, das kürzlich die dem Standort Dublin entzogenen Gruppenspiele übernahm, sowie Bukarest jetzt unter den elf Ausrichterstädten auftauchen.
Brüssel nicht in der Lage, taugliches Stadion zu bauen
Zwar fanden Fans wenig Gefallen, quer durch Europa zu reisen, aber weil Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz keine größere Rolle spielten, beschloss das Uefa-Exekutivkomitee das paneuropäische Turnier. Verkündet übrigens vom heutigen Fifa-Präsidenten Gianni Infantino, der für solche Expansionspläne schnell zu haben war.
Bewerber gab es genug – am Anfang die Hälfte der 54 Uefa-Mitgliedsverbände –, auch wenn ein bisschen peinlich war, dass sich Europas Hauptstadt Brüssel nicht in der Lage sah, rechtzeitig ein taugliches Stadion zu bauen.
Ansonsten entstanden die nötigen Schmucktempel im Osten schnell, in München, London, Rom, Amsterdam, Kopenhagen, Glasgow oder jetzt noch Sevilla waren sie ohnehin vorhanden – da reichten kosmetische Korrekturen.
Als Alexsander Ceferin den Uefa-Vorsitz übernahm – Platini war kurz vor seinem Heimturnier über Ethikverstöße gestürzt – vermied der Slowene, das Event dann wieder gesundzuschrumpfen, obwohl ihn inzwischen einige Zweifel plagten.