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Wie die Fußballerinnen auch in Dresden begeistern

Die deutschen Fußballerinnen wollen beim Länderspiel gegen Frankreich vor einem fast ausverkauften Stadion in Dresden die EM-Begeisterung nutzen. Und sie wissen auch, wie das gelingt.

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Die deutschen Fußballerinnen scheinen beim Abschlusstraining vor dem Länderspiel gegen Frankreich sichtlich Spaß zu haben.
Die deutschen Fußballerinnen scheinen beim Abschlusstraining vor dem Länderspiel gegen Frankreich sichtlich Spaß zu haben. © dpa/Robert Michael

Von Frank Hellmann

Dresden. Wie in einem harmonischen Ensemble ein Rädchen ins andere greift, haben die deutschen Fußballerinnen gerade erst bei einer Führung durch die Semperoper bewundert. Sie haben am Dienstag den Musikern und Tänzern beim Aufwärmen zugesehen, einen Blick hinter die Kulissen geworfen und dabei gesehen, was für eine gelungene Aufführung alles veranlagt wird. Solch Anschauungsunterricht kann nicht schaden, wo der Vize-Europameister für das Freundschaftsspiel gegen Frankreich in Dresden doch selbst eine größere Bühne betritt.

Für die Neuauflage des EM-Halbfinals am Freitagabend im Rudolf-Harbig-Stadion sind 24.500 Karten verkauft, Stehplatztickets an den Tageskassen aber noch erhältlich. Die Live-Übertragung zur besten TV-Sendezeit, Anstoß ist um 20.30 Uhr, dürfte außerdem ein Millionenpublikum an den Fernseher locken. Damit werden zentrale Forderungen erfüllt, die die Frauen im Zuge der erfolgreichen Europameisterschaft erhoben hatten.

Zuschauer in der Bundesliga bestätigen EM-Euphorie

Es geht um mehr Sichtbarkeit, um mehr Anerkennung – und damit dauerhaft ein größeres Publikum. Bei Länderspielen, aber auch in der Bundesliga. Die Rekordkulisse beim Eröffnungsspiel bei Eintracht Frankfurt mit 23.200 Zuschauern war ein erstes Ausrufezeichen, an den ersten beiden Bundesliga-Spieltagen kamen mit 47.238 Fans mehr als in der Hinrunde der Vorsaison. Der karge Besucherschnitt von bislang 811 dürfte Vergangenheit sein.

Die EM hat jenen Impuls gegeben, der eigentlich von der Heim-WM 2011 ausgehen sollte – der aber in Deutschland komplett verpuffte. „Die EM-Euphorie konnte mitgenommen werden, das sieht man anhand der Zuschauerzahlen“, meint Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Die 54-Jährige ist erfreut über das positive Feedback der Fans. „Wir sind sichtbar, sie kennen die Namen, sie erkennen die Spielerinnen und das ist eine tolle Entwicklung“, sagt sie. Es sei nun wichtig, nicht nachzulassen. Das gilt für alle Seiten.

Dass die Bundestrainerin aber am Vortag davon sprach, sich „nicht uneingeschränkt freuen zu können“, hatte damit zu tun, dass Giulia Gwinn beim Trainingsunfall mit dem Verdacht auf Kreuzbandriss abgereist ist, wie Voss-Tecklenburg verriet. Ein herber Rückschlag für die Verteidigerin, die diese Verletzung schon mal erlitten hat. Nähere Untersuchungen müssen die genaue Diagnose bringen. „Deshalb habe ich gespaltene Gefühle“, sagte die Bundestrainerin, die gegen die spielstarken Französinnen mit Marina Hegering (Fußverletzung), Sara Däbritz (Sprunggelenk) und Lina Magull (Corona-Infektion) weitere EM-Stützen ersetzen muss.

Blick geht in Richtung WM 2023

Nun aber können sich diejenigen zeigen, die schon in England gerne mehr Spielanteile gehabt hätten. „Wir haben Potenziale und können noch weitere Schritte machen“, sagt Voss-Tecklenburg mit Blickrichtung zur WM 2023 in Australien und Neuseeland. Der Traum: Am 20. August 2023 glückt in Sydney beim WM-Finale, was beim EM-Endspiel in Wembley nicht gelang. Für weitere Fortschritte helfen hochkarätige Testmöglichkeiten, die mehr bringen als freudlose Qualifikationsspiele.

Im nächsten Monat steht daher ungeachtet der Terminfülle eine Reise in die USA an, um zweimal gegen die Weltmeisterinnen anzutreten. Fürs Frühjahr nächsten Jahres sind bereits weitere Vergleiche gegen Topgegner in Vorbereitung – vielleicht kommt es zum Duell gegen Europameister England, dann auf deutschem Boden. Die Welle kann nur auf dem obersten Level geritten werden.

Es gibt aktuell kaum eine Nationalspielerin, die nicht von der gestiegenen Popularität im direkten Umfeld in irgendeiner Form profitiert. „Die EM hat extrem viel ausgelöst. Dass wir so eine Euphorie schüren konnten, hatten wir ja noch nie. Das ist für uns die größte Wertschätzung“, bekräftigt Edeltechnikerin Linda Dallmann.

DFB auf Boom an der Basis nicht vorbereitet

DFB-Kapitänin Alexandra Popp, die den Doppelpack anbrachte, der in der englischen Planstadt Milton-Keynes das umkämpfte Halbfinale entschied, stört sich nur daran, dass Verband und Vereine offenbar auf den Boom an der Basis nicht vorbereitet waren. Daran übt die 31-Jährige, die merkwürdigerweise nun schon wiederholt mit einem Karriereende vor der WM kokettiert hat, offen Kritik. Der DFB hat 50.197 Erstregistrierungen bei den Mädchen verzeichnet – und damit gar nicht gerechnet. Es fehlt in den Ballungsräumen an Personal, Plätzen und Kapazitäten.

Das wachsende Interesse am Frauen- und Mädchenfußball bekräftigt eine Studie, die die ehemalige Schweizer Nationalspielerin Bettina Baer für den DFB anfertigte. Demnach gibt es 39,7 Millionen Fußball-Interessierte in Deutschland, von denen 19 Millionen sowohl den Fußball der Männer als auch der Frauen verfolgen würden. Die Zahl dürfte in absehbarer Zeit noch steigen. Das wichtigste Zugpferd bleibt dabei ein erfolgreiches Frauen-Nationalteam, das am besten schon im Rudolf-Harbig-Stadion wieder Harmonie ausstrahlt.

TV-Tipp: Die ARD überträgt das Länderspiel live.