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2:1-Party in Dresden - ein Abend für EM-Heldinnen

Beim Länderspiel im fast ausverkauften Harbig-Stadion will sich Frankreich für das Halbfinal-Aus revanchieren, nur steht es am Ende wieder 2:1 für Deutschland. Die Stimmung ist prächtig, doch es bleibt viel zu tun. Sagt auch Sachsens Fußballchef.

Von Tino Meyer
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Sie haben gut lachen. Deutschland gewinnt mit 2:1 gegen Frankreich - und Alexandra Popp (rechts) freut sich nach ihrem Treffer zum 2:0 mit Sydney Lohmann (links) und Felicitas Rauch.
Sie haben gut lachen. Deutschland gewinnt mit 2:1 gegen Frankreich - und Alexandra Popp (rechts) freut sich nach ihrem Treffer zum 2:0 mit Sydney Lohmann (links) und Felicitas Rauch. © dpa/Robert Michael

Dresden. Ist das noch Hype oder schon ein Stück weit Normalität? Fakt ist, so viele Zuschauer hat diese Saison nicht mal Dynamo ins Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion gelockt. Knapp 27.000 sind am Freitagabend gekommen, um das erste Heimspiel der Europameisterinnen der Herzen nach dem Turnier in England zu sehen – und den 2:1-Sieg gegen Frankreich.

Eigentlich haben die deutschen Fußballerinnen das Finale bei der EM ja knapp gegen die Gastgeberinnen verloren, so dass sie korrekterweise als Vize-Europameisterinnen firmieren. Aber angesichts der neuen deutschen Frauenfußball-Euphorie, die das Team von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg mit seiner erfrischenden Spielweise verbunden mit dem sympathisch-offenen Auftreten ausgelöst hat, dürfen sie sich tatsächlich auch als Gewinnerinnen fühlen.

Gut zwei Monate ist das jetzt her, und die Woge der Begeisterung hält unvermindert an. Dabei ist der große Zuspruch in Dresden fast zu erwarten gewesen, ganz unabhängig vom auch in den vergangenen Tagen zu spürenden Interesse hier in der Stadt sowie dem erstklassigen Gegner Frankreich. Schon vor elf Jahren, als die Frauen-WM in Deutschland stattgefunden hat, erwies sich Dresden als Top-Standort. Mit vollem Stadion. Und neugierigem, fachkundigem sowie begeisterungsfähigem Publikum.

Wie im EM-Halbfinale erzielt Popp beide deutsche Tore

Das ist auch diesmal so – bei der Neuauflage des EM-Halbfinals gegen die Französinnen, die ihrerseits sichtlich daran interessiert sind, sich für das Ausscheiden am 27. Juli zu revanchieren. 2:1 gewann die deutsche Mannschaft an jenem Mittwochabend in Milton Keynes, und die beiden Torschützinnen sind auch diesmal dabei: Deutschlands Kapitänin Alexandra Popp, die zweimal traf, sowie die deutsche Torfrau Merle Frohms. Der zwischenzeitliche Ausgleich Frankreichs wurde als ein Eigentor von ihr gewertet. Übrigens, das EM-Spiel sahen 27.445 Zuschauer. Beim Testkick am Freitagabend in Dresden sind es exakt 26.835.

„Viel Zuspruch und ein kleiner Hype – das zeigt die Zuschauerzahl. Volle Hütte im Harbig-Stadion und deutlich mehr Fans als zuletzt bei Dynamo. Da sieht man, wozu die Europameisterinnen der Herzen in der Lage sind“, meint Hermann Winkler, Chef des sächsischen Fußballverbandes und zugleich DFB-Vizepräsident.

Purer Wille: Alexandra Popp kämpft sich zum Kopfball - und erzielt das 1:0.
Purer Wille: Alexandra Popp kämpft sich zum Kopfball - und erzielt das 1:0. ©  dpa/Robert Michael

Nur verläuft das Spiel diesmal ganz anders als noch bei der EM, Frankreich ist die deutlich bessere Mannschaft mit den größeren Chancen. Das liegt zum einen an der individuellen Klasse der Gäste, zum anderen aber auch an den personellen Experimenten der Bundestrainerin. Mit Marina Hegering, Sara Däbritz, Lina Magull und seit dem Trainingsunfall am Mittwoch in Dresden auch Giulia Gwinn fehlen gleich vier Stammspielerinnen, so dass sich die Chance für die zweite Reihe bietet. Es hapert allerdings erheblich im Defensivverhalten, und der Spielaufbau holpert.

Doch die Zuschauer sind geduldig – und dankbar für jeden Ansatz von Offensivaktion wie zum Beispiel den Schuss von Popp in der 39. Minute, auch wenn der sowohl weit übers als auch weit neben das Tor geht. Jünger, weiblicher und irgendwie auch fröhlicher ist das Publikum, wobei Schwarz und Gelb auf den Tribünen auch hier überwiegt, dazu ganz viel Rot. Länderspiel gucken, schwarz-rot-goldene Fahnen schwenken und Nationalhymne singen– das ist ein Gemeinschaftsgefühl, Dy-Dy-Dy-na-mo-Rufe aus dem K-Block inklusive.

Und dann jubelt plötzlich das ganze Stadion. Nach einem Eckball von Felicitas Rauch kämpft sich Popp an ihrer Gegenspielerin vorbei zum Kopfball und trifft zum 1:0 – ein Tor des Willens. Deutsche Tugenden sind nicht nur Männersache.

Schlusspunkt einer Top-Kombination: Alexandra Popp vollendet einen sehenswerten Angriff mit einer Grätsche zum 2:0.
Schlusspunkt einer Top-Kombination: Alexandra Popp vollendet einen sehenswerten Angriff mit einer Grätsche zum 2:0. © dpa/Robert Michael

Kurz nach der Pause wird’s noch schöner. Einen sehenswerten Angriff über die eben eingewechselte Jule Brand und Svenja Huth schließt erneut Popp ab, diesmal mit einer willensstarken, kämpferisch wertvollen Grätsche. Wieder tobt das Stadion, und diesmal tanzt sogar die Bundestrainerin an der Seitenlinie.

Die klare Führung ist mehr als schmeichelhaft, aber wer fragt schon morgen noch danach. Dem 5:0 gegen Kanada im Harbig-Stadion vor zwölf Jahren folgt also ein 2:1 über die Französinnen, die in der 84. Minute mit einem sicher verwandelten Foulelfmeter von Viviane Asseyi zumindest den hochverdienten Anschlusstreffer erzielen.

Das Fazit bleibt davon unberührt: Nationalmannschaft, bitte wiederkommen. Findet auch Hermann Winkler. „Ein richtig schöner Abend, ich freue mich“, sagt er und wird tags darauf beim Verbandstag in Chemnitz den Delegierten aber auch erzählen, dass es mit dem EM-Hype allein nicht getan ist. „Die Stimmung ist wirklich positiv. In Zahlen ausgedrückt spüren wir das aber bei uns in Sachsen noch nicht“, betont Winkler, der gleichzeitig festhält, dass auch der coronabedingt vielleicht zu erwartende Einbruch ausgeblieben ist.

Die Stimmung ist prächtig, die Zuschauer fröhlich - und am Ende sehr zufrieden.
Die Stimmung ist prächtig, die Zuschauer fröhlich - und am Ende sehr zufrieden. ©  dpa/Robert Michael

42 Frauen- und 44 weibliche Nachwuchsmannschaften gibt es derzeit im Freistaat. Das sei ebenso gut wie ausbaufähig, so Winkler. „Dieses Länderspiel und die öffentliche Aufmerksamkeit wollen wir jetzt unbedingt nutzen, um weiter zu werben. Zudem haben wir mit Sonder- und Zweitspielrechten die Regeln etwas modifiziert, um keine Spielerin zu verlieren – gerade im Übergang vom Nachwuchs- in den Erwachsenenbereich“, erklärt Winkler.

In der Leistungsspitze indes fehlt es an Sächsinnen, sowohl in der Nationalmannschaft als auch an Vereinen in der Bundesliga. Doch RB Leipzig schickt sich in dieser Saison an, den angestrebten Aufstieg in die erste Liga zu vollbringen. Winkler hofft darauf, spricht vom Leuchtturm und hebt darüber hinaus weitere Zentren des Frauenfußballs speziell im Osten Sachsens heraus: Spitzkunnersdorf, Bischofswerda, natürlich auch Dresden.

Im Harbig-Stadion endet am Freitagabend um 22.21 Uhr ein stimmungsvoller Abend – mit zufriedenen Fans, zahlreichen La-Ola-Wellen, einer Bundestrainerin, die auf dem Weg zur WM im nächsten Jahr wichtige Erkenntnisse gesammelt hat, und in der Schlussphase leidenschaftlich verteidigende EM-Heldinnen, die tatsächlich angekündigt haben, wiederzukommen. Aller guten Dinge sind schließlich drei. Und auch der Besuch einer Abendveranstaltung in der Semperoper ist noch offen.