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Eine Debatte, die nicht auf Twitter passt

Der Bundeskanzler stößt mit seinem Tweet die Geld-Diskussion an, dabei geht es den deutschen Fußballerinnen bei der EM gerade eigentlich um etwas anderes.

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Sophia Kleinherne hofft, dass die Euphorie um die deutschen Fußballerinnen selbstverständlich wird.
Sophia Kleinherne hofft, dass die Euphorie um die deutschen Fußballerinnen selbstverständlich wird. ©  dpa/Sebastian Gollnow

Von Frank Hellmann

London. Es geht in diesen Tagen voran mit dem deutschen Frauenfußball. Endlich, sagen viele, die ein angenehm bodenständiges Nationalteam länger verfolgen, das sich viel zu lange hinter der enormen Medienpräsenz des Männerfußballs verstecken musste. Wie im Übrigen ja auch viele andere Sportarten in Deutschland.

Nun haben 8,02 Millionen Menschen bei der ARD das zweite EM-Gruppenspiel gegen Spanien gesehen. Spätestens zum Viertelfinale geht sicher noch mehr. Die deutsche Einwechselspielerin Sophia Kleinherne kam am Mittwoch bei der Pressekonferenz in London aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. „Das macht sehr viel mit uns. Wir möchten gesehen werden und die Bühne nutzen“, sagte die Verteidigerin von Eintracht Frankfurt.

Sie genieße gerade diese Wertschätzung und Präsenz. „Das ist das, was ich seit Jahren vermisst habe.“ Diese „Euphoriewelle“ gelte es mit nach Deutschland zu nehmen, und dann solle es bitte nicht die Ausnahme sein, „sondern zur Selbstverständlichkeit werden, dass der Frauenfußball so extrem glänzen kann“.

Wenn Sportereignisse diesen Grad an Aufmerksamkeit erreichen, binden auch Politiker gerne ihre Schleife drum. Bundeskanzler Olaf Scholz schien nur Daumendrücken wohl ein bisschen zu billig gewesen zu sein, also twitterte er seine Haltung zum Equal Pay vor dem Spanien-Spiel noch dazu: „Wir haben 2022. Frauen und Männer sollten gleich bezahlt werden. Das gilt auch für den Sport, besonders für Nationalmannschaften.“ Aha. Hört sich ja erst mal gut an. Geht aber bei vertiefender Betrachtung am Thema weiter vorbei als ein vom Spann verrutschter Schussversuch.

Wer bei der EM in Stadien, Hotels oder Pubs mit Spielerinnen, Angehörigen oder Beratern in die Debatte einsteigt, hört überall dasselbe: Das Wichtigste zuerst ist Equal Play, gleiche Bedingungen. Diesbezüglich sind die DFB-Frauen gleichberechtigt, haben dasselbe Vorbereitungscamp genutzt und dieselbe Ausstattung an Helfern und Hilfsmitteln bekommen.

Die reflexartige Forderung nach gleicher Bezahlung ist weder umsetzbar noch förderlich. Kleinhernes Frankfurter Teamkollegin, die auch ohne EM-Einsatz als Sprachrohr fungierende Laura Freigang, formuliert das so: „Ich persönlich finde, dass wir auf DFB-Ebene mit den Prämien schon auf einem sehr guten Niveau sind.“

Es gibt differenzierte Wortbeiträge der Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg – mit verschiedenen Blickwinkeln. Kurzfassung: Sie plädiert für weniger bei den Männern und ein bisschen mehr bei den Frauen. 400.000 Euro Prämie wie bei den Männern hält sie für ein Hirngespinst. Sinngemäß. Insofern hat DFB-Direktor Oliver Bierhoff verwundert reagiert und Scholz eingeladen, sich ans Zahlenstudium zu machen.

Im DFB-Finanzreport ist ja nachzulesen, dass das Frauen-Nationalteam ein kleines Minus (1,5 Millionen Euro) und die Männer-Nationalmannschaft ein dickes Plus macht (40 Millionen Euro).Ganz nebenbei: Mit der EM-Rekordsiegprämie von 60.000 Euro für seine Frauen steht der DFB im internationalen Vergleich weit oben, wie das Magazin Forbes ermittelt hat. Nicht bei jedem Verband, der die gleiche Bezahlung verkündet, ist wirklich Equal Pay drin. Deshalb ist die Thematik nicht in einem Tweet zu fassen, in dem eine Prise Populismus mitschwingt.

Natürlich sollen Fußballerinnen bald noch mehr bekommen. Es ist auch dringend nötig, über ein Mindestgehalt in der Frauen-Bundesliga nachzudenken, hat die Nationalspielerin Lina Magull vom FC Bayern angeregt, damit auch eine Spielerin beim SV Meppen professionell diesen Job ausüben kann. Das Problem der Klubs: Auf der Einnahmeseite stehen im Schnitt 1,3 Millionen Euro, auf der Ausgabenseite aber 2,5 Millionen Euro.

Das ändert sich erst, wenn Sponsoren und TV-Rechte-Inhaber bereit sind, höhere Preise zu zahlen. Dafür muss das Produkt nachgefragt werden. Das sind Prinzipien der freien Marktwirtschaft. Der Kanzler will diese sicher nicht vollends außer Kraft setzen. Er könnte aber seinen Respekt zeigen, indem er doch mal ein Frauen-Länderspiel besucht. Und nicht erst eilig nach London reist, wenn in Wembley am 31. Juli plötzlich ein Endspiel mit deutscher Beteiligung vor einem Millionenpublikum steigt, wo er dann gut ins Bild kommt.