Ein Spektakel, viele Fehler und ein Protest - so lief Dynamos Auftaktpleite

Dresden. Es war ein Spitzenspiel und ein Torspektakel - ein Auftakt nach Maß war es für Dynamo jedoch nicht. Auch das erste Spiel nach dem Abstieg verloren die Dresdner. Nach 90 Minuten mit vielen vergebenen Chancen, groben Abwehrschnitzern und einer Aufholjagd siegte 1860 München mit 4:3. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen und die ersten Reaktionen:
Im 20. Spiel in Folge kein Sieg - woran lag es?
Mal wieder an der Chancenverwertung - vor allem in der ersten Halbzeit. Das war bereits in der vergangenen Saison, die nach 19 sieglosen Spielen in Folge mit dem Abstieg endete, so und das zog sich auch durch die Vorbereitung. Am Samstag gegen 1860 schoss Dynamo nach der Pause zwar noch drei Tore, leistete sich aber zu viele Schnitzer in der Abwehr, die die Münchner eiskalt nutzten. Die Niederlage war auch deshalb ärgerlich, weil die Dresdner über die gesamten 90 Minuten die bessere Mannschaft waren. Stefan Kutschke, der sich nach überstandener Corona-Infektion rechtzeitig freitesten konnte, hatte gleich mehrere, scheiterte aber immer wieder am glänzend reagierenden Löwen-Keeper Marco Hiller. Wie schon gegen Dortmund lief er erneut allein auf den Torwart zu, traf aber nicht ins Tor (21.). Seinen Kopfball fünf Minuten später kratzte Hiller von der Linie. Ahmet Arslan zielte bei seinem 17-Meter-Freistoß ganz knapp am Pfosten vorbei (17.), Dennis Borkowski traf dann kurz vor der Pause den Pfosten, beim Nachschuss stand Arslan im Abseits, der Treffer zählte nicht. "Wir nehmen mit, dass wir in der Lage sind, Tore zu schießen, müssen aber feststellen, dass es noch zu wenige waren", erklärte Anfang.
Vier Gegentore - gibt es ein Abwehrproblem?
Das ist die eigentliche Überraschung des Saisonauftakts. Denn in der Vorbereitung war die Verteidigung noch Dynamos Stärke. Diesmal jedoch häuften sich die Fehler. Und die nutzen die Löwen eiskalt aus. "Wir haben gar nicht so viel zugelassen, hätten die Situationen bei den Gegentreffern aber einfacher und besser wegverteidigen können", kritisierte Anfang. "So haben wir es dem Gegner nicht sehr schwer gemacht." Torhüter Stefan Drljaca wollte seinen direkten Vorderleuten nicht die alleinige Schuld geben. "Wir müssen uns alle Elf hinterfragen, was da falsch gelaufen ist", sagte er.
Warum ist Kevin Ehlers der Pechvogel bei Dynamo?
Das erste Gegentor schoss er selbst, beim zweiten flog ihm der Ball durch die Beine - für Dynamo-Innenverteidiger Kevin Ehlers war der Nachmittag ein gebrauchter. Der 21-Jährige hatte den Vorzug vor Claudio Kammerknecht erhalten, obwohl er zuletzt wegen eines Infekts pausieren musste. Doch schuld war Ehlers an den ersten beiden Toren - wenn überhaupt - kaum. Vorm 0:1 (8.) versäumte es Robin Becker, den Ball ins Aus zu klären. Und beim 0:2 ging die halbe Hintermannschaft nach einem Einwurf zu inkonsequent in die Zweikämpfe. Dass der Schuss von Tim Rieder (36.) dann noch durch die Beine von Ehlers hindurch den Weg ins Tor findet, war quasi die Strafe.
Beim 0:3 durch Marcel Bär reklamierte allen voran Dynamo-Kapitän Tim Knipping ein Handspiel bei der Entstehung, für das Meckern sah er Gelb. Tatsächlich sprang der Ball vorher einem Münchner an die Hand, doch in der 3. Liga gibt es keinen Videobeweis, der Schiri hatte so keine Chance, sich die strittige Szene noch einmal anzuschauen. "Wir spielen da aber auch einen Chipball, der nicht nötig war", so Anfang. Beim letzten Löwen-Treffer zum zwischenzeitlichen 4:1, erneut durch Bär, ließ sich Knipping austanzen.
Gab es eine Überraschung in der Startelf?
Nicht wirklich. Mit Torhüter Stefan Drljaca, Linksverteidiger Kyu-Hyun Park und den Offensivkräften Ahmet Arslan, Dennis Borkowski, Christian Conteh und Stefan Kutschke standen sechs der 13 Neuzugänge in der Anfangsformation. Anfang entschied sich nach Rücksprache mit Torwarttrainer David Yelldell für den Ex-Dortmunder Drljaca als neue Nummer eins. Der 23-Jährige machte mit dem Ball am Fuß nicht immer den sichersten Eindruck, wirkte nervös. Der ukrainische Last-Minute-Transfer Kyrylo Melichenko saß 90 Minuten auf der Bank.
Manuel Schäffler, auch erst am Donnerstag vom 1. FC Nürnberg verpflichtet, kam schon nach 55 Minuten und erzielte prompt sein erstes Tor für Dynamo zum zwischenzeitlichen 2:4. "Es wird noch ein bisschen dauern, bis ich weiß, wie meine Mitspieler den Ball wohin spielen", erklärte der 33-Jährige. Spieler des Tages war aus Dynamo-Sicht jedoch RB-Leipzig-Neuzugang Dennis Borkowski, der nicht nur den Pfosten traf, sondern noch zweimal ins Tor - zum 1:3 und zum 3:4-Endstand. Der letzte Treffer, ein 20-Meter-Kracher in den Winkel, war zugleich der schönste der sieben Tore. "Viel lieber hätte ich mit der Mannschaft aber gewonnen", erklärte er.
Warum hielten die Fans ein XXL-Trikot von Wehlend hoch?
Zwei Tage vor dem ersten Saisonspiel hatte Dynamo einen Sponsor präsentiert, der auf dem Trikot unterhalb der Rückennummer einen Schriftzug erhalten hat. Diese Fläche darf in der 3. Liga seit der vergangenen Saison vermarktet werden. Doch dies missfällt offensichtlich der organisierten Fanszene von Dynamo. Die entrollte in der zweiten Hälfte im K-Block ein überdimensionales Trikot mit dem Namenszug des kaufmännischen Geschäftsführers Jürgen Wehlend und der Botschaft: 0 % Identität. Dynamo hatte nach massiven Protesten in den sozialen Medien noch am Freitag eine Videobotschaft von Wehlend auf die Vereinshomepage gestellt, in der er den Sponsorenvertrag verteidigte. "Wir rechnen mit einem Jahresfehlbetrag von drei Millionen Euro in dieser Saison und wollen eine wettbewerbsfähige Mannschaft auf die Beine stellen", erklärte. Diese Argumente konnten die Anhänger offenbar nicht überzeugen.
Die 1.500 mitgereisten Münchner Fans fielen zu Beginn des Spiels durch das Zünden von Pyrotechnik negativ auf, die Nebelschwaden zogen minutenlang durch Stadion.