Dresden. Es war alles vorbereitet, die rund 30.000 schwarzen und gelben Luftballons aufgeblasen und an den Sitzschalen befestigt, die Geister als Kulisse gemalt. Doch dann wurde es stürmisch, was bei einem Pokalspiel durchaus gewünscht ist – nur eben nicht schon einige Stunden vorm Anpfiff. Dynamos Choreografie wurde vom Winde verweht, mit bis zu 50 km/h fegte der am Dienstagmittag durch das Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion. Viele Ballons lösten sich, platzten, flogen auf den Rasen, nur ein paar blieben hängen. Die Überreste einer guten Idee. Der Verein musste die Aktion buchstäblich abblasen.
Was bleibt, ist das Zeichen – oder besser das 72.112-fache Bekenntnis zu Dynamo. So viele Fans, Sympathisanten oder einfach Menschen, die von diesem Zusammenhalt in schwieriger Situation begeistert sind, haben sich ein Geisterticket für die Partie gegen Darmstadt geholt. Sie waren #ImGeisteDabei, als die Mannschaft um Vizekapitän Yannick Stark in Runde zwei des DFB-Pokals gegen Darmstadt 98 klar mit 0:3 verliert und, das muss man eingestehen, verdient ausscheidet. Das ist ärgerlich, die Geister-Aktion, die noch bis Mitternacht lief, bleibt positiv in Erinnerung. Hier der Liveticker des Spiels zum Nachlesen.

„Das ist Wahnsinn, wenn man sieht, was hier los ist, welche Euphorie trotz der Pandemie um den Verein herrscht: mit dem Empfang nach dem Derbysieg in Rostock, der Geisterticket-Aktion, den Luftballons“, sagt Stark, der im Sommer aus Darmstadt zur SGD gewechselt ist. „Das zeigt immer wieder, dass es hier zwischen Verein, Stadt und Fans etwas Besonderes ist. Das macht Lust auf mehr.“
Vor allem auf die Atmosphäre in diesem Stadion, wenn der K-Block bebt und es keinen auf den Sitzplätzen hält. Das vermisst auch der Trainer. „Wir ertappen uns dabei, wenn wir da stehen und sagen: Boah, wenn heute Fans dabei wären! Boah, wäre das geil, wenn heute volles Haus wäre! Das ist es, was uns fehlt, diese Erlebnisse mit den Fans zu teilen“, meint Markus Kauczinski. „Ich will mich nicht dran gewöhnen, sondern hoffe auf die Impfung und, dass sich die Zeiten zum Positiven verändern.“
Geld nicht die wichtigste Motivation
Das wäre auch aus wirtschaftlicher Sicht für Dynamo wichtig. Die Erlöse aus dem Verkauf der Geistertickets können die Verluste nur unwesentlich abfedern, die Interimsgeschäftsführer Enrico Kabus auf bis zu sechs Millionen Euro schätzt. Abzüglich der Kosten für den Ticketanbieter, die Herstellung, den Versand und kleine Fanartikel bleiben 60 bis 70 Prozent der Einnahmen beim Klub, also um die 300.000 Euro und damit so viel, wie bei einem Geisterspiel allein an Zuschauereinnahmen fehlt.
Finanziell wäre ein Weiterkommen im Pokal durchaus lukrativ gewesen, auch wenn der DFB die Startgelder für die ersten beiden Runden um 20 Prozent gekürzt hat. So gab es in der ersten Runde 137.000, für die zweite waren es 280.000 Euro. Wie viel es im Achtelfinale gibt, steht noch nicht fest, vermutlich 560.000 Euro. Im Vorjahr waren es 702.000.

„Alle Vereine leiden unter den Corona-Bedingungen, das bedeutet Einschnitte und Einsparungen“, meinte Kauczinski dazu. Das Geld sei aber nicht die wichtigste Motivation. „Wir werden deswegen nicht schneller oder mehr rennen können, aber wir werden alles geben, weil es einfach Bock macht, zu gewinnen."
Zu wenig, um den Zweitligisten zu beeindrucken
Allerdings läuft es von Anfang an unrund, zunächst neutralisieren sich beide Teams in Zweikämpfen. Den ersten Torschuss gibt Darmstadts Tim Skarke nach einer Viertelstunde ab, drüber, den zweiten sein Kollege Marvin Mehlem, vorbei, den dritten Serdar Dursun, der erst Jonathan Meier und dann Tim Knipping tunnelt, gehalten. Schließlich ist das Ding drin, Fabian Schnellhardt hält von der Strafraumgrenze drauf. Das 0:1 in der 25. Minute.
Und Dynamo? Patrick Weihrauch wird nach Ballgewinn und Solo geblockt. Zu wenig, um den Zweitligisten zu beeindrucken. „Wir lassen uns nicht kleinkriegen“, betonte Kauczinski vorab. Weihrauch auf Philipp Hosiner – der erste Abschluss in der 36. Minute kann Darmstadts Torwart Marcel Schuhen nicht erschrecken.
Dagegen ist es für die Dresdner ein Schreck, dass sich Christoph Daferner an den hinteren Oberschenkel fasst. Der Stürmer muss raus, Pascal Sohm, Doppelpacker beim 4:2 gegen Viktoria Köln, kommt rein. Robin Becker nach Eckball per Kopf knapp vorbei. Ein Signal kurz vor der Pause?
Nächstes Spiel am 11. Januar, dann in München
„Weiter, immer weiter!“, den Schrei von Oliver Kahn hat sich nun Broll zu eigen gemacht. Man hört ihn laut im leeren Stadion. Das Feuerwerk wird dann vor dem Stadion abgebrannt, einige müssen sich offenbar doch wichtiger nehmen als den Verein. Denn der hatte an die Fans appelliert, zu Hause zu bleiben. Der Mannschaft hilft das nicht, sie tut sich weiter schwer. Darmstadt ist wuchtiger, beim zweiten Tor frecher: Hackenkick von Dursun, Seungho Paik schiebt ein.
Dursun erhöht noch, abseitsverdächtig, aber das spielt schon keine Rolle mehr. Schmerzlicher sogar: Knipping muss – an der Hüfte verletzt – raus.
Jetzt ist erst einmal Pause, auch wenn das eigentlich keine ist, denn das nächste Spiel in der 3. Liga steht für Dynamo bereits am 11. Januar bei Türkgücü München an. Nach vier freien Tagen über das Weihnachtsfest kommen die Spieler zurück, werden auf das Coronavirus getestet, trainieren am 28. und 29. Dezember und gehen noch mal für vier Tage in den Urlaub. Am Tag nach Neujahr geht es weiter.