Wie Dynamo mit sich und der Krise kämpft

Dresden. Fans haben meist ein feines Gespür für die Situation ihrer Mannschaft – die Spieler allerdings auch, wenn es um die Gemütslage der Zuschauer geht. Sichtlich zaghaft und kleinen Schrittes nähern sich also die Dynamo-Profis am Samstagnachmittag dem K-Block im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion. Vor der Stehplatztribüne, Stammplatz der aktiven Fanszene, beginnt im Erfolgsfall die Ehrenrunde.
Zu feiern gibt es bei Dynamo Dresden schon seit einiger Zeit nicht mehr viel, der 3:0-Sieg im Heimspiel gegen Bremen datiert vom 26. September, und davor wurde am 21. August in Rostock letztmals gewonnen. Andersherum gesagt: In den letzten acht Zweitligaspielen hat der Aufsteiger sieben Niederlagen kassiert – und in der Vorwoche zudem das Aus im DFB-Pokal.
Der Gang zu den Fans auf den Stehplätzen ist dennoch Pflicht, auch diesmal nach dem deprimierenden 0:1 (0:0) gegen den keineswegs übermächtigen SV Sandhausen. Wieder hat Dynamo – zumindest in der ersten Halbzeit und den letzten Minuten – ganz ordentlich gespielt, Willen und Engagement kann man der jungen Mannschaft trotz des immer häufiger ausbleibenden Erfolgs ohnehin nicht absprechen. Allerdings droht die Stimmung im Dynamoland jetzt zu kippen. Die Pfiffe nach dem Schlusspfiff sind nicht zu überhören.
Kein Gespräch mit den Fans
Vielleicht ist deshalb diesmal an der Strafraumgrenze Schluss, näher traut sich die Mannschaft nicht an den K-Block heran. Nur Kapitän Sebastian Mai, der gebürtige Dresdner, und der um klare Worte nie verlegene Torwart Kevin Broll gehen noch bis zum Elfmeterpunkt weiter. Mit den Fans reden mögen jedoch auch sie nicht.
Was sollen sie auch sagen? Wenn so lange der Erfolg ausbleibt, gibt es kaum noch Argumente. Und die, die es gibt, will so kurz nach dem Spiel sowieso keiner hören, weil sie sich eher nach Durchhalteparolen anhören.
Mai moniert später fehlende hochkarätige Chancen und mangelnde Konsequenz bei den Möglichkeiten, die am Ende zu Buche stehen (Mörschel/13., Herrmann/22., Daferner/34., 86. und Seo/90.+2). Broll, der den Mitspielern nach der 2:3-Pokalniederlage gegen St. Pauli das Defensivverhalten von Jugendfußballern vorgeworfen hatte, dürfte sich erneut bestätigt sehen: „Nach vorn sind wir zu unpräzise und defensiv verteidigen wir nicht konsequent genug.“ Im Prinzip ist es wie immer in den vergangenen Wochen.

Auch dem Trainer fällt es schwer, die anhaltende Negativserie zu erklären, ohne zu wiederholen, was er nach den Spielen zuvor gesagt hatte. „Das ist sehr bitter für uns. Die Mannschaft ist sehr enttäuscht, so wie ich auch“, meint Alexander Schmidt diesmal bei der Online-Pressekonferenz, für die – zumindest handhabt dies Dynamo immer noch so – vorab Fragen eingereicht werden müssen. Interviews mit den Spielern führt indes ausschließlich ein Vereinsmitarbeiter der Medienabteilung oder das Fernsehen.
Schmidt betont, „nicht um den heißen Brei reden“ zu wollen, „das war ein richtig schlechtes Ergebnis für uns“. Er stellt fest, dass seine Mannschaft mit zunehmender Spieldauer unruhig wurde, dass nach dem Gegentreffer in der 50. Minute durch Ex-Dynamo Pascal Testroet, Sandhausens de facto einziger Chance, nicht mehr viel zusammenlief.
„Der letzte Pass hat gefehlt. Die wenigen Chancen, die wir hatten, haben wir nicht gemacht. Dann kommt dieses bittere Ergebnis zustande“, sagt er und bilanziert: „Ich glaube nicht, dass wir eine Niederlage verdient haben, man muss aber konstatieren, dass wir die Situationen nicht bei uns haben. Spiele, die 1:0 oder 0:1 ausgehen können, verlieren wir. Es ist eine schwierige Situation.“
"Keine Verunsicherung gesehen"
Die Frage zur spürbaren Verunsicherung nach dem Rückstand weist Schmidt zurück. „Dies sind halt immer so Floskeln. Ich habe keine Verunsicherung, die deutlich anzumerken ist, gesehen. Ich habe keinen Bock darauf, über irgendeine Verunsicherung zu sprechen. Das bringt nichts“, sagt er. Stattdessen gehe es nun darum, die niedergeschlagene Mannschaft wieder aufzubauen. „Wir müssen uns weiter fokussieren und arbeiten – und trotz alledem positiv bleiben. Das Wichtigste ist der Kopf.“
Meint auch Yannick Stark, diesmal wieder Kapitän anstelle des nach der Halbzeitpause eingewechselten Mai, und dann wird Stark prinzipiell: „Wir machen keine schlechten Spiele. Da ist keine Katastrophe dabei, wo nicht gekämpft wird oder es taktisch nicht passt. Das passt alles. Wir sind gut eingestellt, können jedem Gegner Paroli bieten. Es ist die Konsequenz, die fehlt. Aber es ist nicht nötig, jetzt etwas komplett über den Haufen zu werfen. Die Basis passt, wir müssen an den Kleinigkeiten arbeiten und uns das Glück erarbeiten.“
Ein Baustein für Schmidt ist der Blick auf die Tabelle. Mit eins, zwei Siegen würde die Mannschaft nicht nur wieder in die Spur kommen und jene jetzt knapp verlorenen Spiele auch gewinnen, so der Trainer, dann ist vor allem die inzwischen latente Abstiegsgefahr gebannt. Wobei das A-Wort bei Dynamo derzeit offenbar weiter auf dem Index steht, niemand verwendet es. „Tabellarisch wird alles enger. Es wird noch kritischer, was die Situation hinten betrifft. Aber es ist noch nichts Extremes passiert“, findet Schmidt.
Fakt ist: Nach starkem Saisonstart mit vier ungeschlagenen Spielen ist der Aufsteiger nun Tabellen-13. mit zwei Punkten Vorsprung auf den Abstiegsrelegationsrang, den Dynamos nächster Gegner Kiel einnimmt. Am Freitag treffen beide Mannschaften aufeinander – was natürlich auch die Fans wissen. Nach den anfänglichen Pfiffen verabschieden sie die Spieler dann doch mit Applaus, was wiederum Schmidt wohlwollend zur Kenntnis nimmt. „Danke an die Fans“, sagt er, „dass sie uns nicht gröber ausgepfiffen haben. Aber das hätte die Mannschaft auch nicht verdient.“