Dynamo: Klartext zu Krise, Trainer und Corona-Impfung

Tim Knipping, wie geht es Ihnen drei Monate nach Ihrer schweren Knieverletzung?
Danke, mir geht es soweit gut. Der Reha-Verlauf ist bisher optimal, so wie ich es mir erhofft habe. Ich mache derzeit die Reha in Kempen bei Düsseldorf. Für die Heimspiele komme ich nach Dresden.
Wie ist der Stand in der Reha? Was erlaubt Ihr Kreuzband-Knie?
Ich kann schon wieder locker joggen und hatte letzte Woche die ersten Versuche am Ball. Bei den Passübungen muss ich noch vorsichtig sein, dass nichts passiert. Aber ich bin schon relativ weit. Das Gefühl, mal wieder gegen einen Ball zu kicken, ist etwas ganz Besonderes. Und das Knie hat es gut verkraftet, es wurde nicht dick, und ich hatte keine Schmerzen.
Wann können Sie denn ins Mannschaftstraining wieder einsteigen?
Das ist schwer zu sagen. Es kommt darauf an, wie die nächsten Wochen und Monate verlaufen. Sechs Monate muss man auf jeden Fall bei der Verletzung rechnen. Wenn ich zu dem Zeitpunkt wieder bei der Mannschaft bin, wäre ich natürlich zufrieden.
Also glauben Sie, diese Saison wieder für Dynamo spielen zu können?
Ich glaube nicht nur daran, sondern bin fest davon überzeugt. Ich werde alles dafür geben, der Mannschaft noch mal auf dem Platz zu helfen. Wann das aber sein wird, kann ich nicht genau sagen.
Sie mussten im Mai den Tod Ihres Stiefvaters verkraften, Ende August dann die schwere Verletzung. Wer hat Ihnen in diesen schweren Zeiten geholfen?
Meine Familie, die mir immer sehr nahesteht. Sie ist einfach mit das Wichtigste in meinem Leben. Mein Onkel, meine Tante, meine Oma und natürlich auch die Familie von meinem Stiefvater. Aber auch die Mannschaft hat mich aufgefangen, gerade in der schwierigen Zeit, als mein Stiefvater an einer Corona-Infektion starb. Da waren wir jeden Tag zusammen. Auch mein Berater ist eine wichtige Stütze.

Wie intensiv ist der Austausch zurzeit mit dem Team?
Es ist mir wichtig, dass der Kontakt nicht abreißt und ich nah bei der Mannschaft bleibe, mal über WhatsApp, mal zum Telefonieren. Und wie gesagt, zu den Heimspielen bin ich immer da, bleibe manchmal ein paar Tage länger und mache die Reha dann in Dresden.
Im Moment müssen Sie die Mannschaft aufbauen, oder?
Es ist die schwierigste Situation, in der wir als Mannschaft bisher waren. Wir hatten einen guten Start, dann nahm die Saison einen etwas unglücklichen Verlauf, weil sich der eine oder andere wichtige Spieler verletzt hat. Zudem fehlte uns in entscheidenden Momenten das Spielglück, und so kommt man in einen negativen Strudel. Da müssen wir uns jetzt rausziehen. Wenn ich sehe, wie wir auftreten, ist mir nicht bange. Es ist eine Frage der Zeit, bis sich die Mannschaft wieder belohnt.
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Bis zu jenem Rostock-Spiel, in dem Sie sich verletzt haben, lief es bei Dynamo. Dann begann die sportliche Talfahrt. Wie empfinden Sie das?
Es geht nicht um meine Person, sondern um den Verein. Natürlich schätzt es meine Leistung wert, wenn der eine oder andere sagt, dass ich fehle. Das ist auch eine Anerkennung. Aber mir wäre es tausendmal lieber, wir hätten von den zehn Spielen alle gewonnen und wären jetzt glücklich und müssten nicht über etwas anderes nachdenken. Da könnte ich beruhigter meine Reha angehen. So mache ich mir meine Gedanken, möchte noch schneller fit werden. Das Schlimmste als Spieler ist, wenn du zum Zuschauen verdammt bist und nicht helfen kannst. Das ist bitter und tut jedes Wochenende weh.
Sie fehlen nicht nur als Spieler, sondern auch als Persönlichkeit. Wie können Sie der Mannschaft dennoch helfen?
Natürlich ist es etwas anderes, wenn ich auf dem Platz stehe und die Jungs dann bisschen steuern und pushen kann. Wenn ich in Dresden bin, motiviere ich sie, immer positiv zu bleiben. Die Mannschaft hat gute Spiele gezeigt, das Quäntchen Glück hat gefehlt. Es geht darum, dass die Köpfe oben bleiben, dass die Jungs weiter an sich glauben. Ich versuche von außen, Zuversicht reinzubringen und die Mannschaft mental zu unterstützen.

Nach der jüngsten Niederlage in Kiel stand Trainer Alexander Schmidt vor dem Aus. Etwas überraschend für Ihre Branche darf er erst mal bleiben. Wie denken Sie darüber?
Ich bin froh, dass so entschieden worden ist. Oft gilt der Trainer als das schwächste Glied und wird zu früh entlassen, aber nicht immer bringt ein neuer Impuls etwas. Wenn wir individuelle Fehler machen, kann der Trainer den Ball ja nicht selbst von der Linie klären oder ihn reinschießen. Man hat gesehen, dass die Mannschaft zu hundert Prozent hinter Alexander Schmidt steht. Ich bin froh, dass dem Trainer das Vertrauen ausgesprochen wurde. Jetzt ist die Mannschaft in der Pflicht, das auch zurückzugeben.
Keine Veränderung gab es beim Trainer, dafür beim Kapitänsamt. Weil Sebastian Mai kaum noch spielt, trägt nun Yannick Stark die Binde. Hätte Sie die Rolle zum Saisonbeginn auch gereizt?
Wenn man eine Mannschaft auf den Platz führen kann, ist das immer eine besondere Ehre, und in den ersten Spielen durfte ich das ja auch als Vize-Kapitän. Bei uns ist es eigentlich egal, wer die Mannschaft auf den Platz führt, wir sind gleichberechtigt, und jeder muss genauso Verantwortung übernehmen. Yannick ist Stammspieler, und es ist wichtig, dass man auf dem Platz einen verlängerten Arm hat, mit dem der Trainer kommunizieren kann. Die Entscheidung ist nachzuvollziehen.
Was muss bei Dynamo jetzt passieren, damit sich die Lage entspannt?
Die Jungs müssen jetzt Spiele gewinnen, egal wie. Wir müssen bei unseren Grundtugenden bleiben und daran anknüpfen, was uns vergangene Saison und auch Anfang dieser Serie stark gemacht hat: das Offensivspiel, das Pressing, früh anzulaufen und den Gegner unter Druck zu setzen. Durch harte Arbeit wird man früher oder später belohnt. Wenn die Jungs alles reinwerfen, dann fallen auch Tore, und wir gewinnen wieder.
Sie sind nicht nur Fußball-Profi, sondern auch Restaurantbesitzer in Regensburg und Heidelberg. Bereitet Ihnen die aktuelle Corona-Lage Sorge, dass Sie womöglich Ihre Läden wieder schließen müssen?
Es ist belastend für jeden Bereich in unserer Gesellschaft und kostet allen Menschen viele Nerven. Ich hoffe nicht, dass es dazu kommt, dass wir wieder schließen müssen. Man spürt noch immer die Auswirkungen. Es ist nicht dasselbe Geschäft wie vor Corona, weil die Leute nun auch wieder Angst haben. Dazu kommen die Beschränkungen. Ich hoffe, dass doch noch die eine oder andere Person mehr einsieht, dass die Impfung ein großes Hilfsmittel ist. Ich habe sowieso meine eigene Meinung, weil ich persönlich einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen musste. Für mich gibt es keine zwei Meinungen, was man machen sollte. Ich hoffe, dass die Menschen wieder ein bisschen vorsichtiger werden, Respekt voreinander haben und sich schützen.
Das Interview führte Michaela Widder.