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Unbequem, geradlinig, erfolgreich: Dynamo-Idol Klaus Sammer wird 80

Klaus Sammer prägte den Dresdner Fußball als Spieler und Trainer. Im Mittelpunkt wollte der „Lange“ nie stehen. Heute feiert er seinen runden Geburtstag – im kleinen Kreis.

Von Timotheus Eimert
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Klaus Sammer wurde am 5. Dezember 1942 in Gröditz geboren. Mit Dynamo wurde er insgesamt zweimal Meister und dreimal Pokalsieger.
Klaus Sammer wurde am 5. Dezember 1942 in Gröditz geboren. Mit Dynamo wurde er insgesamt zweimal Meister und dreimal Pokalsieger. © dpa pa

Dresden. Es gehe ihm wieder gut, sagt Klaus Sammer am Telefon. „Die letzten Tage war ich etwas erkältet und musste auch Medikamente nehmen“, erzählt der gebürtige Gröditzer, der immer noch sehr gern mit dem Fahrrad durch Dresden fährt. „Aber nun geht es mir besser.“ Gerade noch rechtzeitig vor seinem 80. Geburtstag, den der ehemalige Fußballer von Dynamo Dresden am Montag im kleinen Kreis mit der Familie feiert, ist Sammer wieder fit geworden.

Viele Leute hätten sich bereits im Vorfeld bei ihm gemeldet. Doch Sammer, den seine ehemaligen Mitspieler wegen seiner Körpergröße von 1,91 Metern gern den „Langen“ nennen, mag es ruhig. Schon zu seiner aktiven Zeit galt Sammer als zurückhaltend. Er wollte nicht im Mittelpunkt stehen, aber als Teil des legendären Dynamo-Kreisels wurde er in der DDR und vor allem in Dresden hochverehrt. Sammer, der 1965 von Einheit Dresden zu Dynamo gewechselt war, gestaltete die erfolgreichste Ära des Vereins prägend mit.

Insgesamt bestritt der frühere Verteidiger 259 Pflichtspiele für die Schwarz-Gelben, erzielte 37 Tore, wurde zweimal DDR-Meister und einmal FDGB-Pokalsieger. In besonderer Erinnerung sind ihm die Europacup-Siele geblieben. „Wir haben damals gegen absolute Weltmannschaften gespielt. Wir haben den FC Porto geschlagen, sind gegen Juventus Turin weitergekommen. Gegen Ajax Amsterdam und Liverpool haben wir knapp verloren. Wir waren gar nicht so weit weg von der europäischen Spitze“, erinnert er sich.

Unter Flutlicht zu spielen, dazu noch im Europacup – das seien immer besondere Erlebnisse gewesen. Sammer denkt dabei vor allem an ein Spiel. „Partizan Belgrad 1970“, sagt er. „Da habe ich das 2:0 fast von der Mittellinie gemacht.“ Dynamo gewann die Partie im Messepokal am Ende 6:0 und zog in die nächste Runde ein. Die Sächsische Zeitung schrieb nach dem Erfolg: „Klaus Sammer riskiert von der Rechtsaußenposition einen 30-Meter-Heber Richtung Tor.“ In der nächsten Runde schied Dynamo gegen den späteren Titelgewinner Leeds United aus.

Geyer statt Sammer im Pokal der Landesmeister

Dass die Dresdner in der erfolgreichsten Zeit der Vereinsgeschichte dennoch keinen Europapokaltitel an die Elbe holen konnten, hat für Sammer viel mit Trainer Walter Fritzsch zu tun. In der Saison 1973/74 war die Chance im Pokal der Landesmeister besonders groß. In der 1. Runde schaltete Dynamo zunächst den italienischen Meister Juventus Turin aus und traf anschließend auf Bayern München. „Die hatten damals große Probleme und waren absolut schlagbar“, ist sich Sammer sicher.

Obwohl er gegen Turin noch gespielt hatte, durft er nicht ran. „Das war Fritzschs größter Fehler“, meint Sammer. „Ich habe zwei Jahre vorher nicht verloren. Immer wenn Dynamo verloren hatte, fehlte ich.“ Statt Sammer spielte Eduard Geyer und sah vor allem im Rückspiel beim 3:3 in Dresden gegen den schnellen Uli Hoeneß sehr unglücklich aus.

Letztendlich schied Dynamo in zwei denkwürdigen Partien aus. „Ich behaupte, dass wir weitergekommen wären, wenn ich gespielt hätte“, meint Sammer selbstbewusst. Bayern bezwang auf dem Weg zum Titel anschließend den bulgarischen Meister ZSKA Sofia, den ungarischen Champion Újpesti Dózsa SC und im Finale Atlético Madrid. Dass auch Dynamo in diesem Endspiel hätte stehen können, behaupten heute nicht wenige Zeitzeugen. Sammer ist die Debatte mittlerweile egal.

Klaus Sammer spielte von 1965 bis 1975 für Dynamo.
Klaus Sammer spielte von 1965 bis 1975 für Dynamo. © SZ

Warum der frühere Leichtathlet gegen den heutigen Rekordmeister nicht spielen durft, wurde ihm nicht begründet. Politische Motive dürften ausschlaggebend gewesen sein. Sammer war damals nicht in der Partei. „Das war wahrscheinlich mein größter Fehler. Ich hätte vielleicht meine Ruhe gehabt“, sagt Sammer rückblickend, der auch Verwandtschaft im Westen hatte.

Aus diesen Gründen verpasste Sammer auch die Olympischen Spiele 1972 in München und die Fußball-Weltmeisterschaft 1974 in der Bundesrepublik. „Das ist für mich heute noch ein Politikum. Überall war ich dabei, ob nun in England, Belgien oder den Niederlanden. Ich war wahrscheinlich mehr zu Länderspielen im kapitalistischen Ausland als im sozialistischen“, vermutet er. „Nur nach Deutschland durfte ich nicht mit.“

Seine Stasi-Akte habe er nach der Wende nicht angeschaut. „Das tue ich mir nicht an. Ich würde mich nur ärgern. Ich habe mich damit abgefunden, dass das Leben so gespielt hat“, sagt Sammer. Sein früherer Mitspieler Hans-Jürgen Kreische zollte ihm vor einigen Jahren dafür seinen Respekt: „Vor dir muss man einfach den Hut ziehen, weil du viele Nackenschläge einstecken musstest, die du auch immer wieder weggesteckt hast.“

Einen weiteren Rückschlag erlebte Sammer im März 1986. Nach seiner aktiven Zeit arbeitete er zunächst in der weltweit beachteten Dresdner Fußball-Schule und wurde 1983 schließlich Dynamo-Cheftrainer. Nach den Pokalsiegen 1984 und 1985 im Prestigeduell gegen den Erzrivalen BFC Dynamo sollte auch endlich im Europapokal Großes gelingen. Doch Sammer schied mit seiner Mannschaft im Cup der Pokalsieger gegen Bayer Uerdingen nach einer 3:1-Führung zur Pause und einem 2:0-Polster aus dem Hinspiel noch aus. 3:7 verloren die Schwarz-Gelben an der Grotenburg-Kampfbahn.

Degradierung zum Jugendtrainer

Sammer wurde zum Schuldigen gemacht und musste zurücktreten. Die Delegierung zum Jugendtrainer zu Dynamo Meißen folgte, es glich einer Degradierung. Danach hatte auch sein Sohn Matthias, der nach der Wende Europameister, Europas Fußballer des Jahres und später zu einem erfolgreichen Trainer und Sportdirektor wurde, in Dresden keinen leichten Stand.

Von Juni 1992 bis April 1993 kehrte Sammer noch einmal kurzzeitig auf Dynamos Trainerbank zurück. Nach einer Knie-OP entließ ihn der damalige Präsident Rolf-Jürgen Otto acht Spieltage vorm Saisonende. „Er behauptete, ich hätte ihm nichts von der OP gesagt“, ärgerte sich Sammer in einem früheren Interview. Anschließend war er noch in verschiedenen Funktionen für den Deutschen Fußball-Bund tätig.

Zu Dynamo geht der heutige Ehrenspielführer nach wie vor gern – trotz seiner unschönen Abschiede. „Dynamo ist mein Heimatverein“, sagt Sammer, dessen Ehefrau Dörte kurz vor seinem 75. Geburtstag vor fünf Jahren verstarb. Der zweifache Familienvater blickt dennoch voller Dankbarkeit auf sein Leben zurück. „Ich habe mehr erreicht, als ich mir erträumt habe. Dass ich es in die höchste Spielklasse schaffte, dass ich Trainer war, hätte ich nicht gedacht“, betont er.

Sein Wunsch zum 80 deswegen neben denen nach Glück und Gesundheit vor allem einer: „Es wäre schön, wenn Dynamo etwas höher spielen würde.“ Dann geht es ihm wahrscheinlich noch besser.