Dresden. Es ist die Krux bei solchen Leihgeschäften: Wenn sich der Spieler gut entwickelt, ist er schnell wieder weg; entweder holt ihn der Verein zurück, bei dem er unter Vertrag steht, oder ein anderer zahlt eine Ablösesumme und verpflichtet ihn fest. Dynamo Dresden ist das in der jüngeren Vergangenheit öfter passiert, trotzdem setzt auch der neue Sportgeschäftsführer Ralf Becker auf dieses Modell. „Das sollte immer eine Option und Bestandteil der Kaderplanung sein“, sagt der 50-Jährige.
Mit Jonathan Meier vom FSV Mainz und Marvin Stefaniak vom VfL Wolfsburg sind zwei Dynamo-Profis für diese Saison ausgeliehen. „Natürlich ist es uns lieber, Spieler fest zu verpflichten, aber es gibt Konstellationen, in denen eine Leihe die Möglichkeit bietet, die beste Qualität zu bekommen“, erklärt Becker. Nach dem Abstieg mussten er und Cheftrainer Markus Kauczinski eine neue Mannschaft zusammenstellen. Der Umbruch war auch deshalb so groß, weil sechs Spieler nur ausgeliehen waren, fünf von ihnen erst im Januar.
„Was hätte man sonst in der Winterpause tun sollen?“, fragt Becker – und gibt seinem Vorgänger Ralf Minge recht: „Der Ansatz und die Idee waren gut, auch wenn es nur für ein halbes Jahr war. Es war die beste Möglichkeit, der Mannschaft für die Rückrunde ein neues Gesicht zu geben.“ Die Verstärkungen zu kaufen, wäre sicher finanziell kaum zu stemmen gewesen, davon abgesehen: „Es war schon richtig, wie sie es gemacht haben“, betont Becker.
Er setzt sich keine Obergrenze bei der Anzahl von Leihspielern, die Leistung ist das einzige Kriterium. „Wenn alle Parameter gleich sind, würde ich mich grundsätzlich gerne für eine Verpflichtung entscheiden, sofern es wirtschaftlich möglich ist, weil du den Spieler an dich bindest und nachhaltig mit ihm arbeiten kannst“, sagt der Sportchef, aber: „Wenn man einen Spieler, der besser ist als andere Kandidaten, nur über eine Leihe bekommen kann, muss man auch den Weg gehen.“
Kurz vor einem Transfer zum Zweitligisten
Wie in den beiden aktuellen Fällen. Meier stand kurz vor einem Transfer zu einem Zweitligisten, der auf der Zielgeraden geplatzt ist. „Wir waren in dem Moment da und sind sehr froh, weil wir für die linke Seite das Anforderungsprofil hatten, einen jungen Spieler mit einem großen Entwicklungspotenzial zu holen.“ Mainz wollte Meier jedoch nicht abgeben, schließlich hat man das Talent 2019 aus der Jugend des FC Bayern München für mehr als eine Million Euro gekauft und traut ihm nach wie vor den Sprung in die Bundesliga zu. Dafür muss der 21-Jährige höher spielen als mit der U23-Auswahl in der Regionalliga.

Diese Chance bietet ihm Dynamo in der 3. Liga. „Die Routine über die 90 Minuten macht es aus“, sagt Meier. Seit Chris Löwe verletzt ausfällt, hat er einen Stammplatz und ist mehr als eine Notlösung. „Er hat ein bisschen gebraucht, um reinzukommen“, meint Kauczinski – und beschreibt den Unterschied: Bei der Zweitvertretung eines Bundesligisten mit vielen jungen Spielern liege der Fokus mehr auf der Entwicklung als auf den Ergebnissen. „Wir wollen, wir müssen unsere junge Mannschaft auch entwickeln, gleichzeitig aber gewinnen.“
Wenn Meier an dem hohen Anspruch wächst, liegt seine sportliche Zukunft eher in Mainz als in Dresden. Vorerst mache er sich darüber keinen Kopf. „Ich konzentriere mich auf die Spiele, auf das Hiersein, auf das Jahr. Der Fußball ist so schnelllebig, man muss jedes Spiel, jeden Tag aufs Neue seine Leistung bringen“, sagt er.
Aus der Sicht des Trainers macht es sowieso keinen Unterschied, ob einer ausgeliehen ist. „Das darf nicht sein, zu keinem Zeitpunkt“, sagt Kauczinski. „Sie sind alle Spieler von Dynamo, von uns, von mir. Wir haben uns füreinander entschieden. Das bedeutet etwas, das bedeutet mir etwas. Deswegen habe ich die gleiche Verantwortung wie für jemanden, den wir für drei Jahre verpflichtet haben.“
Stefaniak kehrt zurück - allerdings nur vorerst
Bei Stefaniak ist es ähnlich – und trotzdem anders. Er war mit 22 Jahren zum VfL Wolfsburg gewechselt, um sich den Traum von der Bundesliga zu erfüllen, Dynamo kassierte für den Hoyerswerdaer zwei Millionen Euro als Ablöse, damals Vereinsrekord. Drei Jahre später und um einige schlechte Erfahrungen reicher, wollte er unbedingt dorthin zurück, wo er noch Spaß am Fußball hatte. Dafür war er zu Zugeständnissen bereit. Einen Transfer hätte sich Dynamo kaum leisten können, zudem zahlt der Stammverein bei solchen Leihgeschäften meist einen Gehaltsausgleich.

Becker bleibt bei der Frage vage: „Marvin hat einen Vertrag beim VfL Wolfsburg, und ohne, dass ich genaue Zahlen weiß, wird er dort vielleicht ein bisschen mehr verdienen als bei uns.“ In dem Konstrukt sei ausschließlich eine Leihe möglich gewesen. „Das haben wir akzeptiert, weil wir für dieses Jahr eine Lösung gefunden haben“, erklärt der Sportgeschäftsführer, und er schließt Meier ein: „Wir sind froh, dass wir die Jungs jetzt dabei haben.“
Obwohl Abschiedsschmerz droht. Wie einst bei Dani Schahin, Aufstiegsheld 2011, aber eben nur für die Rückrunde ausgeliehen von Greuther Fürth. Oder Stefan Kutschke, der immerhin anderthalb Jahre in seiner Heimatstadt spielte und die Schwarz-Gelben in der Saison 2016/17 mit 16 Toren in die Spitzengruppe der zweiten Liga geschossen hatte. Danach wäre eine Ablöse an Nürnberg fällig gewesen, die Dynamo sich jedoch sparte, weil Minge die von Kutschke geforderte Vertragslaufzeit über vier Jahre ablehnte. In Ingolstadt hat der Stürmer nun noch die Option für eine fünfte Saison – und zuletzt beim 1:0 gegen Dynamo das Siegtor erzielt.
„Es darf keine Rolle spielen, zu wissen, dass der Spieler uns nach einer guten Entwicklung möglicherweise verlässt“, unterstreicht Kauczinski noch mal seine Einstellung zur Ausleihe. Das Modell hilft in jedem Fall, in dem von Meier und Stefaniak vielleicht sogar zum Aufstieg. „Alles andere muss man im Sommer sehen“, sagt Becker.
Dynamo spielt am Sonntag, 13 Uhr, in Duisburg. Sächsische.de berichtet hier im Liveticker.
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