Dynamo plant die neue Saison mit 30 Millionen Euro

Dresden. Es ist sicher nur ein schwacher Trost: Auch beim neuen Liga-Konkurrenten Schalke 04 musste die Online-Mitgliederversammlung wegen technischer Probleme abgebrochen werden – nach dem vierten Tagesordnungspunkt. Bei Dynamo ging sie am Samstagvormittag erst gar nicht richtig los, nach zwei Stunden war dann endgültig Schluss. Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um die Blamage:
Warum musste die Versammlung abgebrochen werden?
„Wir hatten zwei große Probleme technischer Natur, die offensichtlich unabhängig voneinander aufgetreten sind“, erklärte Dynamos kaufmännischer Geschäftsführer Jürgen Wehlend einige Stunden später in einer Journalistenrunde. Eins betraf den Server, der „in die Knie gegangen war“. Pikant dabei: Dynamos Haupt- und Trikotsponsor ist laut Eigendarstellung „einer der erfolgreichsten professionellen Anbieter von Dienstleistungen im Bereich Server“. Für die Online-Versammlung hatte der Verein einen spezialisierten Anbieter aus Landau ausgewählt. Der konnte sich die Probleme nicht erklären. „Wir hatten in der Vergangenheit bereits verschiedenste sehr erfolgreiche Versammlungen mit bis zu 500 Teilnehmern“, teilte die Firma auf Anfrage mit. Am vergangenen Montag gab es einen Belastungstest mit bis zu 3.000 Teilnehmern und Probeabstimmungen. Da habe alles geklappt.
Am Samstag hatten sich nach Angaben von Dynamo knapp 400 stimmberechtigte Mitglieder eingeloggt. Selbst einen Hacker-Angriff wollte Wehlend als Ursache nicht ausschließen: „Das ist alles denkbar und möglich, allerdings fehlt mir dafür die Fantasie.“ Im Vorfeld hatten einige Mitglieder kritisiert, dass die Veranstaltung online abgehalten wird.
Wann soll die Versammlung nun nachgeholt werden?
Das will der Aufsichtsrat zusammen mit den weiteren Gremienvorsitzenden bei einem Treffen am Donnerstag beraten. Es gibt bereits den Vorschlag, dass die verschobene und nun abgebrochene Versammlung für die Saison 2019/20 mit der für 2020/21 – auch aus Kostengründen – zusammengelegt im November stattfinden könnte. „Ich gehe davon aus, dass wir den Versuch einer weiteren Online-Veranstaltung nicht zwangsläufig ins Visier nehmen werden“, so Wehlend.
Welche rechtlichen Konsequenzen hat die Verschiebung?
Darüber wird jetzt – typisch für Dynamo – leidenschaftlich diskutiert. Eine Frage ist, was mit dem Präsidium, dem Jugend- und Ehrenrat wird, deren Neuwahl am Samstag ausfiel. „Nach meinem Verständnis bleiben die amtierenden Gremien weiter im Amt“, sagt Wehlend. Und damit auch Präsident Holger Scholze, der in der vergangenen Woche vom Ehrenrat mit einem Verweis und 250 Euro Ordnungsgeld wegen angeblicher Schleichwerbung bestraft worden war. Der Geschäftsführer äußerte sich dazu eher beiläufig in einem Satz: „Das ist unglaublich, was da passiert“, sagte er.
Strittig ist zudem, ob Dynamo die Versammlung nicht noch vor Ablauf des Geschäftsjahres, das am 30. Juni endet, abhalten müsste. Das ist eigentlich vorgeschrieben, in Pandemie-Zeiten gelten nach gängiger Rechtsauffassung jedoch Ausnahmen. Diese betreffen aber nicht Vereine, denen man aufgrund ihrer Größe und ihres Vermögens die Durchführung einer Online-Versammlung zumuten kann. In diese Kategorie gehört Dynamo zweifelsohne. Wehlend deutete an, dass der Verein bei „den Anforderungen ähnlich behandelt wird wie eine mittelgroße Kapitalgesellschaft“. Verstößt der Zweitligist gegen Vorschriften, würde im schlimmsten Fall der Entzug der Gemeinnützigkeit drohen. Laut Dynamo-Satzung müssen die Einladungen spätestens vier Wochen vor der Versammlung versandt werden. Diese Frist macht einen Termin bis zum 30. Juni unmöglich.
Wie sollen die Zahlen für 2019/20 veröffentlicht werden?
Die Mitglieder hatten bereits die Möglichkeit, Einblicke in die Zahlen zu nehmen. Einige hätten das auch gemacht, so Wehlend. „Für alle anderen müssen wir jetzt eine geeignete Form finden, möglicherweise in einer Bilanz-Pressekonferenz.“
Wie groß sind die Verluste durch die Corona-Krise?
Das wollte der Geschäftsführer ausführlich auf der Versammlung erläutern. In der Medienrunde verriet er zumindest einige für die zurückliegende Saison. Vor deren Start drohte aufgrund der Corona-Beschränkungen ein Minus von 5,8 Millionen Euro, so Wehlend. Stand jetzt konnte die Summe auf vier Millionen Euro gedrückt werden. „Und wenn es richtig gut läuft, können es sogar nur 2,5 bis drei Millionen werden.“ Abhängig ist dies vor allem von der Auszahlung von Überbrückungshilfen durch den Bund. Zudem habe der Verein Ausgaben gesenkt, Investitionen etwa in die Digitalisierung zurückgestellt. Der Verkauf von Geistertickets für das Pokalspiel gegen Darmstadt 98 und der Gemeinschaftskarten brachten zusammen rund 400.000 Euro ein.
Welche Folgen haben die Millionen-Zuschüsse der Stadt?
Am Freitagabend hatte der Stadtrat nachträglich eine Million Euro für das neue Trainingszentrum bewilligt. Dort waren die Baukosten von 15 auf knapp 20 Millionen Euro gestiegen, unter anderem weil Altlasten gefunden worden waren. An den Zuschuss knüpfte die Stadt jedoch die Bedingung, dass Dynamo bei der Nachwuchsförderung künftig auch Mädchen einschließt und perspektivisch den Spielbetrieb für Damenmannschaften anstrebt. Zudem bekommt der Stadionbetreiber für die abgelaufene und die kommende Spielzeit einen jährlichen Betriebskostenzuschuss in Höhe von je 1,5 Millionen. Damit kann die Miete, die Dynamo zahlen muss, deutlich gesenkt werden – „auf ein annähernd marktübliches Niveau“, wie es Wehlend kommentierte. Diese Beträge waren in der Lizenzierung fest eingeplant. Wären beide Abstimmungen im Stadtrat anders ausgegangen, „hätten wir gegenüber der DFL unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bis zum 15. September noch mal nachweisen müssen“. Wäre es nicht gelungen, die Finanzlücke zu schließen, „hätten wir anzeigen müssen, dass drei Millionen Euro in einem Gesamtbudget von 30 Millionen Euro in der nächsten Saison fehlen. Das ist wesentlich, da könnte bis hin zum Punktabzug einiges drohen“, erklärt der Geschäftsführer.
Wie geht es mit der Aufarbeitung der Krawalle weiter?
Auch dieser Punkt stand auf der Tagesordnung der abgebrochenen Versammlung. Am 16. Mai waren rund um das Harbig-Stadion 185 Polizeibeamte verletzt worden. In einer am Freitag veröffentlichten Mitteilung distanzieren sich Ultras und Faninitiativen von den Ausschreitungen, die in keiner Weise zu rechtfertigen seien. Gleichzeitig werden Vorschläge aufgelistet, die der Verein bei der Sicherheitsberatung im Vorfeld unterbreitet hatte: eine Teilzulassung von Zuschauern im Stadion, einen Fanbereich davor, eine Fahrt der Mannschaft auf einem Elbdampfer oder in Bussen durch ein Fanspalier. „Aufgrund des geltenden Bundesinfektionsschutzgesetzes war dies alles leider nicht umsetzbar“, stellten die Verfasser fest.
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