Der Trainer erklärt, was hinter Dynamos Erfolg steckt

Dresden. Es droht die Verlängerung, noch mal eine halbe Stunde obendrauf. Aber schon jetzt geht nichts mehr. Christoph Daferner verlässt in der 86. Minute den Platz, Dynamos Torjäger ist ausgepumpt. Er habe „bis zur Erschöpfung durchgekämpft“, sagt Alexander Schmidt – und der Trainer erklärt: „Wenn ich ihn rausnehmen muss mit Krämpfen, der am vorigen Spieltag 14 Kilometer gelaufen ist, spricht das Bände.“
Der Pokalkampf gegen den SC Paderborn mit dem berauschenden Ende durch den 2:1-Siegtreffer von Julius Kade kurz nach der Auswechslung von Daferner steht exemplarisch für die Spielweise der Dresdner unter Schmidt. Der 52-Jährige nennt das Vollgasfußball, Attacke ist sein Prinzip. Als seine Mannschaft mit einem 3:0 gegen Ingolstadt erfolgreich in die Saison gestartet war, kritisierte er danach, dass sie das Ergebnis zum Schluss passiv abgesichert hat. „Ich bin vom Typ her so, dass ich mich schwer damit zufriedengeben kann, wenn wir uns den Ball hin und her schieben“, meinte Schmidt, entschuldigte es aber mit den hohen Temperaturen.
Der Chefcoach will seine Mannschaft angreifen sehen, den Ball am besten schon in der gegnerischen Hälfte erobern. Das verlangt eine extrem hohe Laufbereitschaft. Nach zwei Spielen in Liga zweit stehen fürs Team 238,47 Kilometer in der Statistik. Dieser Wert sei relativ, sagt Schmidt. Er schaut auf spezielle Daten: Sprints ab 24 km/h, Laufwege mit mehr als 21 km/h. „Es ist im modernen Fußball zwingend notwendig, dass ein Spieler eine hohe Anzahl an Antritten und Sprints leisten kann.“
Die Laufdaten sind ein wichtiges Kriterium
Seine Strategie geht auf. Seit er am 26. April als Trainer übernommen hat, ist Dynamo saisonübergreifend in der Liga neunmal ungeschlagen, davon sieben Siege, aufgestiegen und nun im DFB-Pokal eine Runde weiter. „Weil es die Jungs gut umsetzen, weil sie es nicht widerwillig machen, sondern weil es ihnen Spaß macht, so intensiv zu spielen“, sagt Schmidt. Mit dem Erfolg wächst das Vertrauen in diese Strategie und die eigene Stärke.

„Es macht Spaß, wenn man Seite an Seite fighten kann und darüber hinaus erfolgreich ist“, sagt Mittelfeldspieler Yannick Stark – und Tim Knipping erklärt: „Wir wussten, dass Paderborn spielerisch stark ist, aber wir haben gesagt: Wir spielen mit offenem Visier von Minute eins und solange es geht.“ Der Kapitän geht dabei voran, und das nicht nur, weil er per Kopf das 1:0 erzielt. Der 28 Jahre alte Verteidiger ist Motivator und Stabilisator, einer, der die anderen mitreißen kann mit seiner Leidenschaft, seinem Willen. Der Trainer weiß, was er an ihm hat: „Also, Tim Knipping ist im Moment unfassbar.“
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Allerdings entscheidet sich nicht allein auf dem Platz, ob alle mitziehen. Schmidt sagt nicht nur, jeder Einzelne werde gebraucht und vertröstet die Reservisten mit dem Hinweis auf eine lange Saison. Wenn er betont, es gebe keine zweite Reihe, dann meint er das genau so. Im Spiel gegen Paderborn hat er für seine Verhältnisse spät gewechselt, erst in der 65. Minute zum ersten Mal, und insgesamt nur vier anstatt der möglichen fünf Mal. Prinzipiell aber misst er die Leistung nicht nach der Einsatzzeit.
Vlachodimos zahlt das Vertrauen zurück
Seine Ansage an die Profis: „Lieber spiele ich 45 oder 60 Minuten Vollgas und intensiv, bin konzentriert auf meine Aufgaben. Dann gehe ich raus, habe ein super Spiel gemacht und versuche nicht, mich über die 90 Minuten zu schleppen.“ Dafür braucht er einen Kader, in dem jede Position doppelt gleichwertig besetzt ist. Das mag noch nicht immer so sein, auch, weil mancher junge Spieler sich weiterentwickeln muss. Dennoch gebe es jede Woche für die Startelf „enge Entscheidungen“. Deshalb zögert der Trainer nicht, wenn jemand weniger gut im Spiel ist oder die Kraft nachlässt. „Ich will einfach keine Zeit verschenken, noch 10, 15 Minuten warten, wenn ich draußen Top-Leute habe.“

Und er nennt Namen. Panagiotis Vlachodimos zum Beispiel. Der war bei seinem Vorgänger Markus Kauczinski außen vor, Schmidt setzt auf den Deutsch-Griechen. „Ich kannte ihn von der Jugend des VfB Stuttgart als technisch überragenden Spieler mit großer individueller Klasse, seinen Übersteigern, seinem guten Eins-gegen-Eins“, erklärt er. Das Vertrauen, das er Vlachodimos schenkt, zahle er nun jedes Spiel zurück. Wie gegen Paderborn mit seinem genialen Lupfer für Kade. „Das 2:1 super vorbereitet – tolle Sache.“
Den Liveticker von einem packenden Pokalkampf gibt es hier zum Nachlesen.
Die Wechsel gehören also zum Konzept. „Das ist auch eine Belohnung und schweißt uns als Team zusammen. Der eine haut sich rein, gibt alles, bis er nicht mehr kann – dann kommt der Nächste rein ohne Qualitätsverlust“, erklärt Schmidt. „Das ist einfach ein Vorteil, wenn wir so intensiv weiterspielen können und uns nicht über die Zeit schleppen müssen.“
Und so kann eben Daferner runter, Agyemang Diawusie kommt für ihn. Dynamo bleibt in einem zum Ende wilden Spiel mutig, will die Entscheidung vor der Verlängerung und erzwingt sie mit dem Glück, das man den Tüchtigen zuschreibt. „Wenn wir jedes Spiel so fighten, so kämpfen, wird es schwer, uns zu schlagen“, sagt Knipping. Und der Trainer ergänzt: „Diese Energie zwischen Mannschaft, Trainerteam, Zuschauern – das passt einfach gut, deshalb sind wir im Moment erfolgreich.“