Dresden. Kein Trainer war länger bei Dynamo Dresden, keiner so erfolgreich: Fünf DDR-Meistertitel und zwei Pokalsiege feierte Walter Fritzsch zwischen 1969 und 1978 mit den Schwarz-Gelben, im Europapokal warfen sie den FC Porto und Juventus Turin raus, lieferten sich packende Duelle mit Bayern München, dem FC Liverpool und anderen Top-Klubs. Aber was war der Chefcoach für ein Mensch, wie ist er groß geworden, welche Alltagssorgen haben ihn beschäftigt, wie hat er politisch gedacht?
Das ist nachzulesen im "Tagebuch für Walter Fritzsch". So hat er jedes der 57 Hefte betitelt, in denen er festgehalten hat, was ihm wichtig erschien. Als ein Chronist in eigener Sache. Erst schnitt er nur Zeitungsausschnitte aus, in denen der junge Fußballer vom SC Planitz erwähnt wurde oder zu sehen war, unterstrich seinen Namen mit rot. Ab 1940 schrieb er seine Eindrücke dazu.
Fritzsch berichtete von seinen Erlebnissen im Zweiten Weltkrieg, von seiner Liebe zu Käthe, von den Lebensumständen und natürlich vom Fußball, seiner Leidenschaft. Bis Weihnachten 1995, seine letzten Einträge sind nicht mehr zu entziffern. Fritzsch litt unter Alzheimer und starb fünf Wochen vor seinem 77. Geburtstag in Dresden.
Autor Uwe Karte wertet die Aufzeichnungen aus
Nach seinem Tod wurden seine Aufzeichnungen neben Fotos und Erinnerungsstücken in einem großen Koffer aufbewahrt. Der Journalist und Buch-Autor Uwe Karte beschäftigt sich seit einigen Jahren mit diesem umfangreichen Nachlass. "Den Moment, als ich den Koffer das erste Mal geöffnet habe, werde ich nie vergessen", sagt Karte. "Es weht dir ein Hauch fremdes Leben entgegen." Der 53-Jährige hat die Tagebücher ausgewertet, in die Zeitgeschichte eingeordnet und eine - nicht nur wegen der 480 Seiten - umfassende Biorgafie des 1,64 Meter kleinen Mannes mit den großen Erfolgen geschrieben.
Mit einer sachlich-kritischen Distanz schafft es Karte, die zwiespältige Persönlichkeit von Fritzsch für den Leser erlebbar zu machen. Er zitiert dabei ausführlich aus den Tagebüchern, verwendet aber darüber hinaus gut recherchiertes Hintergrundwissen.
Ein bedeutender Teil des Buches widmet sich dem Einsatz von Fritzsch an der Ostfront und seinem Leben während des Krieges. Dafür hat Karte die Tagebuch-Einträge verglichen mit der Chronik der 18. Panzer-Division, die in Sachsen
aufgestellt worden ist und zu der Fritzsch mit dem 18. Kradschützen-Bataillon gehörte. "Es ist bedrückend und beeindruckend zugleich, wie er den Tod und die Umstände in einem Stakkato-Stil ohne eine Bewertung auflistet: Die Toten, wie es im Erzgebirge üblich ist: erst mit dem Nach-, dann mit dem Vornamen. Und dazu: Heute Sonnenschein, minus 25 Grad", erzähltete Karte von seiner Arbeit am Buch.
Sportredakteur Sven Geisler hat das "Tagebuch für Walter Fritzsch" für Sächsische.de gelesen und fünf wesentliche Etappen im Leben des späteren Meistertrainers von Dynamo Dresden in einer Serie zusammengefasst.